MODERNE KUNST.
Er hat nach den Mädchen einen der Äpfel gevvorfen und ist im Begriff,
nunmehr das nächste süße Geschoß zu ergreifen. Die frischen Augen
schauen gespannt in der Richtung des Wurfes. Rechts von ihm das
Jungchen mit dem Schifferklavier, liefert die Musik zu dem Spektakel,
sein Ohr lauscht sorgsam seinen Kompositionen. Der linke Knabe,
den richtigen Fischer markierend, schwingt triumphierend mit seiner
Linken das Netz, angefüllt mit Fischen aller Art, da er reiche Beute
erzielte; die Rechte hält nach altem Fischerbrauch die holländische
Tonpfeife. Ein Tragkorb mit dem schönsten holländischen Gemüse
deutet auf Flollands Handel. Ebenso fröhlich sind die gegenüber-
stehenden drei Meisjes. Nach den fein unterschiedenen Trachten ist
das linke Mädchen eine Seeländerin, das mittlere aus Volendam und
das rechte ein Kind der Insel Marken. Während die Mittlere in un-
gezwungener Fröhlichkeit wild vorwärtsstürmt, dem werfenden Knaben
entgegen, versuchen die beiden andern, etwas ängstlich, ihre Gespielin
zurückzuhalten. Die Linke streckt noch die Hand empor, wie zur Abwehr
gegen den Apfel, den der Junge warf. Die Mittlere aber hat die Kleinen
mit einem großen Fischnetz fest umschlungen und so müssen sie mit, ob
sie wollen oder nicht. Dennoch hält die Rechte die kleine Schürze
fest, damit ihr die Tulpen bei dem ungestümen Vorwärtsstürmen nicht
entfallen. Diese Gruppen bilden einen hübschen Schmuck für einen
Platz, auf dem für die Kinder zum Spielen Sandhaufen aufgeschüttet
sind. Der Strand ist also da, nur das Wasser nicht. P. P.
Wie Haydn die Schläfer weckte. Ein Blick in die Lebens-
geschichte unserer bedeutendsten Tondichter lehrt uns, daß vielleicht
gerade die genialsten mit den größten Schwierigkeiten zu kämpfen
hatten, ehe sie sich und ihre Werke durchzusetzen, vermochten. Ent-
weder reichte das Verständnis des Publikums nicht aus, ihnen auf ihren .
Wegen zu folgen, oder die Künstler schlugen völlig neue Bahnen ein
und setzten sich zu ihrer Zeit und den aithergebrachten Auffassungen
in Widerspruch. Es soll vorkommen, daß gewisse Leute im Konzert-
saal während die Kiänge unsterblicher Schöpfungen den Raum durch
fluten, in sanften und festen Schlummer sinken. Haydn hat es selbst
erfahren und sich in höchst origineller Weise gegen solche Schläfer seines
Auditoriums gewehrt, wie die nachfolgende kleine Geschichte voll köstlichen
Humors zu erzählen weiß. Als der große Meister seine G-dur-Symphonie
schrieb und ihr den „Paukenschlag“ hinzufügte, hatte das seine ganz besondere
Bewandtnis. Der Komponist, welcher verschiedentlich mit höchstem Unmut
beobachtet hatte, daß während des Konzerts einzelne seiner Zuhörer in Morpheus
Arme sanken, beschloß ein Exempel zu statuieren. Er setzte in der erwähnten
Sjmiphonie nach einem ganz zarten Pianissimo das stärkste Fortissimo mit
Pauken ein, und dies wurde bei der Premiere noch obendrein mit ungewöhnlich
starken Klöppeln und heldenhafter Bravour wiedergegeben. Zu seiner großen
Genugtuung sollte er die beabsichtigte Wirkung erzielen. Jäh und unsanft
Ernst Bernardien: Holltlndische Mädchen.
Ausgeführt von Akt.-Ges. H. Gladenbeck & Sohn, Berlin.
wurden die Schlummernden aus ihren Träumen geschreckt und fuhren bestürzt
empor. Eine Dame soll sogar der Ohnmacht nahe gewesen sein. Der un-
barmherzige Komponist hatte aber jedenfalls seinen Zweck erreicht. Zu solch
drastischen Mitteln muß der Künstler seine Zuflucht nehrnen, utn die Gleich-
gültigen wachzurütteln. &
Des Sängers Fluch. Zu Ludwig Uhlands 50. Todestage (13. November 1862).
Von Alexander dem Großen wird erzählt, er habe es bitter beklagt, daß er nicht
ebenso wie Achill seinen Homer gefunden; denn er war der Meinung, daß nicht
die Taten selbst, sondern der Sänger, der sie besingt, dem Helden Ruhm und
Unsterblichkeit verschaffe. Bei allen Völkern und zu allen Zeiten ist
die Macht des Dichters gerühmt oder gefürchtet worden, die Macht, zu
segnen und für Heldentaten, Großmut, Milde zu belohnen, ebenso aber
auch die Macht, zu fluchen und dadurch die Feigheit, Bosheit, Grausam-
keit zu strafen. Diesen rächenden Sänger darzustellen, hat der Künstler
unternommen, dessen Werk wir hier wiedergeben. Er nimmt die Situation
aus Uhlands berühmtem Gedicht „Des Sängers Fluch“: Der Alte, der
mit seinem jungen Gefährten herbeigezogen. ist, um des Königs harte
Seele zu erweichen, aber nur den Jähzorn des Wüterichs gereizt hat,
verläßt mit dem getöteten Knaben das Schloß und hält am Tor inne,
um seinen furchtbaren Fluch über diese Stätte auszustoßen. Der uns
dieses Lied gedichtet hat, war selbst ein solcher mit göttlichen Kräften
ausgestatteter Sänger, dessen Macht zu segnen und zu fluchen bis heute
fortwirkt, und dessen wir anläßlich seines 50. Todestages von neuem
gedenken. Ludwig Uhlands Gedichte gehören zu den frühesten Ein-
drücken jedes Deutschen, und seine romantischen Gestalten, von Jung
Siegfried und Klein Roland an bis zu Bertran de Born, haben sich m
der Zeit der größten Empfänglichkeit unserm Gemüt unverlierbar ein-
geprägt. Und wenn wir in späteren Jahren zu ihm zurückkehren, so finden
wir vieles, worüber wir in unserer Jugend hinweglasen, und was uns
erst jetzt seine Schönheit offenbart. Ja, die zu wenig gekannten
Schriften zur Geschichte der Dichtung und Sage sind überhaupt nur
einem reiferen Alter zugängig. Uhlands Werke gehören zu denjentgen
Büchern, die in keinem Hause fehlen dürfen. Eine gute, reichhaltige
und doch billig'e Ausgabe bietet die bekannte Goldene Klassiker-Bibliothek.
Ilier finden wir sämtliche Gedichte mit Einschluß der Nachlaßgedichte,
die beiden vollendeten Dramen nebst einer reichlichen Auswahl der
dramatischen Entwürfe, endlich Prosaschriften in einem Umfange, wie
keine andere populäre Ausgabe sie enthält. Korrektheit der Texte, em
gut geschriebenes Lebensbild und ausführlicher Kommentar gehören zu
den selbstverständlichen Vorzügen dieser Sammlung. Trotzdem kostet
das Werk in zwei Leinenbände gebunden nur 1,75 M. pro Band. Es
dürfte keine bessere Feier des Gedenktages für Ludwig Uhland
Ernst Bernardien: Holländische Krmben.
Ausgeführt von Akt.-Ges. H. Gladenbeck & Sohn, Berlin.
Er hat nach den Mädchen einen der Äpfel gevvorfen und ist im Begriff,
nunmehr das nächste süße Geschoß zu ergreifen. Die frischen Augen
schauen gespannt in der Richtung des Wurfes. Rechts von ihm das
Jungchen mit dem Schifferklavier, liefert die Musik zu dem Spektakel,
sein Ohr lauscht sorgsam seinen Kompositionen. Der linke Knabe,
den richtigen Fischer markierend, schwingt triumphierend mit seiner
Linken das Netz, angefüllt mit Fischen aller Art, da er reiche Beute
erzielte; die Rechte hält nach altem Fischerbrauch die holländische
Tonpfeife. Ein Tragkorb mit dem schönsten holländischen Gemüse
deutet auf Flollands Handel. Ebenso fröhlich sind die gegenüber-
stehenden drei Meisjes. Nach den fein unterschiedenen Trachten ist
das linke Mädchen eine Seeländerin, das mittlere aus Volendam und
das rechte ein Kind der Insel Marken. Während die Mittlere in un-
gezwungener Fröhlichkeit wild vorwärtsstürmt, dem werfenden Knaben
entgegen, versuchen die beiden andern, etwas ängstlich, ihre Gespielin
zurückzuhalten. Die Linke streckt noch die Hand empor, wie zur Abwehr
gegen den Apfel, den der Junge warf. Die Mittlere aber hat die Kleinen
mit einem großen Fischnetz fest umschlungen und so müssen sie mit, ob
sie wollen oder nicht. Dennoch hält die Rechte die kleine Schürze
fest, damit ihr die Tulpen bei dem ungestümen Vorwärtsstürmen nicht
entfallen. Diese Gruppen bilden einen hübschen Schmuck für einen
Platz, auf dem für die Kinder zum Spielen Sandhaufen aufgeschüttet
sind. Der Strand ist also da, nur das Wasser nicht. P. P.
Wie Haydn die Schläfer weckte. Ein Blick in die Lebens-
geschichte unserer bedeutendsten Tondichter lehrt uns, daß vielleicht
gerade die genialsten mit den größten Schwierigkeiten zu kämpfen
hatten, ehe sie sich und ihre Werke durchzusetzen, vermochten. Ent-
weder reichte das Verständnis des Publikums nicht aus, ihnen auf ihren .
Wegen zu folgen, oder die Künstler schlugen völlig neue Bahnen ein
und setzten sich zu ihrer Zeit und den aithergebrachten Auffassungen
in Widerspruch. Es soll vorkommen, daß gewisse Leute im Konzert-
saal während die Kiänge unsterblicher Schöpfungen den Raum durch
fluten, in sanften und festen Schlummer sinken. Haydn hat es selbst
erfahren und sich in höchst origineller Weise gegen solche Schläfer seines
Auditoriums gewehrt, wie die nachfolgende kleine Geschichte voll köstlichen
Humors zu erzählen weiß. Als der große Meister seine G-dur-Symphonie
schrieb und ihr den „Paukenschlag“ hinzufügte, hatte das seine ganz besondere
Bewandtnis. Der Komponist, welcher verschiedentlich mit höchstem Unmut
beobachtet hatte, daß während des Konzerts einzelne seiner Zuhörer in Morpheus
Arme sanken, beschloß ein Exempel zu statuieren. Er setzte in der erwähnten
Sjmiphonie nach einem ganz zarten Pianissimo das stärkste Fortissimo mit
Pauken ein, und dies wurde bei der Premiere noch obendrein mit ungewöhnlich
starken Klöppeln und heldenhafter Bravour wiedergegeben. Zu seiner großen
Genugtuung sollte er die beabsichtigte Wirkung erzielen. Jäh und unsanft
Ernst Bernardien: Holltlndische Mädchen.
Ausgeführt von Akt.-Ges. H. Gladenbeck & Sohn, Berlin.
wurden die Schlummernden aus ihren Träumen geschreckt und fuhren bestürzt
empor. Eine Dame soll sogar der Ohnmacht nahe gewesen sein. Der un-
barmherzige Komponist hatte aber jedenfalls seinen Zweck erreicht. Zu solch
drastischen Mitteln muß der Künstler seine Zuflucht nehrnen, utn die Gleich-
gültigen wachzurütteln. &
Des Sängers Fluch. Zu Ludwig Uhlands 50. Todestage (13. November 1862).
Von Alexander dem Großen wird erzählt, er habe es bitter beklagt, daß er nicht
ebenso wie Achill seinen Homer gefunden; denn er war der Meinung, daß nicht
die Taten selbst, sondern der Sänger, der sie besingt, dem Helden Ruhm und
Unsterblichkeit verschaffe. Bei allen Völkern und zu allen Zeiten ist
die Macht des Dichters gerühmt oder gefürchtet worden, die Macht, zu
segnen und für Heldentaten, Großmut, Milde zu belohnen, ebenso aber
auch die Macht, zu fluchen und dadurch die Feigheit, Bosheit, Grausam-
keit zu strafen. Diesen rächenden Sänger darzustellen, hat der Künstler
unternommen, dessen Werk wir hier wiedergeben. Er nimmt die Situation
aus Uhlands berühmtem Gedicht „Des Sängers Fluch“: Der Alte, der
mit seinem jungen Gefährten herbeigezogen. ist, um des Königs harte
Seele zu erweichen, aber nur den Jähzorn des Wüterichs gereizt hat,
verläßt mit dem getöteten Knaben das Schloß und hält am Tor inne,
um seinen furchtbaren Fluch über diese Stätte auszustoßen. Der uns
dieses Lied gedichtet hat, war selbst ein solcher mit göttlichen Kräften
ausgestatteter Sänger, dessen Macht zu segnen und zu fluchen bis heute
fortwirkt, und dessen wir anläßlich seines 50. Todestages von neuem
gedenken. Ludwig Uhlands Gedichte gehören zu den frühesten Ein-
drücken jedes Deutschen, und seine romantischen Gestalten, von Jung
Siegfried und Klein Roland an bis zu Bertran de Born, haben sich m
der Zeit der größten Empfänglichkeit unserm Gemüt unverlierbar ein-
geprägt. Und wenn wir in späteren Jahren zu ihm zurückkehren, so finden
wir vieles, worüber wir in unserer Jugend hinweglasen, und was uns
erst jetzt seine Schönheit offenbart. Ja, die zu wenig gekannten
Schriften zur Geschichte der Dichtung und Sage sind überhaupt nur
einem reiferen Alter zugängig. Uhlands Werke gehören zu denjentgen
Büchern, die in keinem Hause fehlen dürfen. Eine gute, reichhaltige
und doch billig'e Ausgabe bietet die bekannte Goldene Klassiker-Bibliothek.
Ilier finden wir sämtliche Gedichte mit Einschluß der Nachlaßgedichte,
die beiden vollendeten Dramen nebst einer reichlichen Auswahl der
dramatischen Entwürfe, endlich Prosaschriften in einem Umfange, wie
keine andere populäre Ausgabe sie enthält. Korrektheit der Texte, em
gut geschriebenes Lebensbild und ausführlicher Kommentar gehören zu
den selbstverständlichen Vorzügen dieser Sammlung. Trotzdem kostet
das Werk in zwei Leinenbände gebunden nur 1,75 M. pro Band. Es
dürfte keine bessere Feier des Gedenktages für Ludwig Uhland
Ernst Bernardien: Holländische Krmben.
Ausgeführt von Akt.-Ges. H. Gladenbeck & Sohn, Berlin.