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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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23. Heft
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Ebolé, W. K.: Das deutsche Stadion
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Bethge, Hans: Biedermeier
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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0719

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302

MODERNE KUNST.

zuwohnen, der nachmittags um fünf Uhr zwischen dem
Verband Brandenburgischer Fußballvereine und einer west-
deutschen Mannschaft stattfand und die letztere mit 5:3
siegreich sah.

Das Stadion liat — so lautet das einstimmige Urteil —
seine erste große Kraftprobe rühmlich bestanden. Der
Kaiser hat dem Präsidenten des Deutschen Reichsaus-
schusses für olympische Spiele seine volle Zufriedenheit
über das Gesehene aussprechen lassen. So darf man denn
getrost dem Jahre 1916 entgegensehen, in dem Deutsch-
land die ganze Welt zu Gaste laden wird, um gemein-
schaftlich mit den andern Kulturvölkern die Feier der
VI. Olympiade zu begehen.

Aufsteigen der Brieftauben.
Phot. A. Grohs.

ißiedermeier.

Von Hans Bethge.

[Nachdruck verboten ]

VL?\ie Laune unseres Geschmacks verbindet uns heute
■+<2/ mit gewissen Stilbesonderheiten jener verklungenen
bürgerlichen Epoche in der ersten Hälfte des abgelaufenen
Jahrhunderts, die man kurzweg die Biedermeierzeit zu
nennen pflegt. Wir haben einen ganz bestimmten Vor-
stellungskomplex, wenn wir das Wort Biedermeier aus-
sprechen: Silhouetten, bunte Bänder, Kränze und Girlanden
als Schmuck und das etwas sentimentale Empfinden einer
für Freundschaft und stille, leidenschaftslose Liebe schwär-
menden Zeit. Jene Zeit war sehr geschmackvoll, wenn
auch innerlich nicht besonders stark. Die bestricken-
den, kunstgewerblichen Anregungen, die sie uns
bietet, sollen wir dankbar hinnehmen, aber wir
sollen uns vor unfruchtbarer Nachahmung hüten.

Das ganze Gefühlsleben unserer Zeit, die sich
des elektrischen Lichtes, des Automobils und
des lenkbaren Luftschiffes erfreut, ist doch sehr
verschieden von der Schwärmerei der Bieder-
meierepoche. Wir haben nach neuen Formen
des Lebens und der angewandten Kunst zu
suchen, die unserer Zeit entsprechen; allerdings
scheint ein vernünftiges Anknüpfen an die Formen
jener verrauschten Zeit wohlbegründet, denn es
war die letzte eigene Kulturepoche, die wir durch-
gemacht haben, die letzte Epoche eines sicheren, klaren,
aus guten Traditionen geborenen Stils.

Es ist ein sehr anziehendes Buch erschienen, das uns
die Atmosphäre der Biedermeierzeit auf anschauliche Weise
heraufbeschwört. Es heißt „Das Biedermeier im Spiegel
seiner Zeit“ und enthält auf 400 Seiten Briefe, Tagebücher,

Jungdeutschland. Phot. Conrad Hünich, Berlin-Charlottenburg.

Memoiren, Volksszenen und ähnliche Dokumente, gesammelt
von Gcorg Hermann, der schon einmal, in seinem Roman
„Jettchen Gebert“, gezeigt hat, daß er die vormärzliche
Zeit auf das beste beherrscht. Das Buch erschien bei
Bong & Co. zu Berlin W 57, ist mit mancher hübschen
Abbildung versehen und besticht durch seine
Mannigfaltigkeit. Es führt uns in das politische
und kulturelle Leben, behandelt den Hof, die
Mode, das Theater, gibt Dichterprofile und Bilder
von der Straße, von Volksfesten, vom Reisen
und dem Leben des Alltags. Es ist ein Ver-
gnügen, in diesen glücklich zusammengesteilten
Seiten zu blättern, der behaglich-bürgerliche
von' romantischen Träumereien überglänzte
Geist jener Jahre weht uns lawendelduftig aus
ihnen entgegen.

Die Schlankheit der Empire-Kleidung wurde
in der Biedermeierepoche abgelöst durch breite,
bauschige Formen: bei den Frauen wird der Reifrock
Mode, der meist fußfrei ist, und eine zeitlang trägt man
ungeheuer breite Puffärmel, die sogenannten „Hammel-
keulen“. Die Haare tragen die Frauen aus dem Nacken empor-
gekämmt, sie wickelten sie in dicke Locken und legten diese
an den Schläfen herab, sodaß sie daß Gesicht einrahmten. Man
erschien niemals im bloßen Haar allein. Im
Hause trug man Häubchen aus Rüschen und
bunten Bändern, und jeder konnte sich nach
Farbe und Form das zurechtkomponieren, was
dem eigenen Gesicht am vorteilhaftesten war.
Armel und Kopfputz nahmen in den Jahren 1830
und 1831 die größte Ausdehnung an. Eine
zeitlang herrschte der Turban als beliebteste
Gesellschaftskoiffure. Mit Vorliebe verwendete
man bunte Bänder für Kleidung und Hüte, es
war sozusagen die Zeit derBänder, man machte
sich schöne Bänder zum Geschenk, und der
Geschmack, der sich in diesen flatternden
seidenen Streifen kundgab, war hoch ent-
wickelt. Die Hüte, die meist schutenartig den
Kopf eng umrahmten und unter dem Kinn mit
einem breiten Band geknüpft waren,- trug man
in anderer Farbe als die Kleidung: beliebt
waren schwarze Ilüte zu rosa Kleidern und
weiße zu schwarzen Kleidern. Die schuten-
artigen Hüte haben sich, mit kleinen Varianten,
Jahrzehnte hindurch gehalten, man muß sie
also sehr kleidsam gefunden haben. Blumige
Seidenstoffe sind Mode, besonders Rosenmuster.
Die Taille ist eng, in einigen Jahren übertrieben
eng (Wespentaille), und die besten Korsetts
bezieht man von Lacroix in Paris, das Stück
zu fünf Louisdor (tOO Mark).

Der großen Armel wegen war das An-
legen von Mänteln so gut wie unmöglich.

Turnerinncn.

Phot. Gebr. Haeckel, Berlin.
 
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