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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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20. Heft
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Lembke, Richard: Der Kaiser und die Kunst
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Kaiserworte
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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0608

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264

MODERNE KUNST.

schöpfenden Ausblick gibt. Wie laintliche Abschnitte dieses mit 9 Kunsttafeln
und 449 Textillustrationen teilweise seltenster Art versehenen Buches (Preis 5,50 M.),
ist auch das Kapitel „Der Kaiser und die biidende Kunst" von einem hervor-
ragenden Fachmann, dem bereits genannten Direktor des Höhenzollem- Müseums
Paul Seidel, verfaßt. Mögen seine Worte hier den Beschluß dieser Betrachtung bilden:

„Unvergeßlich werden jedem Zeugen der Begegnungen des Kaisers mit AdolF
Menzel die gütige Achtung und geradezu liebevollle Freundlichkeit bleiben, mit der
er dem greisen Künstler entgegenkam. Wo er glaubte, ihm eine Freude machen zu
können, geschah es mit feinfühligem Verständnis für die Eigentümlichkeiten und
Sonderbarkeiten des alten Herrn. Als Menzel einmal geäußert hatte, daß es ihm in-
folge der Schwierigkeiten, die die Hofverwaltung gemacht hatte, nicht möglich gewesen
wäre, für sein Bild: Flötenkonzert Friedrichs des Großen in Sanssouci, den Musik-
saal bei Kronleuchterbeleuchtung, wie es der Situation entsprach, zu sehen, ließ der
Kaiser eine eigenartige Überraschung für den Künstler vorbereiten. Er erhielt eine
Einladung zu einem Gartenfest in Schloß Sanssouci, wurde am Eingang von einem
Offizier in friderizianischem Kostüm, dem Kaiser selber, empfangen und in das Musik-

zimmer Friedrichs des Großen auf einen bestimmten Platz geführt. Hier sah er nun
mit staunenden Augen sein Flötenkonzert in der von ihm gewollten Beleuchtung
lebend geworden, und unter Meister Joachims Leitung wurde auch die Musik des
großen Königs wieder zum Leben erweckt. Unter den Zuhörern saß auch die Kaiserin
in dem Kostüm der Zeit. Eine feinsinnigere und gemütvollere Ehrung des großen
Künstlers von seiten des Kaisers ist undenkbar."

Diese Treue, die der Kaiser dem lebenden Adolf Menzel bekundete, in dessen
Kunst er die Verkörperung seiner eignen Vorstellung sah, äußerte sich auch dem
toten Meister gegenüber:

„Unvergeß'licft wird jedem Teilnehmer auch die letzte Ehrung bleiben, die der
Kaiser seinem toten großen Freunde erweisen Iieß. Die weihevolle Feier in der
Rotunde des Alten Museums war tief ergreifend, und das Bild, wie der Sarg die
große Freitreppe durch das Spalier der Schloßgardisten in ihren friderizianischen
Uniformen heruntergetragen wurde, gefolgt vom Kaiser an der Spitze einer unend-
lichen Schar der höchsten Würdenträger des Staates und der Armee sowie der Künstler-
schaft, gehört zu den Erscheinungen, die sich unauslöschlich der Erinnerung einprägen.“

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um Regierungsjubiläum des Ivaisers hat sich in Büchern und Aufsätzen
eine undurchdringliche Literatur angehäuft. Man hat den Ivaiser von allen
Seiten seiner Persönlichkeit und seiner hohen Steliung zu betrachten gesucht
und hat zumeist das eine ausgelassen: diesen Mann und Charakter unmittelbar
zu erfassen durch den intensivsten Ausdruck seines Wesens: durch seine Rede.

Der Kaiser hat zu allen Fragen des nationalen und öffentlichen Lebens,
die während seiner 25 Regierungsjahre der Lauf der Zeit aufwarf, das Wort
genommen. Er hat dabei imrner ganz persönlich seine eigne Meinung aus-
gesprochen, und bei aller Kritik, der die kaiserlichen Reden unterworfen wurden,
konnte man ihnen das eine nicht nehmen: daß sie getragen waren von den
höchsten Gesichtspunkten, von einem strahlenden Idealismus und Optimismus,
von unantastbarem Pflichtgefühl und von den lautersten Wünschen fürdasWohl
und die Größe des Reiches. Von dem ästhetischen Eindruck der kaiserlichen
Reden soll hier nicht gesprochen werden, wohl aber von ihrem tüchtigen persön-
lichen und nationalen Kern. Wir wollen ihn aus den Reden selber herauszu-
hören suchen, damit sich in uns rnehr und mehr das Vertrauen stärke für diesen
Herrscher, dessen Glauben an das deutsche Wesen unerschütterlich ist, und der
alle seine Energien und allen Schwung seiner Seele dafür einsetzt.

*

*

Der Ivaiser will vor allem den Frieden, innen und außen. Er vergleicht
das deutsche Volk mit einern stolzen Gebäude und mahnt (18. Oktober 1899):

„Nun wohlan! Statt wie bisher in ödem Zank sich darüber zu streiten,
wie die einzelnen Kammern, Säle, Abteilungen dieses Gebäudes aussehen oder
eingerichtet werden sollen, möge unser Volk vor allem an dem schönen Bau
sich freuen und ihn schützen helfen: stolz auf seine Größe, bewußt seines
innern Wertes, einen jeden fremden Staat in seiner Entwicklung achtend, die
Opfer, die seine Weltmachtsstellung verlangt, mit Freuden bringend, dem
Parteigeist entsagend, einheitlich und geschlossen hinter seinen Fiirsten und
seinein Kaiser stehend.“

So in sich gefestigt, wird das deutsche Volk die Säule des Weltfriedens
sein, und damit wäre der schönste Traum erfüllt, den der Ivaiser sich wünscht
(12. September 1905):

„Das Weltreich, das ich mir geträumt habe, soll darin bestehen, daß vor
allem das neuerschaffene Deutsche Reich von allen Seiten das absoluteste
Vertrauen als eines ruhigen, ehrlichen, friedlichen Nachbarn genießen soll, und
daß, wenn man defeinst vielleicht von einem deutschen Weltreich oder einer
Hohenzollernweltherrschaft in der Geschichte reden sollte, sie nicht auf Er-
oberungen begründet sein soll durch das Schwert, sondern durch gegenseitiges
Vertrauen der nach gleichen Zielen strebenden Nationen, kurz ausgedrückt,
wie ein großer Dichter sagt: außenhin begrenzt, irn Innern unbegrenzt.“

Das soll aber nicht heißen, daß wir auf unsern Lorbeeren die Zeit ver-
schlafen wollen und uns nicht selber zu schützen wissen (15. Dezember 1897):

„Möge einern jeden Europäer draußen, dem deutschen Kaufmann draußen,
und vor allen Dingen dem Fremden draußen, auf dessen Boden wir sind oder
mit dem wir zu tun haben werden, klar sein, daß der deutsche Michel seinen
mit dem Reichsadler geschmückten Schild fest auf den Boden gestellt hat,
um dem, der ihn um Schutz angeht, ein für allemal diesen Schutz zu ge-
währen.“

Für diesen nachhaltigen Schutz seiner Interessen auf der Welt braucht
Deutschland eine Flotte:

„Bitter not ist uns eine starke Flotte.“ (18. Oktober 1899.)

„Der deutsche Handel blüht und entwickelt sich, und er kann sich nur
gedeihlich und sicher entwickeln, wenn er unter der Reichsgewalt sich sicher
fühlt. Reichsgewalt bedeutet Seegewalt, und Seegewalt und Reichsgewalt
bedingen sich gegenseitig so, daß die eine ohne die andere nicht bestehen kann.“

„Das deutsche Volk hat die Berechtigung, die Flotte und das Heer sich zu
halten, deren es bedarf zur Vertretung seiner Interessen, und niemand wird
es daran hindern wollen, dieselben auszubauen nach seinem Wunsch und Willen.“

„Die Flotte schwimmt, und sie wird gebaut, das Material an Menschen
ist vorhanden. Der Eifer und der Geist ist dcrselbe wie der, der die Offiziere
der preußischen Armee bei Hohenfriedberg und bei Königgrätz und bei
Sedan erfüllt hat, und mit jedem deutschen Kriegsschiff, das den Stapel ver-
läßt, ist eine Gewähr mehr für den Frieden auf der Erde gegeben, um so viel
weniger werden unsre Gegner mit uns anzubinden suchen, um so wertvoller
werden wir als Bundesgenossen.“ (22. März 1905.)

So stark wir auch sein oder werden mögen, keine Überhebung, keine persön-
liche Sonderstellung, sondern Arbeit fiir das Ganze :

„Wer jemals einsam auf hoher See auf der Schiffbrücke stehend, nur
Gottes Sternenhimmel über sich, Einkehr in sich selbst gehalten hat, der wird
den Wert einer solchen Fahrt nicht verkennen. Manchem von meinen Lands-
leuten möchte ich wünschen, solche Stunden zu erleben, in denen der Mensch
sich Rechenschaft ablegen kann über das, was er erstrebt und was er geleistet
hat. Da kann man geheilt werden von Selbstüberschätzung, und das tut uns
allen not.“ (5. März 1890.)

„Der gesteigerte Bildungsgrad unseres Volkes bietet die Möglichkeit, die
Kreise zu erweiternl welche für die Ergänzung des Offizierskorps in Betracht
kommen. Nicht der Adel der Geburt kann heutzutage, wie vordem, das Vor-
recht für sich in Anspruch nehmen, der Armee ihre Offiziere zu stellen. Aber
der Adel der Gesinnung, der das Offizierskorps zu allen Zeiten beseelt hat,
soll und muß ihm unverändert erhalten bleiben.“ (29. März 1899.)

„Die deutschen Frauen besonders sollen die junge Generation erziehen vor
allen Dingen zum Gehorsam und zum Respekt vor dem Alter! Sie sollen
Kindern und Kindeskindern klar machen, daß es heute nicht darauf ankommt,
sich auszuleben auf Kosten anderer, seine Ziele zu erreichen auf Kosten des
Vaterlandes, sondern einzig und allein dasVaterland im Auge zu haben, einzig
und allein alle Kräfte und Sinne für das Wohl des Vaterlandes einzusetzen.“
(25. August 1910.)

Was der Kaiser so schmerzlich vermißt an der heutigen Generation, das
ist die Freude am Vaterlande:

„Es muß unser Volk sich entschließen, Opfer zu bringen. Vor allem muß
es ablegen seine Sucht, das Höchste in immer schärfer sich ausprägenden
Parteirichtungen zu suchen. Es muß aufhören, die Partei über das Wohl des
Ganzen zu stellen. Es muß seine alten Erbfehler eindämmen, alles zum
Gegenstand ungezügelter Kritik zu machen, und es muß vor den Grenzen halt
machen, die ihm seine eigensten vitalsten Interessen ziehen.“ (18. Oktober 1899.)

„Bonn liegt ja am Rhein! Da wachsen unsre Reben, ihn umschweben
unsre Sagen, und da red'et jeder Berg, jede Stadt von unsrer Vergangenheit!
Blicken wir umher im wonnigen Rheinland, da steigt vor uns unsere Geschichte
in greifbarer Gestalt empor! Die Bilder lehren und beweisen Ihnen, daß Sie
jetzt Deutsche sind in deutschem Land, Bürger einer streng begrenzten deutschen
Nation, an deren Heil und Entwicklung in Zukunft mitzuarbeiten Sie alle zur
Vorbereitung hier sind. Herrlich emporgeblüht steht das Reich vor Ihnen.
Freude und dankbare Wonne erfülle Sie, und der feste, mannhafte Vorsatz, als
Deutsche an Germanien zu arbeiten, es zu heben, stärken, tragen, durchglühe
Sie!“ (24. April 1901 an die „Borussen“ in Bonn).

Ein großer Zug geht durch die Worte des Kaisers. Er will Reich und
Volk stark und einig sehen. Er will sie körperlich und geistig gesund erhalten.
Er hat offen seine Ansichten über die Religion, die Kunst, das soziale Leben
ausgesprochen. In allem lebt die beste Absicht, er möchte der Mentor
seines Volkes sein. Eine ideale Erscheinung, hat er in jüngeren Jahren oft den
Konflikt mit der Realität der Dinge schmerzlich gespürt. Das deutsche Volk
blickt voll Vertrauen und Dank zu seinem ideal gesinnten Kaiser auf. „Das
Barometer hat seine Kurven, es geht hinab, es geht hinauf. Man soll sich durch
ein einzelnes Fallen in den Kurven nicht stören, den Mut nicht sinken lassen,
wenn nur die Gesamtkurve immer nach oben geht, und danach wollen wir
streben.“ E. B.

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