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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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19. Heft
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Schmitz, Eugen: Richard Wagner und Bayreuth
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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0578

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Richard Wagner und Bayreuth.

Von Privatdozent Dr. Eugen Schmitz.

ie oft aufgeworfene Frage nach dem Schicksal Bayreuths nach Ablauf
der Schutzfrist von Wagners Werken ist nunmehr aktueli geworden.
Mit dem Jahre 1913, das die dreißigste Wiederkehr von des Meisters
Todestag bringt, erlöscht das Bayreuther Parsifalmonopol, und es fehlt nicht an
Stimmen, die im Zusammenhang damit auch das Ende der Bayreuther Festspiele
überhaupt verkünden. Schwerlich mit Recht. Es heißt die künstlerische Be-
deutung Bajrreuths ziemlich niedrig einschätzen, wenn man von dem Aufhören
eines Vorzugsrechtes gleich den Ruin des Unternehmens überhaupt befürchtet.
Doch wie dem auch sei: selbst wenn wirklich das Bayreuther Festspielhaus
seine Pforten in absehbarer Zeit für immer schlösse, müßte doch der Bayreuther
Gedanke dauernd als Wahrzeichen des echtesten deutschen Idealismus lebendig
bleiben. Der Rückblick auf Wagners Schaffen und Wirken, den das ja auch den

[Nachdruck verboten ]

Instrumentisten gestört werde. Früh auch schon taucht die Anschauung auf, als
Festspielort könne nur eine kleine Stadt „fern von dem Industriegeruche unserer
städtischen Zivilisation“ in Frage kommen. Bis indessen Wagner zur praktischen
Verwirklichung seiner Idee gelangte, sollte von der ersten theoretischen Aus-
führung des Gedankens in der Züricher Zeit an noch fast ein Vierteljahrhundert
vergehen. Selbst dem latkräftigen Idealismus I.iszts, der namentlicli den Wagner
hochverehrenden Großherzog Karl Alexander von Weiniar für das Projekt zu ge-
winnen suchte und Ilm-Athen gern zur Wagnerfestspielstadt erhoben gesehen
hätte, gelang es damais nicht, in der Sache einen greifbaren Erfolg zu erzielen.
Erst als sich Wagners Kunst der mächtige Schutz König Ludwigs II. von Bayern
aufgetan hatte, sollte es auch mit der Festspielidee zur Tat kommen, freilich
auch jetzt noch nicht ohne Hemmungen und Hindernisse. Der Plan, das Fest-

G. Rochegrosse: Parsifal, der reine Tor.

hundertsten Geburtstag des Meisters bringende Jubiläumsjahr 1913 nahelegt, läßt
gerade die große Bedeutung Bayreuths für das Werden und Auswirken der
Wagnerschen Kunst wieder in hellstem Lichte erscheinen. —

Für Wagner bedeutele die Verwirklichung der Festspielidee das eigentliche
und letzte Ziel seines Lebens. Schon als junger Kapelimeister in Riga bereitete
er durch sein rücksichtsloses Streben, möglichst vollkommene „festliche“ Auf-
führungen zu erreichen, seinem bequemen Direktor manches Ungemach. Und
in ganz ähnlicher Weise machte er sich später an der Dresdener Hofoper
„unangenehm bemerkbar“. Die Erkenntnis, daß sein Ideal auf solch herkömm-
lichem Boden nie und nimmer zu verwirklichen sei, ließ den Meister schließlich
zum Revolutionär auf politischem wie künstlerischem Gebiet werden. Mit dem
Entwurf seines großen, vier Abende umfassenden Nibelungenwerkes stellte er
sich endgültig außerhalb der Grenzen des Herkommens, und in engem Zu-
sammenhang damit gewann nun auch der Festspielgedanke mehr und mehr
feste Gestalt. In den Briefen aus Zürich an den Dresdener Freund Uhlig taucht
anfangs der fünfziger Jahre zuerst die Idee auf, für den Nibelungenring ein
primitives selbständiges Theater zu errichten — in Zürich oder am Rhein —,
in dem das Werk bei freiem Eintritt von einem ad hoc zusammengestellten
Künstlerpersonal als dramatisches Festspiel aufgeführt werden sollte. Weiteren
Ausbau und genauere Präzisierung findet die Idee dann in den theoretischen
Schriften dieser und der folgenden Zeit; so wird z. B. im Vorwort zur Ausgabe
der „Ring“-Dichtung von 1863 die technische Anlage des ersehnten Festspiel-
hauses dahin beschrieben, daß es ein Amphitheater mit verdecktem Orchester
sein solle, damit die dramatische Iilusion nicht durch den Anblick der arbeitenden

spielhaus in Miinchen zu errichten, scheiterte bekanntlich an dem verständnis-
losen Widerstreben der führenden Ivreise in der bayerischen Hauptstadt. So
kam Wagner wieder auf den Gedanken, eine kleine Stadt zu wählen, zurück.
Auf der Suche nach einer solchen war der Meister auf das freundliche ober-
fränkische Landstädtchen Bayreuth dadurch aufmerksam geworden, daß dort ein
großes Rokokoopernhaus zurVerfügung stand. Zeigte sich dies auch bei näherer
Prüfung für Wagners Zweck unverwendbar, so gefiel dem Meister doch die
Stadt, wo man ihm zudem in liberalster tatkräftigster Weise entgegenkam, so
gut, daß sein Plan, hier das Nibelungentheater zu errichten, alsbald feststand.
Die Unterstützung des Königs sowie der zur Fundierung des Unternehmens ge-
gründete Wagnerverein ermöglichten verhältnismäßig rasche Vollendung des
Werkes. Im Mai 1872 fand die Grundsteinlegung des Festspielhauses statt und
vier Jahre später eröffnete es zum ersten Male seine Pforten: mit drei Auf-
führungen des Nibelungenringes im August 1 876 nahmen die
Bayreuther Festspiele ihren Anfang. Außerlich schien Wagner damit
ans Ziel gelangt; aber von einem endgültigen Siege seiner Kunst sowie der Fest-
spielidee konnte doch noch lange keine Rede sein. Wagner selbst war mit dem
künstlerischen Niveau der Aufführungen, die teilweise etwas übereilt vorbereitet
waren, keineswegs zufrieden. Der begeisterten Zustimmung eines Teils der
internationalen Ilörerschaft und Presse stand eine nicht minder heftige höhnische
und gehässige Ablehnung gegenüber. Das Schlimmste aber war ein großes
pekuniäres Defizit, vor dessen Deckung an eine Wiederholung der Festspiele
nicht zu denken war. So hatte es vorübergehend den Anschein, als sei die
Festspieüdee nach einmaliger Verwirklichung definitiv gescheitert. Nur der

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