MODERNE KUNST.
Berühmte Fäeher.
Von Else von Boetticher.
Mit Photographien des Kunstverlags Starije Godi.
[Nachdruck verboten.]
,'er den Saal der Kostbarkeiten in der Kaiserlichen F.rmitage zu St. Peters-
burg betritt, wird zur Rechten und Linken des Eingangs zwei bronze-
geschmückte Mahagonischränke bemerken, die durch Vorhänge aus schwerem
roten Seidendamast verhüllt sind. Nur für wenige Augenblicke zieht der Cicerone
den schützenden Purpur hinweg und zeigt dem Besucher die Sammlung wert-
voller Fächer aus dem Besitze der ersten russischen Kaiserinnen, die hier vor
den verheerenden Wirkungen des Lichts so sorgsam geschützt wird. Duftige
Malereien auf Seide und Atlas, zierliche Fächergriffe aus Gold und Elfenbein
schimmern ihm entgegen. Und er sieht sich in die Epoche eines Louis XV. und
Louis XVI. versetzt, in jene Zeit anmutigen Gesellschaftsgetändels, wo die Kultur
des Fächers, des Vermittlers zarter Gefühle, so hoch stand wie nie und wo die
Kunst ihm ihre feinsten Reize verlieh.
Auch am russischen Ilofe herrschte damals der üppige Luxus des glanz-
vollen Rokoko. Die Nachfolgerinnen Peters des Großen, Anna Joannowna,
Elisabeth Petrowna und Katharina II. umgaben das neu gegründete russische
Kaisertum mit aller nur erdenklichen Pracht. Und zu ihrem persönlichen Ge-
brauch erwarben sie entweder die erlesensten Kunstgegenstände des Auslandes
oder machten kostbare Bestellungen bei inländischen Meistern. Auch unter ihren
Fächern finden wir sowohl Kunstwerke der ersten französischen Maler als auch
eine Reihe von Prunkstücken zur Erinnerung an russische Siege und Erfolge.
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Allegorie auf den Sieg jan 505i£skjs nber die Türken.
Zuweilen ließen sie die Fächer mit ihren eignen, allegorisch umkleideten
Porträts schmiicken. Ein Fächer aus der Zeit Anna Joannownas zeigt diese in-
mitten allegorischer Gestalten, die die Krone halten. Zarte Kunstwerke aus derZeit
Elisabeths, die mit mythologischen Malereien geziert sind, stellen die Kaiserin in
der Gewandung antiker Göttinnen dar. Bilder von „Elisabeth und Venus“ s.chmücken
einen Fächer mit Gold- und Elfenbeingriff. Kleine Diamanten blitzen am Perlmutter-
fächer von Morözoff, den der Maler Nicönoff mit Dianens und Aktäons Bild zierte.
Unter den Fächern aus der Zeit Louis XV. fallen einige schöne Bouchers
in die Augen. Ein diamantenfunkelnder Elfenbeinfächer ist mit der letzterem
zugeschriebenen „Pastofale“ geziert, die den idyllischen Zauber der Schäferzeit
atmet und eine Familiengruppe in ländlicher Umgebung darstellt. Blumen-
gewinde, auf Wolken schwebende Putten und geflügelte Göttinnen, von Rocaille-
ornamenten umrahmt, verleihen feinziselierten Perlmuttergebilden einen kapriziösen
Allegorie auf den Tod
k&T
Friedrichs des Großen.
Reiz. Smaragden und Diamanten schmücken den goldenen Griff ienes Fächers,
dessen Malerei Odj'sseus darstellt, unter den Töchtern des Lykomedes Achill
suchend. Auf der Vorderseite des Fächers wird der Anfang, auf der Rückseite
der Schluß des Vorgangs geschildert.
Aus der letzten Zeit Elisabeths stammt der hier abgebildete, gleichfalls
doppelseitige Fächer mit der Darstellung des Zarenschlosses in Zärskoje Sselö.
Auf der Vorderseite sehen wir die Front des ungeheuer großen Gebäudes, das
die weiten Raumverhältnisse der russischen Kaiserpaläste in charakteristischer
Weise wiederspiegelt. Ein Regiment marschiert im Paradeschritt im Schloßhof
auf. Die Rückseite aber zeigt die Gartenansicht des Schlosses, den Park mit
seinen Teichen und Baumgruppen und, im Vordergrunde ein kleines Lusthäuschen.
Der Griff ist emailliert und reich mit Brillanten geschmückt. Er besteht aus
massiv goldenen Blättern, welche einen goldenen Wald mit Jagdszenen dar-
stellen, eine wundervolle Arbeit.
Der Epoche Louis XVI. gehört jener goldene Fächer an, der mit
einer Allegorie auf den Sieg Jan Sobieskis über die Türken geschmückt
ist. Die Frauengestalt im Prunkgewande, der einige Türken huldigend nahen,
ward lange Zeit für die Kaiserin Elisabeth gehalten. Sie hat aber
mit den Porträts derselben gar keine Ähnlichkeit, und so nimmt man an,
es sei das Bildnis der schönen Gattin Jan Sobiöskis, Marie d’Arquiem,
genannt Marizenka.
Einen bedeutungsvollen Sieg Katharinas II. verherrlicht ein goldener,
mit dem Bilde der Seeschlacht von Tschesmä nach Zeichnungen von Koslöw
gemalter Fächer. Er wurde der Kaiserin nach der Schlacht von ihrem
Günstling Gregor Orlow dargebracht. Die Malerei ist in weichen bläulichen
Tönen gehalten und besonders schön komponiert. In durchsichtigem, blauern
Nebel erblickt man zwei russische Schiffe auf dem Meere, dahinter auf
dem Lande die siegenden russischen Truppen. Unten in der Mitte ist
zwischen Fahnen, die von zwei russischen Adlern gehalten werden, ein Schild
mit dem Namenszuge der Kaiserin abgebildet. Die Montierung stammt wahr-
scheinlich vom Petersburger Meister Adör und ist eine der besten russischen
Juwelierarbeiten jener Zeit. Die einzelnen Blätter zeigen eine wunderbare Spitzen-
arbeit und sind mit den Köpfen von Hermen und Waffenbildern in kleinen
Medaillons geschmückt.
Im Besitze Katharinas II. befand sich auch der sogenannte Friedrichfächer,
der mit einer Allegorie auf den Tod Friedrichs des Großen bemalt ist und ein
silbereingelegtes Elfenbeingestell hat. In der Mitte ist eine Büste Friedrichs dar-
gestellt mit der Umschrift: „II sut vaincre, vaincre ä la fois et chanter ses
victoires.“ Die Büste ist von weinenden Gestalten umgeben. Zu beiden Seiten
befinden sich die Porträts Josephs II. von Österreicli und Katharinas. — So hinter-
lassen die großen Geister überall ihre Spuren. Nicht nur in Preußen empfinden
wir noch heute allenthalben den kulturbringenden Einfluß des großen Königs,
sondern sogar im fernen Rußland gab die Macht seiner Persönlichkeit den Anstoß
zur Schöpfung von Kunstwerken, die durch ihre Schönheit entzücken.
om
^en ganzen Tag über hat es
geschneit. Lustig tanzend
und durcheinander wirbelnd sind
die weichen, weißen Flocken vom
grauen Himmel herniedergefallen
und hüllen nun Wiese, Feld und
Wald mit einer glitzernden Decke
ein. Gar wunderlich sind die
Häuser irn Dorfe anzuschauen,
deren Dächer unter der dicken
Schneelast fast zusammenzu-
brechen scheinen; wie Pfeffer-
kuchenhäuser, die Knecht Ru-
precht den Kindern auf den Weih-
im
Walde.
nachtstisch gestellt, sehen sie aus,
sosauber.und heimlich. Draußen
auf der Dorfstraße herrscht heller
Jubel; eine lustige Schneeball-
schlacht ist im Gange, und dort
drüben gleiten die Mädchen und
Buben auf ihren niedrigen Hand-
schlittenmitlautem Jauchzen pfeil-
geschwind den kleinenBerghinab,
auf dem das Kirchlein liegt. Glück
und Freude strahlen aus den Augen
der Kinder, und es macht ihnen
nichts, wenn der Schlitten auch
einmal umkippt, und die Fahrer
Kaiserliches Scllloß zu Zärskoje Sselh.
XXVII. 11. Z.-Z.
Berühmte Fäeher.
Von Else von Boetticher.
Mit Photographien des Kunstverlags Starije Godi.
[Nachdruck verboten.]
,'er den Saal der Kostbarkeiten in der Kaiserlichen F.rmitage zu St. Peters-
burg betritt, wird zur Rechten und Linken des Eingangs zwei bronze-
geschmückte Mahagonischränke bemerken, die durch Vorhänge aus schwerem
roten Seidendamast verhüllt sind. Nur für wenige Augenblicke zieht der Cicerone
den schützenden Purpur hinweg und zeigt dem Besucher die Sammlung wert-
voller Fächer aus dem Besitze der ersten russischen Kaiserinnen, die hier vor
den verheerenden Wirkungen des Lichts so sorgsam geschützt wird. Duftige
Malereien auf Seide und Atlas, zierliche Fächergriffe aus Gold und Elfenbein
schimmern ihm entgegen. Und er sieht sich in die Epoche eines Louis XV. und
Louis XVI. versetzt, in jene Zeit anmutigen Gesellschaftsgetändels, wo die Kultur
des Fächers, des Vermittlers zarter Gefühle, so hoch stand wie nie und wo die
Kunst ihm ihre feinsten Reize verlieh.
Auch am russischen Ilofe herrschte damals der üppige Luxus des glanz-
vollen Rokoko. Die Nachfolgerinnen Peters des Großen, Anna Joannowna,
Elisabeth Petrowna und Katharina II. umgaben das neu gegründete russische
Kaisertum mit aller nur erdenklichen Pracht. Und zu ihrem persönlichen Ge-
brauch erwarben sie entweder die erlesensten Kunstgegenstände des Auslandes
oder machten kostbare Bestellungen bei inländischen Meistern. Auch unter ihren
Fächern finden wir sowohl Kunstwerke der ersten französischen Maler als auch
eine Reihe von Prunkstücken zur Erinnerung an russische Siege und Erfolge.
L/ ' ■■■
Allegorie auf den Sieg jan 505i£skjs nber die Türken.
Zuweilen ließen sie die Fächer mit ihren eignen, allegorisch umkleideten
Porträts schmiicken. Ein Fächer aus der Zeit Anna Joannownas zeigt diese in-
mitten allegorischer Gestalten, die die Krone halten. Zarte Kunstwerke aus derZeit
Elisabeths, die mit mythologischen Malereien geziert sind, stellen die Kaiserin in
der Gewandung antiker Göttinnen dar. Bilder von „Elisabeth und Venus“ s.chmücken
einen Fächer mit Gold- und Elfenbeingriff. Kleine Diamanten blitzen am Perlmutter-
fächer von Morözoff, den der Maler Nicönoff mit Dianens und Aktäons Bild zierte.
Unter den Fächern aus der Zeit Louis XV. fallen einige schöne Bouchers
in die Augen. Ein diamantenfunkelnder Elfenbeinfächer ist mit der letzterem
zugeschriebenen „Pastofale“ geziert, die den idyllischen Zauber der Schäferzeit
atmet und eine Familiengruppe in ländlicher Umgebung darstellt. Blumen-
gewinde, auf Wolken schwebende Putten und geflügelte Göttinnen, von Rocaille-
ornamenten umrahmt, verleihen feinziselierten Perlmuttergebilden einen kapriziösen
Allegorie auf den Tod
k&T
Friedrichs des Großen.
Reiz. Smaragden und Diamanten schmücken den goldenen Griff ienes Fächers,
dessen Malerei Odj'sseus darstellt, unter den Töchtern des Lykomedes Achill
suchend. Auf der Vorderseite des Fächers wird der Anfang, auf der Rückseite
der Schluß des Vorgangs geschildert.
Aus der letzten Zeit Elisabeths stammt der hier abgebildete, gleichfalls
doppelseitige Fächer mit der Darstellung des Zarenschlosses in Zärskoje Sselö.
Auf der Vorderseite sehen wir die Front des ungeheuer großen Gebäudes, das
die weiten Raumverhältnisse der russischen Kaiserpaläste in charakteristischer
Weise wiederspiegelt. Ein Regiment marschiert im Paradeschritt im Schloßhof
auf. Die Rückseite aber zeigt die Gartenansicht des Schlosses, den Park mit
seinen Teichen und Baumgruppen und, im Vordergrunde ein kleines Lusthäuschen.
Der Griff ist emailliert und reich mit Brillanten geschmückt. Er besteht aus
massiv goldenen Blättern, welche einen goldenen Wald mit Jagdszenen dar-
stellen, eine wundervolle Arbeit.
Der Epoche Louis XVI. gehört jener goldene Fächer an, der mit
einer Allegorie auf den Sieg Jan Sobieskis über die Türken geschmückt
ist. Die Frauengestalt im Prunkgewande, der einige Türken huldigend nahen,
ward lange Zeit für die Kaiserin Elisabeth gehalten. Sie hat aber
mit den Porträts derselben gar keine Ähnlichkeit, und so nimmt man an,
es sei das Bildnis der schönen Gattin Jan Sobiöskis, Marie d’Arquiem,
genannt Marizenka.
Einen bedeutungsvollen Sieg Katharinas II. verherrlicht ein goldener,
mit dem Bilde der Seeschlacht von Tschesmä nach Zeichnungen von Koslöw
gemalter Fächer. Er wurde der Kaiserin nach der Schlacht von ihrem
Günstling Gregor Orlow dargebracht. Die Malerei ist in weichen bläulichen
Tönen gehalten und besonders schön komponiert. In durchsichtigem, blauern
Nebel erblickt man zwei russische Schiffe auf dem Meere, dahinter auf
dem Lande die siegenden russischen Truppen. Unten in der Mitte ist
zwischen Fahnen, die von zwei russischen Adlern gehalten werden, ein Schild
mit dem Namenszuge der Kaiserin abgebildet. Die Montierung stammt wahr-
scheinlich vom Petersburger Meister Adör und ist eine der besten russischen
Juwelierarbeiten jener Zeit. Die einzelnen Blätter zeigen eine wunderbare Spitzen-
arbeit und sind mit den Köpfen von Hermen und Waffenbildern in kleinen
Medaillons geschmückt.
Im Besitze Katharinas II. befand sich auch der sogenannte Friedrichfächer,
der mit einer Allegorie auf den Tod Friedrichs des Großen bemalt ist und ein
silbereingelegtes Elfenbeingestell hat. In der Mitte ist eine Büste Friedrichs dar-
gestellt mit der Umschrift: „II sut vaincre, vaincre ä la fois et chanter ses
victoires.“ Die Büste ist von weinenden Gestalten umgeben. Zu beiden Seiten
befinden sich die Porträts Josephs II. von Österreicli und Katharinas. — So hinter-
lassen die großen Geister überall ihre Spuren. Nicht nur in Preußen empfinden
wir noch heute allenthalben den kulturbringenden Einfluß des großen Königs,
sondern sogar im fernen Rußland gab die Macht seiner Persönlichkeit den Anstoß
zur Schöpfung von Kunstwerken, die durch ihre Schönheit entzücken.
om
^en ganzen Tag über hat es
geschneit. Lustig tanzend
und durcheinander wirbelnd sind
die weichen, weißen Flocken vom
grauen Himmel herniedergefallen
und hüllen nun Wiese, Feld und
Wald mit einer glitzernden Decke
ein. Gar wunderlich sind die
Häuser irn Dorfe anzuschauen,
deren Dächer unter der dicken
Schneelast fast zusammenzu-
brechen scheinen; wie Pfeffer-
kuchenhäuser, die Knecht Ru-
precht den Kindern auf den Weih-
im
Walde.
nachtstisch gestellt, sehen sie aus,
sosauber.und heimlich. Draußen
auf der Dorfstraße herrscht heller
Jubel; eine lustige Schneeball-
schlacht ist im Gange, und dort
drüben gleiten die Mädchen und
Buben auf ihren niedrigen Hand-
schlittenmitlautem Jauchzen pfeil-
geschwind den kleinenBerghinab,
auf dem das Kirchlein liegt. Glück
und Freude strahlen aus den Augen
der Kinder, und es macht ihnen
nichts, wenn der Schlitten auch
einmal umkippt, und die Fahrer
Kaiserliches Scllloß zu Zärskoje Sselh.
XXVII. 11. Z.-Z.