Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

DOI Heft:
15. Heft
DOI Artikel:
Oswald Gette: Ein Maler der Mark
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0436

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Oswald Gette: An der Havel.

Oswald Gette.

Ein Maler der Mark.

»urch die Malerei einiger Künstler der jüngeren Generation geht ein Zug, der
Goethes Wort an den Naturgeist nahe Iegt: „Und lehrst mich meine Brüder
im stillen Busch, in Luft und Wasser kennen". Gewiß, letzten Endes sollte
alle Landschaftsmalerei diesem Ziele dienen, hat es aber kaum je in dieser ausge-
sprochenen und bewußten Weise getan. Das gilt auch von dem Impressionismus, der
die Luft zu seinem besonderem Studienobjekte machte; vielfach war ihm die Farben-
wirkung, die Frage wie das Rot, Blau zum Gelb usw. stand, die Hauptsache. Wenn
der Inipressionismus also das Rein-Malerische, oder anders ausgedrückt, die Form, den
Körper des Kunstwerks betonte, so ist die Erfassung und Gestaltung des inneren
Wesens und Lebens der Natur, also der seelische Inhalt des Gemäldes, für die ge-
nannten Künstler das Ziel ihres Strebens. Das klingt z. B. aus den Worten Karl
Hagemeisters, der hier als der berufene Führer gelten kann: „Wenn ich eine auf-
blühende Rose sehe und sie Ton für Ton abmale, kann ich mir nie vorstellen, daß
ein Beschauer glauben könne, die Rose riecht. Wenn ich sie aber aus der Materie
bilde, immer feiner, bis zu den durchsichtigen Blättern gestaltend male, wird sie
duften. Wenn ich eine fliegende Wolke sehe, kann ich sie nicht ,mauern‘, sondern
nur mit duftigem, flüchtigem Auftrag kann ich sie schwebend machen. Wenn ein
Baum an einem Bache steht, kommt er kräftig aus der Erde, reckt seine Äste über
das Wasser zum Licht usw. Dies Wachstum der Naturdinge, dies heimlich gestaltende
Leben suche ich jetzt durch neue Technik zu erreichen." Ja, Karl Hagemeister äußert
sich noch klarer: „Ich meine damit, daß. ich erstrebe, mich mit dieser gestallenden
Malweise auch seelisch auszudrücken“. Die Verse Eichendorffs scheinen anzuklingen:
„Schläft ein Lied in allen Dingen,

Die da träumen fort und fort,

Und die Welt hebt an zu singen,

Triffst du nur das Zauberwort."

Man könnte also von einer neuen Romantik der Landschaftskunst reden, nur daß
ihre Motive weder mit denen der alten romantischen Dichtung — verfallene Burgen

[Nachdruck verboten.]

und Schlösser beim Mondesschein, Einsiedler in ihren Klausen usw. — noch mit den feurig
pathetischen Farben des französischen Maler-Romantikers Delacroix etwas Gemeinsames
haben. Im Gegenteil; die neue Romantik hat eine realistische Grundlage und ist
durchaus stiller Art. Nicht das Ungewöhnliche und Ferne, sondern das Nahe, Schein-
bar-Gewöhnliche und dennoch nicht tief genug Erkannte sucht sie darzustellen. Zu
den Künstlern, die auf diesem neuen Wege vorwärtsschreiten, gehört auch Oswald Gette,
der es als ein Glück ansieht, daß er an Hagemeisters Seite eine Zeitlang schaffen
durfte. Der frühere Entwicklungsgang Gettes weist auf Albrecht Hertel, bei dem er
das Meisteratelier inne hatte, ferner auf Gude, Bracht und besonders auf Leistikow
hin, dem der Künstler ein außerordentlich dankbares Erinnern bewahrt. Wie Hage-
meister erblickt auch Gette das Ziel seiner Kraft darin, das feine Leben der Natur
zu sehen und darzustellen.

Es ist der Schwarz-Weiß-Reproduktion schwer, dieses Weben in und um die
Dinge wiederzugeben, wie ja auch nur das farbige Gemälde, nicht die Zeichnung
hier das Letzte erschließen kann. Immerhin bietet das Schwarz-Weiß-Blatt, „Das alte
Graudenz", das sich auf der vorjährigen Großen Berliner Kunstausstellung befand,
eine gute Probe sowohl von Gettes Streben nach der Belebung seines Vorwurfs, wie
von seinem rein technischen, sehr beachtenswerten Können. Die andere, ältere Zeich-
nung, „Boote an der Havel", zeigt noch, auf welchen Wegen der Künstler sich und
sein Ziel allmählich gefunden hat. Der Duft und die vornehme Stille des Sommer-
morgens gelangen bereits gut zum Ausdruck.

Mehr von dem innersten Wesen Oswald Gettes erschließt seine „Märkische Wiese
im Frühling“. Hier sieht man fast nichts als eine weite, überschwemmte Wiese, von
gelben Blumen und von Gras überwachsen, ,das stellenweise aus dem Wasser hervor-
tritt. Im Hintergrunde der schmale Streifen einer dunkler-grünen Silhouette, die aus
einer Zeile Birken und einem kleinen Landhäuschen . besteht. Darüber der Himmel,
dessen leichte Wölkchen mit einem leisen Hauch von Rosa übertönt sind. Und dieses
Hellblau und Rosa spiegelt sich in delikaten Tönen auf den überschwemmten Teilen

XXVII. 48.
 
Annotationen