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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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13. Heft
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Staby, Ludwig: Unser Schwarzwild: Jagdplauderei
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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0380

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Unser Schwarzwild.

Jagdplauderei von Dr. Ludwig Staby.

Jenn der Winter mit Schnee und Eis seinen Einzug in Waid und Feld
gehalten hat, dann beginnt für das trotzige, ritterliche Schwarzwild
der Liebesfrühling. Zarte Gefühle regen sich in den Herzen der
borstigen Bassen, die ihr miirrisches Einsiedlerleben aufgeben und sich zu den
Rotten der weiblichen Tiere schlagen. Manch grimmiger Kampf wird jetzt
zwischen den Nebenbuhlern ausgefochten. Mit klappenden Gewehren und vor
Wut funkelnden Lichtern stürzen die gewaltigen Kämpen aufeinander los, daß
der Schnee weit umherstiebt und weiße Schaumflocken von den Gebrächen
fliegen. Gelingt es einem der Kämpfer, den Gegner mit den nadelscharfen,
sichelförmig nach oben gebogenen Hauern, den Gewehren, zu fassen, dann reißt
er ihm oft böse Wunden, an denen der Getroffene häufig genug eingeht. Roter

[Nachdruck verboten.]

Sauen fest sind. Eine fieberhafte Tätigkeit entwickelt sich nun im Jagdhause.
Das Telephon schickt ununterbrochen Meldungen an die rasch zu erreichenden
Jagdfreunde, ein reitender Bote jagt zum nächsten Dorf, um Treiber zu requirieren,
die Schlitten werden aus dem Schuppen gezogen und die Pferde angeschirrt.
Gegen 11 Uhr sind die Treiber mit den ersten Schützen angelangt, eine Stunde
später sind alle, die kommen konnten, da; und hinaus geht es in sausender Fahrt
zur großen Schonung. Dort angekommen stellt der Jagdherr unter peinlicher
Vermeidung jeden Geräusches die Schützen unter gutem Wind auf der einen
Seite und den beiden Flanken der Schonung an, während die Treiberwehr
sich auf der andern Seite in gleichmäßigen Abständen aufstellt. Bei dieser Jagd
muß großes Lärmen der Treiber unbedingt vermieden werden, da sonst sehr

Karl Hagemeister: Die Welle. Aus den Kunstausstellungen Ed. Schulte, Berlin und Düsseldorf.

Schweiß und Büschel herausgerissener Borsten bezeichnen in dem zerwühlten
Boden oder dem zerstampften Schnee den Schauplatz eines solchen Kampfes.
Mit der Rauschzeit des Schwarzwildes ist aber auch jetzt die beste Zeit für die
Jagd auf die Borstenträger gekommen, und jeder Nimrod, der noch dieses wehr-
hafte Wild in seinem Revier beherbergt, wartet mit Sehnsucht auf den Schnee,
der ihn nicht nur in den Stand setzt, das Wild in seinem Revier mit Sicherheit
zu bestätigen, sondern in den meisten Fällen ihm überhaupt erst die Jagd auf
das Schwarzwild ermöglicht, denn es ist überaus schwer, in schneeloser Zeit
den Aufenthaltsort des regsamen, keine Zeit und keinen Wechsel einhaltenden
Wildes zu konstatieren. Das wird mit einem Schlage anders, wenn in der Nacht
die erste Neue gefallen ist. Wie aus einem offenen Buche liest der Jäger von
der weißen Fläche alles ab, was seinen Wildstand betrifft, denn jede Fährte ist
für ihn ein Zeichen, das er richtig und sicher zu deuten weiß. Dem Schwarz-
wild vor allem gilt jetzt seine höchste Aufmerksamkeit.

In allerFrühe, schon vor Tagesgrauen hat der Revierbesitzer einige fährten-
kundige Leute hinausgeschickt, die lautlos alle größeren Dickungen umgehen
und sorgfältig die ein- und ausgehenden Wildfährten beobachten und notieren.
Der Jagdherr wartet mit immer größer werdender Ungeduld auf ihre Rückkehr,
endlich erscheint der erste Bote mit der Meldung, daß im kleinen Bruch drei
Sauen fest sind. Dann kommt der zweite zurück, er hat wohl Rotwild, aber
kein Schwarzwild gefährtet, und mit Spannung sieht alles dem dritten Jäger
entgegen, der den besten Teil des Reviers abspüren sollte; dieser kommt denn
auch mit der frohen Meldung, daß in der großen Schonung am Berge acht

leicht das überaus mißtrauische Schwarzwild durch die Treiber bricht und die
Rückwechsel annimmt, die übrigens bei jeder größeren Jagd mit tüchtigen
Schützen besetzt sein müssen.

Ein Hornsignal verkündet jetzt den Beginn des Treibens. Hinter einem
beinahe mannshohen Kiefernstrauch ist mir mein Stand angewiesen worden; und
hier stehe ich, möglichst Deckung nehmend, die schußfertige Büchse in der
Hand, unbeweglich da. Lautlose Stille ringsum, nur einige Meisen schlüpfen
zirpend durch das Gezweig des Schonungsrandes, emsig nach Insekteneiern und
Puppen suchend und dabei dann und wann den Schnee von den Zweigen ab-
stäubend, der in der Sonne funkelnd und glitzernd, wie ein feiner silberner
Schleier zu Boden sinkt. Hier und da höre ich aus weiter Ferne das dumpfe
Anschlagen eines Treiberknüppels an einen Baum, ein vereinzelter Ruf dringt
verschwommen zu mir, sonst nicht ein Zeichen von Leben. Mit gespanntester
Aufmerksamkeit horche ich auf jedes Geräusch, während meine Augen den
Rand der Schonung scharf beobachten. Da plötzlich stockt mir der Herzschlag,
ich sehe halb links von mir in der dämmerigen Schonung zwei schwarze, kurze
Stöcke. Was ist das, sind das Aste oder junge Stämme? Die waren doch vorhin
nicht da! Mein Auge bohrt sich förmlich da hinein, doch ehe ich mir ganz
klar darüber werde, bewegen sich plötzlich die rätselhaften Gebilde und mit
einem gewaltigen Satze bricht ein alter Keiler, schwarz wie der Teufel, aus der
Schonung heraus, um schleunigst den jenseitigen Wald zu gewinnen. Im Nu
fliegt die Büchse hoch. Das Silberkorn erscheint in der Kimme. Jetzt hat es den
dunklen Körper gefaßt, ein Druck des Fingers — und laut krachend bricht der
 
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