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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0275

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. . i /- i TiiT . r.. T7-x • i Phot. Paul Radschun, Königsberu.

August Gaul: Monumentalbrunnen tur Kömgsberg. b

Ein IVIonumentalbrannen flagust Gauls.

Bei der Verschönerung Königsbergs geht die Skulptur
nicht leer aus, denn unentwegt ist die alte Krönungs-
stadt der preußischen Könige beflissen, ihren Ruhm als
vornehme Pflegestätte der Kunst und Wissenschaft zu
wahren. Professor August Gaul in Berlin-Friedenau,
Mitglied der Königlichen Akademie der Künste, hat für
ihre neuen Anlagen vor dem Steindammer Tor eine
bronzene Monumentalgruppe, bestehend aus zwei mit-
einander kämpfenden Wisenten, geschaffen. Das mäch-
tige Kunstwerk bildet mit seinem wuchtig aufgebauten
Sockel den Abschluß eines von frisch zuströmendem
Wasser belebten Bassins. Eine glückliche Idee ist in
gelungenster Forrn verkörpert. Sobald die Anlagen in
der Entwicklung weiter vorgeschritten und Baum und
Strauch erstarkt und belaubt sind, wird diese Stätte, an
der sich Natur und Kunst so schön verschwistert haben,
eine der anziehendsten in weiter Runde sein. Wo nun
die Wisente in Bronze das Auge fesseln, mögen sie
ehemals lebendig gewandelt sein. Diese Zeiten, da
der wilde, jähzornige, wegen seiner Stärke gefürchtete
Gesell in Mitteleuropa heimisch war und als vornehmster
Gegenstand der hohen Jagd galt, sind längst vorüber:
heute haust er nur noch in der Bialowiczer Heide in
Russisch-Litauen, sorglich gehegt und nur ausnahms-
weise gepirscht von bevorzugten erlauchten Herren.
Seine Stirn ist außerordentlich breit und vorgewölbt,
seine kurzen Hörner und kleinen Augen stehen weit aus-
einander, und sein Widerrist ist durch die üppige Ent-
wicklung der oberen Dornfortsätze der ersten Rücken-
wirbel so hoch gebuckelt, daß die Rückenlinie nacli der
erheblich schwächeren hinteren Körperhälfte stark ab-
fällt. Der Künstler, bekanntlich ein hervorragender
Meister der Tierplastik, läßt zwei solcher wutentbrannten
gewaltigen Tiere mit gesenkten Häuptern gegeneinander
stürmen und Stirn an Stirn ihre Kräfte messen. Es ist
überflüssig zu sagen, daß er in der Durchbildung der
gigantischen Leiber, die mehr als Lebensgröße haben,
aufs neue seine durchdringende Naturbeobachtung und
sein bedeutendes Können bewiesen hat. Die wilde
Energie der Bewegung und der Kräfteentfaltung ist mit
packender Wahrheit zum Ausdruck gebracht, aber so,
daß der feine Adel der Kunst die rohe und gemeine Wirk-
lichkeit besiegt hat. Harmonisch fließen die Symmetrie
der Anordnung, die Klarheit und Schönheit der Silhouette
und das lebendige Spiel der Formen ineinander. Groß
und mächtig steht die Gruppe da, ein neuer Beweis für
die Macht der Kunst, welche die Dämonie tierischer
Kraft und Leidenschaft dem Niedrigen zu entheben ver-
mag. Könnte sie das nicht, so bliebe den Schöpfungen
der großen Tierplastiker, zu denen im vergangenen Jahr-
hundert in Deutschland Wilhelm Wolff, in Frankreich
Frdmiet, Barye, Mene und Cai'n und in Rußland der
Baron Clodt von Jürgensburg gehörten, die große Wir-
kung versagt. Der Bronzeguß der Gruppe ist in der
Bildgießerei von Hermann Noack zu Berlin-Friedenau
erfolgt. Durch den tiefen braungoldigen Ton des edlen
Materials ist das Kunstwerk auch in der Farbe zur
schönsten Geltung gebracht. G. B.

Professor Otto Lessing f.

Rasch tritt der Tod den Menschen an . . . . Vor
wenigen Wochen genoß Professor Otto Lessing dieFreude,
sein Lutherstandbild vor der erneuerten Michaeliskirche
zu Hamburg in Gegenwart des Kaisers enthüllt zu sehen,
und nun zählt er zu den Toten — am 23. November ist
er, sechsundsechzig Jahre alt, in seinem Heirn in der
Kolonie Grunewald bei Berlin zur ewigen Ruhe ein-
gegangen. Er trug einen berühmten Namen — sein Ur-
großonkel war unser großer Gotthold Ephraim Lessing,
und sein Vater der gefeierte Landschafts- und Historien-
maler Karl Friedrich Lessing, der als Hauptvertreter
der romantischen Düsseldorfer Schule geraume Zeit
mächtige Wirkung auf die deutsche Kunst des ver-
gangenen Jahrhunderts geübt hat. Ein schaffensfreudiger
und vielgewandter Künstler, dessen reiche Begabung
besonders auf dem Gebiete dekorativer Plastik zur vollen
Geltung gelangte, ist mit Otto Lessing von der Bühne
des Lebens abgetreten. Seine Kinderzeit verlebte er
in Düsseldorf, wo er am 24. Februar 1846 zur Welt ge-
kommen war, und seine Jünglingszeit in Karlsruhe, aber
seine Mannesjahre in Berlin, das er seit 1872 als seine
zweite Heimat betrachtete. Aus dem Feldzuge zurück-
gekehrt, ließ er sich hier, wo er schon einige Semester
die Kunstakademie besucht und den Unterricht Albert

Wolffs genossen hatte, hoffnungsfreudig nieder. Der
gewaltige Aufschwung der jungen deutschen Reichs-
hauptstadt kam ihm im vollsten Maße zustatten — der
talentvolle junge Bildhauer, der sich auch auf dem Ge-
biete dekorativer Malerei bewährte, wurde mit Aufträgen
überhäuft. Das ornamentale und figurale Schmücken
hervorragender Werke der Architektur wurde geradezu
seine Spezialität und ist es auch während einiger Jahr-
zehnte geblieben. Kunstgewerbemuseum, Ruhmeshalle,
Kunstausstellungsgebäude, Schloß, Dom, Reichstags-
gebäude und viele andere Monumentalbauten innerhalb
und außerhalb Berlins weisen Arbeiten seiner Hand auf.
Besonders umfangreich gilt dies vom Reichstagsbau, wo
er im Verein mit Wallot wahre Perlen der Dekoration
geschaffen hat. Auch die musivische Kunst fand in
ihm einen feinsinnigen Vertreter, ebenso die Kleinplastik
in Bronze und Edelmetall, wie er denn in den ver-
schiedensten Zweigen des Kunstgewerbes anregend und
fördernd tätig gewesen ist. Seine beste Leistung auf
dem Gebiete der großen Kunst ist das Lessingdenkmal
an der Lennöstraße im Berliner Tiergarten. Weniger
gut gelang ihm der frühgotische Rolandbrunnen auf dem
Kemperplatz zu Berlin. An der Ausschmückung der
Siegesallee beteiligte er sich mit dem Marmorstandbilde
des Kurfürsten Albrecht Achilles und der Büsten Eybs
zu Eybburg und Werners von der Schulenburg. Die
große Marmorbüste des Oberbürgermeisters Zelle im
Viktoriapark zu Berlin, die treffliche Knaus-Büste in der
Königlichen Nationalgalerie und eine bronzene Moltke-
Porträtstudie mögen aus der Fülle seines Schaffens noch
besonders hervorgehoben werden. Auch sei der mäch-
tige, raumbeherrschende Herkulesbrunnen nicht ver-
gessen, den er nach Entwurf des Stadtbaurats Hoffmann
für den Lützowplatz zu Berlin modelliert hat. Ein arbeits-
und erfolgreicbes Leben hat mit dem Hinscheiden des
Künstlers seinen Abschluß gefunden — ein Leben, dem
besonders die Verschönerung der deutschen Hauptstadt
viel zu verdanken hat. G. B

Otto Brahm f.

Man muß den Blick von den letzten Jahren weg und
in die Frühzeit des Realismus kehren, um den Ver-
diensten Otto Brahms um die moderne deutsche Bühne
gerecht werden. Otto Brahm und Gerhart Hauptmann,
beide Namen gehören eng zusainmen: der Dichter, der
dem Empfinden einer jungen Generation in seinen Werken
Ausdruck gab, und der Theaterieiter, der das Schaffen
dieses Dichters emporhielt, ihn zum Siege führte. Es
war in der Tat eine Kampfzeit, und die erste Aufführung
von Gerhart Hauptmanns düsterem Stück „Vor Sonnen-
aufgang“ glich einer Schlacht. Damals war Brahm
Leiter der Freien Bühne, die ihre Aufgabe darin sah,
im Gegensatz zn den ständigen Publikumstheatern, eine
neue Dichtung Ijeraufzuführen. Und wer wäre geeigneter
hierzu als er gewesen — mit seiner überlegenen Ruhe,
dem kühlen, klaren Blick der spöttischen Sicherheit, und
dem Wesen, das keine Aufregung zu kennen schien.
Denn man fühlte, daß in diesem kleinen Körper ein
zielsicherer, treuer Geist lebte.

Schon damals war Brahm nicht mehr völlig unbe-
kannt. Von seiner Tätigkeit als Theaterkritiker, wobei
er wegen der Schärfe und Unbestechlichkeit seines
Urteils eine führende Stellung einnähm, völlig abgesehen,
hatte Brahm sich auch als Wissenschaftler, als Literar-

Professor Otto Lessing 'f.

Phot. v. Freyberg, Friedenau.

XXVII. 9. B. 1.
 
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