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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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16. Heft
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Gambon, G. F.: Der Streit um Napoleons Geburtstag
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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0470

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204

freif um J^apofeons Qcßurfefag.

s ist eine eigenartige Erscheinung, daß der Geburtstag verschiedener großer
g7 Männer, deren Name unsterblich geworden ist, durch die Geschichts-
forschung nicht mit Sicherheit ermittelt werden konnte. Zu ihnen gehören z. B.
Cäsar, Beethoven, Heinrich von Kleist und auch Napoleon. Bei Napoleon ist dies
um so auffälliger, als dessen Leben, das einer besonders denkwürdigen Geschichts-
periode angehört, sonst lückenlos überliefert ist. Zwar sind verschiedene Doku-
mente vorhanden, die das Geburtsdatum Napoleons nennen, aber diese sind un-
zuverlässig, ihre Angaben widersprechen sich und können zum Teil direkt als
falsch bezeichnet werden. Im Kriegsministerium zu Paris wird ein am 19. Juli
1782 ausgestelltes Schriftstück aufbewahrt, das eine amtliche Abschrift des Tauf-
registers der Stadt Corte aus dem Jahre 1768 darstellt und folgenden Passus
enthält: Anno Domini millesimo septemgentesimo sexagesimo octavo, die vero
octava mensis Januarii. . . . Ego infra scriptus, solemniter, in ecclesia parochiali
sanctissimae Annunciationis, baptizavi infantem natum, die septima eiusdeni
mensis Januarii, ex illustrissimo domino Carolo Bonaparte et domina Letitia
civitatis Adjacii conjugibus, in hac urbe (Cortis) commorantibus, cui impositum
fuit nomen Nabulione. . . . (Im Jahre des Herrn 1768, und zwar am achten Tage
des Januar, habe ich in der Gemeindekirche „Zür heiligen Verkündigung“ das
am 7. Januar als Sohn des erlauchten Herrn Carl Bonaparte und seiner Gattin
Letitia aus der Gemeinde Ajaccio geborene Kind in dieser Stadt in Gegenwart
der Eheleute feierlich getauft. Ihm wurde der Name Nabulione gegeben. . . .)
Da aber der 7. Januar 1768 als der Geburtstag Josephs, des älteren Bruders
Napoleons, gilt — und dieses Datum ist nie bestritten worden —, so muß jene
Angabe in dem Geburtsregister falsch sein. Aus demselben Grunde kann auch
das Geburtsdatum nicht zutreffen, welches in der vom 9. März 1796 datierten
Heiratsurkunde Napoleons und Josephinens, der Witwe des verstorbenen Generals
Alexandre de Beauharnais, verzeichnet ist. Darin findet sich der Satz: „Napolione
Bonaparte, general en chef de l’armee de l’interieur, äge de vingt huit ans, nö
ä Ajaccio, departement de la Corse. . . .“ („Napoleon Bonaparte, Oberbefehls-
haber der Binnenarmee, 28 Jahre alt, zu Ajaccio im Departement Corsica ge-
boren. . . .“) Nach dieser Altersangabe müßte also Napoleon zu Beginn des
Jahres 1768 geboren sein, und in der Tat finden wir dann weiter folgende Be-
merkung: „Apres avoir fait lecture, en presence des parties et temoins, de l'acte
de naissance de Napolione Bonaparte, qui constate qu’il est nö le cinq fevrier
1768. . . .“ („Nachdem in Gegenwart der Anwesenden und Zeugen die Geburts-
urkunde Napoleon Bonapartes, welche bestätigt, daß er am 5. Februar 1768 ge-
boren wurde, verlesen worden war. . . .“) So unerklärlich auch das falsche
Geburtsdatum in dem oben erwähnten amtlichen Geburtsregister erscheint, so
wenig darf uns der Fehler in der Heiratsurkunde überraschen, da uns ver-
schiedene Ungenauigkeiten derselben dazu berechtigen, ihren Angaben mit Miß-
trauen zu begegnen. So wird darin von einem Departement Corsica gesprochen,
obwohl zu jener Zeit ein solches gar nicht existierte, denn Corsica war damals
in die beiden Departements Liarnono und Golo eingeteilt. Ebenso ist in dem
Dokument das Aiter Josephinens, deren Witwenschaft übrigens verschwiegen
wird, mit 28 Jahren angegeben, obwohl sie iin 33. Lebensjahre stand. Napoleon
selbst hat auf St. Helena darauf angespielt, als er von der Schwäche mancher
Menschen sprach, jünger erscheinen zu wollen, als sie in Wirklichkeit wären,
und eine hochgestellle Dame erwähnte, dic, um sich zu verjüngen, kein Bedenken

-- [Nachdruck verboten.]

trug, bei ihrer Iieirat den Geburtstag einer jüngeren, bereits längst verstorbenen
Schwester als den ihrigen anzugeben. „La pauvre Josephine“, so fuhr er fort,
„s’exposait pourtant par lä ä de grands inconveniences, ce pouvait etre un cas
de nullite de mariage.“ („Die arme Josephine setzte sich hierbei einer großen
Gefahr aus, denn das konnte ein Nichtigkeitsgrund der Heirat werden.“) Über-
haupt hat die Heiratszeremonie in großer Hast unter mangelhafter Erfüllung der
vorgeschriebenen Formalitäten stattgefunden. Der General Bonaparte war schon
datnals so mit Arbeiten überhäuft, daß er die zur Eheschließung Geladenen bis
gegen zehn Uhr abends warten ließ. Der Standesbeamte war unterdes schon
sanft entschlummert. Da plötzlich erschien Napoleon und schüttelte ihn aus
seinen Träumen: „Allons donc, citoyen, venez vite nous marier!“ („Wohlan
denn, Bürger, verheiratet uns schnell!“) Ein Heiratszeuge, der noch zu jung
war, um diese Rolle zu übernehmen, gab einfach ein höheres Alter an, um
einem Aufschube der Eheschließung vorzubeugen. So sehen wir, daß also auch
dieses Schriftstück wenig Wert für unsere Untersuchung hat. Schließlich ist
uns in den Archiven der französischen Republik noch die beglaubigte Abschrift
eines Taufscheins erhalten, den Napoleons Vater benutzte, als er seinen Sohn
in die Ivriegsschule zu Brienne brachte. Dieser Taufschein, durch den wir er-
fahren, daß Napoleon gleich nach seiner Geburt die Nottaufe erhalten hat, gibt
als Geburtstag den 15. August 1769 an. Gegen die Echtheit des Dokuinents sind
keinerlei Bedenken erhoben worden. Zwar mag es seltsam erscheinen, daß der
Taufschein entgegen den kirchlichen Bräuchen in italienischer Sprache abgefaßt
ist, ttnd daß überdies einige Angaben fehlen, wie z. B. die genaue Wohnung
des Vaters, die Stunde der Taufe und die Erwähnung der Gemeinde, in deren
Büchern die Taufe registriert ist. Da es sich aber, wie gesagt, um eine Not-
taufe handelte — die eigentliche Zeremonie fand erst am 21. Juli 1771 statt —
so konnte der Ausfertiger des Taufscheins die übliche lateinische Formel nicht
anwenden und mag in seiner Verlegenheit auch jene Ungenauigkeiten verschuldet
haben. Tatsache ist jedenfalls, daß der Schein von der Kriegsschule anerkannt
wurde und die darin enthaltenen Angaben in die dortigen Bücher aufgenommen
worden sind. Als Napoleon die Kriegsschule zu Brienne verließ, wurde nach-
stehender Vermerk in die Register eingetragen: „Le 17 Octobre 1784 est sorti
de l’ecole royale militaire de Brienne Monsieur Napoleon de Buonaparte, ecuyer,
ne en la ville d’Ajaccio, de l’ile de Corse, le 15 Aoüt 1769, fils de noble Charles-
Marie Buonaparte, deputö de la noblesse de Corse, demeurant en ladite ville
d’Ajaccio, et de dame Letitia Ramolino, sa mere, suivant l’acte porte au registre
de reception, folio 31, regu dans cet etablissement le 24 avril 1779.“ („Am
17. Oktober 1784 verließ die königliche Ivriegsschule zu Brienne der Fähnrich
Napoleon Buonaparte, geboren in der Stadt Ajaccio auf der Insel Corsica am
15. August 1769 als Sohn des hochedlen Charles-Marie Buonaparte, Deputierten
des corsischen Adels, in der genannten Stadt Ajaccio wohnhaft, und seiner Frau
Letitia Ramolino als Mutter; zufolge der Anmeldeakten Seite 31 ist er am
24. April 1779 in dieses Institut aufgenommen.“) Das in dem zuletzt erwähnten
Dokument genannte Geburtsdatum scheint der Wirklichkeit am meisten zu ent-
sprechen, um so mehr, als auch Napoleons älterer Bruder im Jahre 1768 geboren
ist. Falls sich nicht noch später in den Staatsarchiven wichtige Urkunden vorfinden
sollten, dürfte es der Forschung kaum gelingen, die interessante Streitfrage um
den Geburtstag des großen Korsen endgültig zu schlichten. G.F.Gamion.

.-^4'L Onsere JSüder.

i 11 y Stöwer zeigt in seinem Gemälde „Ran an den Feind“ ein sehr
gefährliches Manöver auf See, das Durchbrochenwerden eines in Kiellinie, d. h.
in dichter Reihenfolge hintereinander fahrcnden Geschwaders von Linienschiffen
durch eine Division von Torpedobooten. In dem vorhergegangenen Gefechts-
stadium hatten sich die Boote, um nicht von weitem vom feindlichen Feuer ver-
nichtet zu werden, in möglichst weiter Entfernung an der dem Feinde abge-
kehrten Seite der eignen Linie halten müssen. — Torpedoboote können in der
Tagesschlacht überhaupt nur dann mit Aussicht auf Erfolg rechnen, wenn ihr am
Tage besonders furchtbarer Feind, die Antitorpedobootsartillerie, bestehend aus
leichten Geschützen hinter geringem Panzerschutz, bereits stark geschwächt ist.
Jst das mit einiger Sicherheit erkannt worden, so müssen die Boote, um an den
Feind heranzukommen, durch die eigne Linie hindurchfahren. Da diese aber in
voller Fahrt ist, so erfordert das Manöver Kaltblütigkeit, Augenmaß und vor
allem große Erfahrung, die nur durch viele Uebungen erlangt werden kann.
Das Manöver muß daher trotz seiner Gefährlichkeit bereits im Frieden geübt
werden. Leider sind hierbei aber schon viele Unglücksfälle vorgekommen; so
wurde in diesem Sommer bei Helgoland ein Torpedoboot während der Aus-
führung des Manövers von einem Linienschiff gerammt und in den Grund ge-
bohrt, wobei drei Mann ihr Leben einbüßten. Die Opfer sind aber nicht um-
sonst gebracht, sondern haben ihr Teil dazu beigetragen, die Gefechtstüchtigkeit
dcr Flotte siclierzustellen.

J. von Astudin-Meineke: Treidelpferde am Rhein. Es gibt von
Erckmann-Chatrian ein köstliches Buch „Erzählungen vom Ufer des Rheins“.
Darin ist das ganze behäbig breite, unbesorgt fröhiiche Leben der kleinen Städte
und Dörfer des Rheins der „guten, alten Zeit“ eingefangen und liebevoll mit
treuem Pinsel geschiidert. Da rattert noch die gelbe Postkutsche mit dem bunt-
röckigen, ewig blasenden Postillion über das holprige Pflaster, da knallt der
Frachtfuhrmann längs der staubigen Landstraße, daß die Rösser in den klingenden
Sielen sich schütteln, da lüpfen noch mit tiefem Diener, auf der Ratnpe ihres
Gasthauses harrend, die Wirte ihre Zipfelmützen vor den weitgereisten Fremden,
da schneidet noch der Landmann mit der „Sich“ das reife, goldne Korn und
schichtet es gleich mit seinem Hakenstock. Da treideln sie noch mit wohl-
genährten Pferden die schwerbeladenen Kähne und Kuffs stromauf Tempi
passati! Die Postkutsche und der mächtige Pianwagen sind von der Eisenbahn
abgelöst worden, das gemütliche Gasthaus mit seinen niederen, kühlen, so behag-
lichen Räumen wandelte sich in ein • prunkvoll steifes Hotel, und Dampfschil'f
auf Dampfschiff wühlt den Strom in seinen dunklen Tiefen auf und schleppt in
breiten Kähnen die Kohlen an den zerfallenen Schlössern und Burgen vorüber.
Die Neuzeit hat mit nüchternem Pinsel das buntromantische Leben am Rhein
von damals übertüncht, und nur in kleinen, stillen Seitentälern oder nordwärts,
wo der Strom mit seiner Breite die gedrungene Schönheit einbüßt, hat sich von
jenem geruhsamen Leben noch cin kärglich Restchen zu erhalten vermocht. — n.
 
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