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MODERNE KUNST.
und hatte zuerst keine Nachricht gesandt, weil er bitter um seine Existenz
kämpfen mußte und nur Herbes erfuhr, dann nicht, weil er Belinde, an die er
ständig dachte, zu überraschen hoffte. So kehrt er als reicher Mann im Gefühl
des doppelten Sieges zurück. Aber er erscheint Belinden nicht mehr als Naher,
Liebender, Vertrauter, sondern als Ferngerückter, als eine Art Gespenst. In
ihrem Widerstreit zwischen beiden Männern klammert sie sich an Roger, dem
ihre letzten Liebesschwüre gegolten haben, der ihr Herz eben erwärmt hat, und
zu dem es sich noch fühlend neigt.
Aber Eugen fordert wenigstens einen Abschied, und in seltsamer Blindheit
läßt es Belinde zu, daß Roger mit ihm zusammentrifft. Den beiden Männern
steht es sogleich fest, daß einer von ihnen sterben müsse, da keiner Belinde
aufgeben will. Hierüber soll das Schicksal entscheiden und sie wieder aus der
W irrnis leiten, in die es sie hineingeführt hat. Denn die Bedingungen für einen
Waffengang wären ungleich, da Eugen ein bewährter Schütze ist. Draußen im
Garten hat Rogers' liebliche Schwester Cäcilie in jungmädchenhaften Liebes-
gedanken mit zwei Bällen gespielt:
„Der rote hier heißt Adalbert, den weißen
den hab ich Franz genannt. Nun denk’ ich mir,
sie seien beide blind in mich verliebt
und laß sie um den Kopf mir springen, einen
nur immer höher als den andern noch.
Und bald bin ich dem roten Balle gut
und bald dem weiße . S’ist noch nicht entschieden,
wen ich am liebsten habe von den zweien.“
Sie ruft Roger herbei, daß sie hinter ihrem Rücken die Bälle halte, ohne in
seiner Erregung zu fühlen, daß er ihre Lebensfreude damit vernichtet; und er
selbst wählt aus der Hand der Schwester den Todesball.
Nun stehen sich wieder Eugen und Belinde wie einst gegenüber; aber der
Tote ist zwischen sie getreten, und sie weist ihren früheren Gatten zurück.
Doch Eugen drängt sein Fordern ihr nicht hastig auf; er wirbt wie einst um sie,
und erst jetzt sieht Belinde mit klarem Auge, wie er sie stets in seiner Seele
getragen, was er um sie gekämpft und erduldet, und wie schlecht sie ihm ge-
lohnt hat. Ebenso wie ihr Herz Eugen nicht erkannte, als Rogers Wärme sie
umfing, wendet es sich jetzt von Roger Eugen zu. Ja, Belinde kann nicht melir
fassen, daß sie ihm untreu war. In ihrer Verwirrung erkennt sie nicht, daß sie
in Wahrheit treu, dem Leben treu war. Sie fürchtet wieder, untreu werden zu
können und sie gibt sich den Tod, indem sie an Eugen den Gruß hinterläßt:
„Ich liebe dich allein, des Glaubens sterb ich,
Und meine Asche soll bei deiner ruhn.“
Und er, der seine Armut und seine Liebe besiegt hat, um bei seiner Rück-
kehr den höchsten Liebespreis zu erringen, wird sich auch jetzt besiegen. Durch
Hunger will er, den alle Freuden umgeben könnten, Belinde folgen.
Wie überhaupt bei Eulenberg, so bleiben auch in diesem Stück manche
Fragezeichen des natürlichen Lebens. Es ist instinktlos und wohl unmöglich,
daß Eugen seiner Gattin zehn Jahre kein Lebenszeichen gibt, schon weil er ihrer
Liebe den Schmerz und die Zweifelbangen ersparen müßte. Aber alles Dichte-
rische ist ein Gleichnis, und hier handelt es sich nur um eine Vorbedingung des
Dramas. Man könnte dafür anderes einsetzen. Wichtiger ist, daß Belinde nur
an einem Irrtum stirbt. Die Gegenwart ist eine mächtige Göttin, und Belinde,
die Lebenstreue, würde dem nahen Eugen niemals untreu werden. Aber ein
Liebender, der zehn Jahre nichts von sich hören und sehen läßt, ist kein
Liebender; bei Odysseus lagen die Dinge völlig anders. So schwankt das
Fundament des Dramas Eulenbergs, der an freier Natürlichkeit z. B. von Wilhelm
Schmidtbonn, dessen „Zorn des Achilles“ mit zur Wahl stand, erheblich über-
troffen wird. Aber durchdacht ist das Stück mit großer Klugheit, und es ist mit
Lebensfäden fein durchwirkt und mit Innigkeit durchempfunden Wie klar sind
die Figuren abgewogen: Onkel Ignaz der Vertreter der Tagesforderungen und
des Geldes, das die letzte Schuld trägt, da der arme Eugen seinetwillen von
Belinde ging. Ferner Eugen selbst, der als Mann die Forderungen der Wirklich-
keit und Liebe zu vereinen suchte, und darum Belinde verlor. Roger, der Ver-
treter heißer Jünglingsliebe. Belinde, die dem Leben die Treue wahrt. Moritz,
der verwerfliche Geschäftsgeist (freilich ein dissonierender Klang) und Philipp der
Diener, als Gegenstück zu dem hochgespannten Empfindungs- oder Verstandes-
leben der übrigen, der Vertreter schläfriger Ruhe.
„ Geist- und blutsverwandt “ nennt Eulenberg Bjlindes Bruder Hyacinth.
Ein Mann mit Handschuhen ist er, ein Hyperästhet, ein Geck, ein Art-pour-art-
Mensch und doch nicht ohne tiefere Don-Quichotte-Züge. So sagt er nach
Rogers Tode: „Mir geht die Sache entsetzlich nahe. (Plötzlich ganz verfallen)
Ich habe Nächte, sage ich dir, wie durchlöchert und zerfetzt. Ich bin es gar
nicht gewohnt, mich in solch schauerliche Ereignisse zu betten. (Lächelnd)
Immerhin ist es eine Wollust, das Leben mitunter bitter auf der Zunge zu
schmecken.“ Seine karikierte Lebensanschauung trägt also Überzeugung und
einen dichterischen Zug. Es ist charakteristisch, daß er eine ferne Geliebte
platonisch verehrt und zusammenbricht, da er sieht, daß ihn ein übler, buckliger
Geschäftsmann, Moritz, an der Nase geführt hat. Es ist ebenso charakteristisch,
daß seine Naturlosigkeit, als sie zu der Natur überlenken will, sich am liebsten
an der Schwester vergreifen möchte und dann in halben Wahnvorstellungen
sich selbst bedauert und kost, bis Hyacinth endlich zum letzten Wege die
Ilandschuhe ablegt. Aber Belinden ist er nicht geist- und blutsverwandt, eher
der Gegensatz zu ihr, da sie dem Leben, er aber seinem Idole treubleibt.
Zwischen beiden, freilich Belinden näher, steht Rogers Schwester Cäcilie, die
nach des Bruders Tode ihren Liebesträumen zugunsten der lebensfremden
Träume im Kloster entsagt. Nur insofern sind diese Figuren verwandt, als das
Leben ihre zarten Seelen knickt.
Wenn man aber auch in Eulenbergs Werk die große Freiheit des Lebens
vermißt, so findet man in den schönen Versen doch viele, dem Leben abge-
lauschte, in schöner Selbständigkeit geprägte Züge. Das Ganze wird von einem
Gefühlston durchseelt, der sich häufig zur dichterischen Unmittelbarkeit steigert.
Das mögen die Worte zeigen, mit denen sich Roger, nachdem er aus der Hand
seiner Schwester Cäcilie den Todesball gezogen hat, in Fassung an sie wendet:
„Leb’ wohl Cäcilie! Du bist meine Schwester
du hast aschblondes Haar, ich seh’s erst jetzt,
man Jkennt sich ja so wenig als Geschwister
ind scheut oft voreinander aus. Du Kindl '
Herbert Eulenberg hat uns um ein gutes, vornehmes Werk bereichert. —
Das Buch ist im Verlage Ernst Rowohlt, Leipzig, erschienen.
Ünsere
tn die „arkadischen Gefilde“, jene paradiesische Welt des Friedens und der
idyllischen Naturschönheit, die von den Künstlern so gern aufgesucht wird,
geleitet M. Chabas. Durch liebliche Gefilde, an einem schmalen Flußarm ent-
lang schreiten zwei Frauengestalten in antiken Gewändern wie Göttinnen der Vor-
zeit, und ein Klang der Weihe scheint von der Natur auszugehen. — Im Gegensatz
hierzu schöpft E. Monchablon in seinen „Galeerensklaven“, einen hart-grau-
samen Vorwurf, aus verflossener Zeit. In bitterer Frohn quälen sich die nackten
Leiber der Leibeignen ab, das Schiff durch die Meereswellen zu treiben,
während der Frohnmeister, die Peitsche auf dem Rücken, unerbittlich auf die
Ruderer starrt, damit keiner erlahme. Hinten in der Kajüte des Schiffes scheinen
seine Beherrscher im Liebesgespräch sich zueinander zu neigen.
* *
*
Einen kleinen Ausschnitt aus den Kämpfen, die gerade jetzt vor 42 Jahren vor
Orleans tobten, gibt uns Carl Becker in seinem Bilde „Bayrische Artillerie
vor Orlöans. Im Marsch-Marsch in die Feuerstellung.“ Die französische
Loire-Armee, die unter der Diktatur Gambettas ebenso wie die Nord-Armee
schnell ins Leben gerufen wurde, war am 11. Oktober von den Bayern unter
General von der Tann geschlagen und Orlöans besetzt worden. Aber am 9. No-
vember wurden die Bayern unter heftigen Kämpfen wiederum zurückgedrängt.
Erst nachdem Prinz Friedrich Karl nach der Kapitulation von Metz herbeieilte,
gelang es, Orleans in der Schlacht vom 2.—4. Dezember endgültig zu erobern.
* *
*
Das moderne Gesellschaftsleben hat dem amerikanischen Maler Augustus
Koopmann und der französischen Malerin Jeanne Maillard die Anregung zu
ihren Gemälden gegeben. Die Französin schildert „einen Musikabend“, zu
dem sich junge Leute in einem schönen Musiksalon vereinigt haben. Dabei
kommt das stimmungsvolle, träumereiche Wesen der Musik in der Gliederung
3 i 1 d e r.
gut zum Ausdruck. Der Amerikaner Ivoopmann zeigt eine Dame und ein
Mädchen der Gesellschaft; eifrig blicken sie auf eine Glaskugel, da sie diese
zum „Orakel“ für eine Frage bestimmt haben, die sie bewegt. Die Zartheit
und den Farbenschmelz von „ Chrysanthemen“ hat Angelina Drumaux
wiedergegeben. ...
* &
Es gibt draußen im Winterwalde keinen größeren Kontrast, als ruhende
Birkhühner auf den mit Schnee bedeckten Zweigen der Bäume. Die schwarzen,
mit dem prächtigen Sichelschwanz geschmückten Hähne heben sich besonders
scharf von dem blendend weißen Untergrund ab, so daß mau sie von weitem
bemerkt. In aller Ruhe hocken die Birkhühner auf den Bäumen; mag der
Schnee noch so dicht fallen, ihnen kann er nicht viel anhaben. Gegen die
Kälte sind sie durch ihr außerordenllich dichtes Federkleid, das sich bis auf die
Zehen erstreckt, vollständig geschützt; Nahrungsmangel tritt auch nic.ht ein, denn
sie brauchen nicht auf den Boden herab, urn ihr Futter zu suchen, sondern sie
ernähren sich von den Knospen der Bäume, auf denen sie ihr Winterquartier
aufgeschlagen haben. Bruno Liljefors hat uns mit diesem Bilde „Birkhühner
im Schnee“ ein echtes Stück aus dem Tierleben geschaffen. Si.
* *
*
Eine schöne Gebirgslandschaft unter der Decke weichen Schnees, der sich
auf die Gipfel gesenkt hat, das schräge Dach der Hütte bedrückt, das Haar des
Tannenwaldes pudert und die Steine des Gebirgsbaches mit weißen Kissen be-
legt, ist Josef Rummelspacher in seinem Gemälde „Zemmtal im Schnee“
gelungen. Stiller Winterfriede, über dem eine matte Abendsonne mit gelblich-
rötlichem Glanze leuchtet! Der Riffler blickt von weitem in dieses Alpental,
das zwischen den Allgäuer und Ölztaler Alpen nicht allzufern des Bodensees.
liegt. Ganz in der Nähe befindet sich der Luftkurort Ginzling.
MODERNE KUNST.
und hatte zuerst keine Nachricht gesandt, weil er bitter um seine Existenz
kämpfen mußte und nur Herbes erfuhr, dann nicht, weil er Belinde, an die er
ständig dachte, zu überraschen hoffte. So kehrt er als reicher Mann im Gefühl
des doppelten Sieges zurück. Aber er erscheint Belinden nicht mehr als Naher,
Liebender, Vertrauter, sondern als Ferngerückter, als eine Art Gespenst. In
ihrem Widerstreit zwischen beiden Männern klammert sie sich an Roger, dem
ihre letzten Liebesschwüre gegolten haben, der ihr Herz eben erwärmt hat, und
zu dem es sich noch fühlend neigt.
Aber Eugen fordert wenigstens einen Abschied, und in seltsamer Blindheit
läßt es Belinde zu, daß Roger mit ihm zusammentrifft. Den beiden Männern
steht es sogleich fest, daß einer von ihnen sterben müsse, da keiner Belinde
aufgeben will. Hierüber soll das Schicksal entscheiden und sie wieder aus der
W irrnis leiten, in die es sie hineingeführt hat. Denn die Bedingungen für einen
Waffengang wären ungleich, da Eugen ein bewährter Schütze ist. Draußen im
Garten hat Rogers' liebliche Schwester Cäcilie in jungmädchenhaften Liebes-
gedanken mit zwei Bällen gespielt:
„Der rote hier heißt Adalbert, den weißen
den hab ich Franz genannt. Nun denk’ ich mir,
sie seien beide blind in mich verliebt
und laß sie um den Kopf mir springen, einen
nur immer höher als den andern noch.
Und bald bin ich dem roten Balle gut
und bald dem weiße . S’ist noch nicht entschieden,
wen ich am liebsten habe von den zweien.“
Sie ruft Roger herbei, daß sie hinter ihrem Rücken die Bälle halte, ohne in
seiner Erregung zu fühlen, daß er ihre Lebensfreude damit vernichtet; und er
selbst wählt aus der Hand der Schwester den Todesball.
Nun stehen sich wieder Eugen und Belinde wie einst gegenüber; aber der
Tote ist zwischen sie getreten, und sie weist ihren früheren Gatten zurück.
Doch Eugen drängt sein Fordern ihr nicht hastig auf; er wirbt wie einst um sie,
und erst jetzt sieht Belinde mit klarem Auge, wie er sie stets in seiner Seele
getragen, was er um sie gekämpft und erduldet, und wie schlecht sie ihm ge-
lohnt hat. Ebenso wie ihr Herz Eugen nicht erkannte, als Rogers Wärme sie
umfing, wendet es sich jetzt von Roger Eugen zu. Ja, Belinde kann nicht melir
fassen, daß sie ihm untreu war. In ihrer Verwirrung erkennt sie nicht, daß sie
in Wahrheit treu, dem Leben treu war. Sie fürchtet wieder, untreu werden zu
können und sie gibt sich den Tod, indem sie an Eugen den Gruß hinterläßt:
„Ich liebe dich allein, des Glaubens sterb ich,
Und meine Asche soll bei deiner ruhn.“
Und er, der seine Armut und seine Liebe besiegt hat, um bei seiner Rück-
kehr den höchsten Liebespreis zu erringen, wird sich auch jetzt besiegen. Durch
Hunger will er, den alle Freuden umgeben könnten, Belinde folgen.
Wie überhaupt bei Eulenberg, so bleiben auch in diesem Stück manche
Fragezeichen des natürlichen Lebens. Es ist instinktlos und wohl unmöglich,
daß Eugen seiner Gattin zehn Jahre kein Lebenszeichen gibt, schon weil er ihrer
Liebe den Schmerz und die Zweifelbangen ersparen müßte. Aber alles Dichte-
rische ist ein Gleichnis, und hier handelt es sich nur um eine Vorbedingung des
Dramas. Man könnte dafür anderes einsetzen. Wichtiger ist, daß Belinde nur
an einem Irrtum stirbt. Die Gegenwart ist eine mächtige Göttin, und Belinde,
die Lebenstreue, würde dem nahen Eugen niemals untreu werden. Aber ein
Liebender, der zehn Jahre nichts von sich hören und sehen läßt, ist kein
Liebender; bei Odysseus lagen die Dinge völlig anders. So schwankt das
Fundament des Dramas Eulenbergs, der an freier Natürlichkeit z. B. von Wilhelm
Schmidtbonn, dessen „Zorn des Achilles“ mit zur Wahl stand, erheblich über-
troffen wird. Aber durchdacht ist das Stück mit großer Klugheit, und es ist mit
Lebensfäden fein durchwirkt und mit Innigkeit durchempfunden Wie klar sind
die Figuren abgewogen: Onkel Ignaz der Vertreter der Tagesforderungen und
des Geldes, das die letzte Schuld trägt, da der arme Eugen seinetwillen von
Belinde ging. Ferner Eugen selbst, der als Mann die Forderungen der Wirklich-
keit und Liebe zu vereinen suchte, und darum Belinde verlor. Roger, der Ver-
treter heißer Jünglingsliebe. Belinde, die dem Leben die Treue wahrt. Moritz,
der verwerfliche Geschäftsgeist (freilich ein dissonierender Klang) und Philipp der
Diener, als Gegenstück zu dem hochgespannten Empfindungs- oder Verstandes-
leben der übrigen, der Vertreter schläfriger Ruhe.
„ Geist- und blutsverwandt “ nennt Eulenberg Bjlindes Bruder Hyacinth.
Ein Mann mit Handschuhen ist er, ein Hyperästhet, ein Geck, ein Art-pour-art-
Mensch und doch nicht ohne tiefere Don-Quichotte-Züge. So sagt er nach
Rogers Tode: „Mir geht die Sache entsetzlich nahe. (Plötzlich ganz verfallen)
Ich habe Nächte, sage ich dir, wie durchlöchert und zerfetzt. Ich bin es gar
nicht gewohnt, mich in solch schauerliche Ereignisse zu betten. (Lächelnd)
Immerhin ist es eine Wollust, das Leben mitunter bitter auf der Zunge zu
schmecken.“ Seine karikierte Lebensanschauung trägt also Überzeugung und
einen dichterischen Zug. Es ist charakteristisch, daß er eine ferne Geliebte
platonisch verehrt und zusammenbricht, da er sieht, daß ihn ein übler, buckliger
Geschäftsmann, Moritz, an der Nase geführt hat. Es ist ebenso charakteristisch,
daß seine Naturlosigkeit, als sie zu der Natur überlenken will, sich am liebsten
an der Schwester vergreifen möchte und dann in halben Wahnvorstellungen
sich selbst bedauert und kost, bis Hyacinth endlich zum letzten Wege die
Ilandschuhe ablegt. Aber Belinden ist er nicht geist- und blutsverwandt, eher
der Gegensatz zu ihr, da sie dem Leben, er aber seinem Idole treubleibt.
Zwischen beiden, freilich Belinden näher, steht Rogers Schwester Cäcilie, die
nach des Bruders Tode ihren Liebesträumen zugunsten der lebensfremden
Träume im Kloster entsagt. Nur insofern sind diese Figuren verwandt, als das
Leben ihre zarten Seelen knickt.
Wenn man aber auch in Eulenbergs Werk die große Freiheit des Lebens
vermißt, so findet man in den schönen Versen doch viele, dem Leben abge-
lauschte, in schöner Selbständigkeit geprägte Züge. Das Ganze wird von einem
Gefühlston durchseelt, der sich häufig zur dichterischen Unmittelbarkeit steigert.
Das mögen die Worte zeigen, mit denen sich Roger, nachdem er aus der Hand
seiner Schwester Cäcilie den Todesball gezogen hat, in Fassung an sie wendet:
„Leb’ wohl Cäcilie! Du bist meine Schwester
du hast aschblondes Haar, ich seh’s erst jetzt,
man Jkennt sich ja so wenig als Geschwister
ind scheut oft voreinander aus. Du Kindl '
Herbert Eulenberg hat uns um ein gutes, vornehmes Werk bereichert. —
Das Buch ist im Verlage Ernst Rowohlt, Leipzig, erschienen.
Ünsere
tn die „arkadischen Gefilde“, jene paradiesische Welt des Friedens und der
idyllischen Naturschönheit, die von den Künstlern so gern aufgesucht wird,
geleitet M. Chabas. Durch liebliche Gefilde, an einem schmalen Flußarm ent-
lang schreiten zwei Frauengestalten in antiken Gewändern wie Göttinnen der Vor-
zeit, und ein Klang der Weihe scheint von der Natur auszugehen. — Im Gegensatz
hierzu schöpft E. Monchablon in seinen „Galeerensklaven“, einen hart-grau-
samen Vorwurf, aus verflossener Zeit. In bitterer Frohn quälen sich die nackten
Leiber der Leibeignen ab, das Schiff durch die Meereswellen zu treiben,
während der Frohnmeister, die Peitsche auf dem Rücken, unerbittlich auf die
Ruderer starrt, damit keiner erlahme. Hinten in der Kajüte des Schiffes scheinen
seine Beherrscher im Liebesgespräch sich zueinander zu neigen.
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Einen kleinen Ausschnitt aus den Kämpfen, die gerade jetzt vor 42 Jahren vor
Orleans tobten, gibt uns Carl Becker in seinem Bilde „Bayrische Artillerie
vor Orlöans. Im Marsch-Marsch in die Feuerstellung.“ Die französische
Loire-Armee, die unter der Diktatur Gambettas ebenso wie die Nord-Armee
schnell ins Leben gerufen wurde, war am 11. Oktober von den Bayern unter
General von der Tann geschlagen und Orlöans besetzt worden. Aber am 9. No-
vember wurden die Bayern unter heftigen Kämpfen wiederum zurückgedrängt.
Erst nachdem Prinz Friedrich Karl nach der Kapitulation von Metz herbeieilte,
gelang es, Orleans in der Schlacht vom 2.—4. Dezember endgültig zu erobern.
* *
*
Das moderne Gesellschaftsleben hat dem amerikanischen Maler Augustus
Koopmann und der französischen Malerin Jeanne Maillard die Anregung zu
ihren Gemälden gegeben. Die Französin schildert „einen Musikabend“, zu
dem sich junge Leute in einem schönen Musiksalon vereinigt haben. Dabei
kommt das stimmungsvolle, träumereiche Wesen der Musik in der Gliederung
3 i 1 d e r.
gut zum Ausdruck. Der Amerikaner Ivoopmann zeigt eine Dame und ein
Mädchen der Gesellschaft; eifrig blicken sie auf eine Glaskugel, da sie diese
zum „Orakel“ für eine Frage bestimmt haben, die sie bewegt. Die Zartheit
und den Farbenschmelz von „ Chrysanthemen“ hat Angelina Drumaux
wiedergegeben. ...
* &
Es gibt draußen im Winterwalde keinen größeren Kontrast, als ruhende
Birkhühner auf den mit Schnee bedeckten Zweigen der Bäume. Die schwarzen,
mit dem prächtigen Sichelschwanz geschmückten Hähne heben sich besonders
scharf von dem blendend weißen Untergrund ab, so daß mau sie von weitem
bemerkt. In aller Ruhe hocken die Birkhühner auf den Bäumen; mag der
Schnee noch so dicht fallen, ihnen kann er nicht viel anhaben. Gegen die
Kälte sind sie durch ihr außerordenllich dichtes Federkleid, das sich bis auf die
Zehen erstreckt, vollständig geschützt; Nahrungsmangel tritt auch nic.ht ein, denn
sie brauchen nicht auf den Boden herab, urn ihr Futter zu suchen, sondern sie
ernähren sich von den Knospen der Bäume, auf denen sie ihr Winterquartier
aufgeschlagen haben. Bruno Liljefors hat uns mit diesem Bilde „Birkhühner
im Schnee“ ein echtes Stück aus dem Tierleben geschaffen. Si.
* *
*
Eine schöne Gebirgslandschaft unter der Decke weichen Schnees, der sich
auf die Gipfel gesenkt hat, das schräge Dach der Hütte bedrückt, das Haar des
Tannenwaldes pudert und die Steine des Gebirgsbaches mit weißen Kissen be-
legt, ist Josef Rummelspacher in seinem Gemälde „Zemmtal im Schnee“
gelungen. Stiller Winterfriede, über dem eine matte Abendsonne mit gelblich-
rötlichem Glanze leuchtet! Der Riffler blickt von weitem in dieses Alpental,
das zwischen den Allgäuer und Ölztaler Alpen nicht allzufern des Bodensees.
liegt. Ganz in der Nähe befindet sich der Luftkurort Ginzling.