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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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20. Heft
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Die Kunst im Bund mit der Technik
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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0614

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DIE KUNST
1M BUND
MIT

DERTECHNIK

zehnte,

AUSENDE VON JAHREN sind dahingegangen, seit ein uns
unbekannter Künstler den untenstehend abgebildeten Trink-
2 becher geschaffen hat. Wir verdanken diesen Fund wie viele
andere den interessanten Ausgrabungen der letzten Jahr-
welche Schliemann und andere Forscher mit so großem Erfolg

ausgeführt haben.

Der Becher ist eine hervorragende Leistung der kretischcn Gold-
schmiedekunst und wurde in dem Kuppelgrab von Vaphio im alten
Lakonien aufgefunden. Er stellt Szenen aus dem Landleben dar, wie
in der Freiheit weidende Stiere eingefangen wer-
den. — Die Figuren sind aus Goldblech erhaben
herausgetrieben und geben heute noch eine prächtige
Wirkung.

Das Original dieses Bechers und diejenigen
mancher anderer kulturgeschichtlich hochbedeuten-
der Funde befinden sich in den Museen zu Athen
und im kretischen Museum zu Kandia. — Bisher
war niemand in der Lage,' diese hervorragenden
Leistungen der Goldschmiedekunst richtig zu wür-
digen, der nicht das Glück hatte, sie an ihren Auf-
bewahrungsorten zu studieren.

Daß sie auch der Allgemeinheit zugänglich ge-
worden sind, verdanken wir unserer hochentwickelten
Technik, welcher es mit Hilfe der Galvanoplastik gelungen ist, voll-
ständig getreue Nachbildungen der Originale herzustellen.

Wenn wir diese altgriechischen Goldschmiedearbeiten betrachten,
müssen wir uns fragen, welche Hilfsmittel wohl in dieser frühgeschicht-
lichen Zeit dem Kunsthandwerker zur Verfügung standen. Wir
werden dabei zu dem überraschenden Ergebnis kommen, daß auf diesem
Gebiet im Laufe der Jahrtausende kaum irgendwelche Fortschritte
gemacht worden sincl. Die beiden Becher wurden durch Heraustreiben
des Metalls mittels Punzen und Hammer hergestellt und zwar mit

Werkzeugen, wde sie auch heute
noch in nahezu der gleichen
Form für Metalltreibarbeiten ver-
wendet werden.

Diese Technik ist eine lang-
wierige, mühevolle Arbeit, und
daher rührt es aucb, daß die Her-
stellungskosten eines getriebenen
Gegenstandes heutzutage im Ver-
gleich zu dem Altertum nicht ge-
ringer geworden sind, im Gegen-
teil, bei den hohen Löhnen unserer
Zeit ist ein derartiges Kunstwerk
als ein kostbares Besitzstück an-
zusehen, das sich nur wenige
leistcn können.

Es ist clas Verdienst unserer
modernen Zeit, daß sie auf allen
Gebieten darauf hinarbeitet, unsere kulturellen Güter nicht nur wenigen
Bevorzugten zuteil werden zu lassen, sondern sie der Allgemeinheit zu
erschließen.

Das Gebiet der Kunst hat diesen modernen Bestrebungen lange
Zeit den Zutritt verschlossen, und auch mit Recht. Denn solange nicht
Gewähr geboten war, daß eine künstlerische Schöpfung in Originaltreue
weiterverbreitet wurde, lag die Gefahr einer Verstümmelung vor, die
eine unheilvolle Wirkung gehabt hätte.

Altgriechischer Becher
aus den mykenischen Königsgräbern
(nachgebildet von der Galvanoplastischen
Kunstanstalt Geislingen-St.)

Erst die Technik der neuesten Zeit hat die Hilfsmittel gegeben, um
einmal Geschaffenes in getreuer Nachbildung wiederholen zu können.

Allein nicht nur die gewerbsmäßige Herstellung von Kunstgegen-
ständen mußte erlernt werden, es galt auch Mittel und Wege zu finden,
um dem Publikum die Kaufgelegenheit zu schaffen, und diese Aufgabe
hat der moderne Kaufmann in erfolgreicher Weise zu lösen verstanden.

So sehen wir denn, wie auf dieser Grundlage gigantische Kunst-
werkstätten entstanden sind, wie diejenigen der ’Württembergischen
Metallwarenfabrik Geislingen-Stg., welche in ihren verschiedenen
Betrieben nahezu 6000 Personen beschäftigt. Die
Fabrik hat sich zu einer Weltfirma emporgearbeitet
die nirgends ihresgleichen aufzuweisen hat. Ihr
Hauptsitz ist in Geislingen-Stg., wo vorzugsweise
die versilberten und vergoldeten Gebrauchs- und
Luxuswaren hergestellt werden, die heutzutage über-
all bekannt sind.

Wenn wir einen Gang durch die umfangreichen
Fabrikanlagen machen, werden wir mit Staunen er-
sehen, welche Bedeutung die Technik auf diesem
Gebiet des Kunstgewerbes erhalten hat. Unver-
ständlich ist uns zunächst, wie derartige Kolosse
von Maschinen erforderlich sind, Maschinen, wie wir
sie in einer größeren Maschinenfabrik anzutreffen
pflegen, wo wir nicht nach ihrem Zweck zu fragen brauchen.

Daß die zierlichen, durchbrochenen Körbe und Blumenvasen, die
kunstvoll ziselierten Trinkgefäße und Weinkühler mit solch kolossalem
Kraftaufwand hergestellt werden müssen, will uns nicht in den Sinn.

Metalltreiber bei der Arbeit.

Hydraulische Hocbdruckpiesse in der Württembergischen Metallwarenfabrik
mit 4000 Atm. Betriebsdruck arbeitend
 
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