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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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Calderon auf dem Münchner Künstlertheater
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Calderon auf dem Münchner Künstlertheater.


(5\

fNachdruck verboten.]

xßnev frühere Münchner Kunstschriftsteller GeorgFuchs ist der geistige Schöpfer
•JcT des Münchner Künstlertheaters, das der Erbauer des Wagner-Festspielhauses,
des Prinz-Regenten-Theaters, nach dessen verkleinertem Muster hinter dem Riesen-
standbild der Bavaria im Ausstellungspark hat erstehen lassen. Vorübergehend
kam es unter die Botmäßigkeit Max Reinhardts, dem es bald viel zu eng wurde,
woraus dann seine Zirkusidee entsprang: er brauchte bloß iiber den Weg hinüber in
den Ausstellungszirkus zu gehen und den Ödipus aufzuführen, und der Anfang, dem
bald die Fortsetzung in Beriin und anderwärts folgte, war gemacht. Reinhardt kam
nicht wieder, und Fuchs wurde Theaterdichter und Direktor. Er warf sich auf
Calderon, der heute auf unserer deutschen Bühne fast ganz verschwunden ist,
und bearbeitete seine mythologische Fiesta „E1 mayor encante amor“ (Uber
allen Zauber Liebe). Calderon liebte die langen Titel, der moderne Nachdichter
konnte sie nicht brauchen. „Circe“ nannte er das Stück, denn das Abenteuer
Odysseus’ mit Circe, das uns Homer im zehnten Gesange seiner Odyssee erzählt,
bildet den Inhalt der altspanischen Komödie. In Schweine und andere Tiere ver-
wandelt Circe, die „Magin“, wie sie der Übersetzer Calderons, Schlegel, nennt, die
Gefährten Odys-
seus’. Mit diesem
selbst aber vcr-
bindet sie sich in
Liebe. Der Spa-
nier führt uns an
den ganz im Stile
seiner Zeit ge-
dachten Liebeshof
Circes. Odysseus
oder, wie er hier
heißt, Ulysses ver-
läßt aber die Zau-
berin, angestachelt

2ick-

von seinen tatendurstigen Gefährten; Circe bleibt vernichtet zurück. Fuchs
hat wenig von Calderon stehen lassen, aber er hat ein brillantes Ausstattungs-
stück geschaffen, in dem sich altgriechischer Stil, spanisches Rokoko und
moderne Reinhardt-Regie gar wundersam vermischen. Alfred Halm hatte das
Ganze in Szene gesetzt, Hierl-Deronco, der Maler, die Kostüme besorgt, und
Tilla Durieux und Waldemar Staegfemann spielten das klassische Liebespaar. So-
lange sie auf der Szene standen, vermochten sie über alle Unwahrscheinlichkeiten
des Abends hinwegzutäuschen; ihren Nachfolgern aber gelang es schon weit
weniger. Nur eine Gestalt Calderons war nicht beschnitten, sondern sie durfte
sich im Gegenteil voll ausleben: die des altspanischen Grazioso, der in jedem
Stücke Calderons vorkommt; Max Pallenberg entfesselte als Lustigmacher Clarin
jeden Abend Lachstürme, die das Flaus erschütterten. Unser Bild zeigt sie alle
zusammen in einer großen ITuldigungsszene; nicht zu vergessen die hübschen
Dancing girls, die Reinhardt aus England verschrieben, und ohne die nun bald
kein Münchner Aussteliungssommer zu denken ist. Der katholischste Dichter
Spaniens würde große Augen gemacht haben oder er würde vielleicht mindestens

ein Auge zuge-
drückt haben —
so sehr hatte sich
sein mythologi-
scher Traum seit
seiner Urauffüh-
rung imJahre 1639
verändert. Es gibt
nicht viele Stücke
in unserer Welt-
literatur, die nach
300 Jahren über-
haupt noch auf-
wachen! A. v. M.

2ack..

,ie Korre-
spondenz
der Könige. Für-
sten, Könige und
Kaiser besitzen
wohl eine ausge-
breitete Privat-
korrespondenz,die
hauptsächlichste
Post besteht aber
in dem täglichen
Eingang von Brie-
fen, Bittgesuchen,

Büchern und Zei-
tungen. Je größer
das Land, und je

bedeutungsvoller sein Ansehen im Rate der Völker, urn so zahlreicher ist der
tägliche Posteingang. Die Monarchen untereinander korrespondieren als Privat-
personen durch eigenhändig ausgeführte Briefe, die teils der Post übergeben
oder aber bei wichtigen Anlässen durch eigne Kuriere bestellt werden.
Solche Handschreiben werden von dem Kurier, in Deutschland ist den Feld-
jägeroffizieren dieses Amt übertragen, nach dem betreffenden Lande persönlich
überbracht und in der dem Lande unterstellten Botschaft abgegeben. Selbst-
redend unter bestimmten Sicherheitsmaßnahmen. Der Botschafter befördert
dann das Schreiben an das Hofmarschallamt des königlichen Adressaten oder
gibt es, je nach Bestimmung, in feierlicher Audienz dem Empfänger. Jeder, von
Souveränen zur Post gegebener Brief genießt Portofreiheit, wird aber als Ein-
schreibebrief befördert. Jeder Herrscher besitzt eigne Kanzleien zur Erledigung
seiner Posteingänge nebst seinen Sekretären. König Georg V. von England wird
auf allen seinen Reisen von seinem eignen Postamt begleitet. Dieses Postamt
erledigt sämtliche Obliegenheiten wie jedes andere Postamt. Es werden hier
Telegramme aufgegeben und entgegengenommen, es werden vom König selbst
telephonische Gespräche geführt und die Post für die Mitglieder des Königshauses
bestellt. Sechsmal bestellt das Londoner Hauptpostamt die Posteingänge an
das königliche Postamt. Im Schlosse sind Briefkästen für die Korrespondenz
der königlichen Familie angebracht, die nach Ablauf von zwei Stunden regel-
mäßig geleert werden. Das englische Königshaus genießt nur für amtliche
Schreiben Portofreiheit. Alle Privatbriefe müssen frankiert werden. König Georg
empfängt täglich im Durchschnitt 600 Briefe. Eine gleich zahlreiche Post hat

Aufführung von Calderons Circe im Münchner Künstlertheater.

Phot. Gebr. Hirsch, München.

der Kaiser von
Rußland. Die klei-
neren Königreiche
wie Italien und
Spanien befördern
für ihre Monar-
chen täglich an
300 Briefe, wäh-
rend die Königin
Wilhelmina von
Holland nur von
150 Briefen wäh-
rend eines Tages
Kenntnis zu neh-
men hat. Der Prä-
sident der Ver-

einigten Staaten von Amerika hat täglich nicht weniger als 1 000 Briefe und
4000 Zeitungen als Posteingang zu verzeichnen. Von allen Herrschern empfängt
der Deutsche Kaiser die zahlreichste Post aus täglich 4000 Briefen und ebenso-
vielen Zeitungen und Büchern. Welch riesiges Arbeitsmaterial ist mit diesem
täglichen Posteingang zu bewältigen. Wenn man bedenkt, daß der Kaiser bei
vielen dieser Briefe seine Entscheidung zu treffen hat, daß außerdem täglich
Hunderte von Schriftstücken von ihm unterzeichnet werden müssen, und daß
eine große Zahl der eingehenden Bücher vom Kaiser gelesen wird, dann dürfte
wohl jeder das Amt eines Herrschers als keine leichte Bürde bezeichnen. Den
größten Posteingang von allen Souveränen besitzt der Papst. 35 Sekretäre sind
zur Erledigung dieser Korrespondenz in der päpstlichen Kanzlei beschäftigt.
Hier gehen täglich etwa 22 000 bis 25 000 Briefe und Drucksachen ein. Das
ergibt in einem Jahre einen Eingang von fast 8 Millionen Poststücken. A. M.

* *

„Jung-Holland“ auf dem Brabanter Platz in Wilmersdorf. Im
Auftrage der Stadt Wilmersdorf hat der Bildhauer Ernst Bernardien zwei
lebenswahre Gruppen, holländische Kinder darstellend, geschaffen, die sich der
Umgebung des Brabanter Platzes, der ganz in holländischem Stil gehalten ist, sehr
gut anpassen. Diese beiden originellen Plastiken sind so recht dazu angetan, den
dort spielenden Kleinen ein leuchtendes Vorbild kindlicher Fröhlichkeit vor Augen
zu halten. Die eine zeigt drei frische holländische Jungens, wie man sie in Volendam
sich herumtummeln sieht. Der mittelste, ein pausbäckiger Knabe, hält in dem leicht
gebeugten linken Arm seine bis zum Rande mit Äpfeln gefüllte Zipfelmütze.

XXVII. 6. Z.-Z.
 
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