Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

DOI Heft:
17. Heft
DOI Artikel:
Abeking, Hermann: Otto H. Engel
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0488

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Otto H. Engel: Friesischer Bauernhof.

cT'

Otto H. EngeL

Von Hermann Abeking.


[Nachdruck verboten.]

^j!er das Meer kennt, dort, wo es die Marschen, Wiesen und Felder umsäurat,
der erlebt der Wunder gar viel. Unbeschränkt herrscht das Meer. Nicht
nur dort, wo es seine unendliche Fiäche dem am Strande Lagernden oder
dem auf der Düne Rastenden darbietet. Nein, weit, weithin über das Land erstreckt
sich seine Macht, viel weiter als das Ohr der Wogen raunende oder wildbrüllende
Stimme zu vernehmen vermag. Das macht, weil das Meer den Himmel besiegt. Es
zieht ihn zu sich, es durchtränkt ihn mit seiner Feuchtigkeit, es gibt ihm seinen Glanz
und Milliarden glitzernder Perlen. Die Sonne, uneingeengt strahlend iiber das flache
Land, treibt nun mit dem Himmel ihr köstlichstes Spiel. Ihre Strahlen brechen sich
in der perlenden Feuchtigkeit, vereinigen sie zu einer ungeheuren
glimmernden Masse, lösen sie in eitel Duft, Schimmer und
herrlichsten Glanz. Unten dehnt sich ein Streifchen Erde. Docli
wie aufgesogen von all der Herrlichkeit, schwindet auch hier alle
irdische Schwere. Im zartesten Pastellton, duftigen Stoffen
gleichend, breiten sich Wiese, Acker und Heide. Da steht der
Mensch und weiß sich nicht zu fassen in Herrlichkeit und Glück.

Geblendet schließt er die Augen und taumelnd, fast trunken, kehrt
er heimwärts ins Dorf. Aber auch hier ist des Wunders noch
nicht genug. Wie ein geschickter Regisseur von Bild zu Bild
mit dem größten Kontrast die größte Wirkung zu erzwingen ver-
mag, so zwingt uns hier die Natur. In tiefster Ruhe liegt das
Dorf. Die dicht belaubten alten Bäume werfen schwere Schatten
und vereinigen sich zu einer fast schwarzen Masse. Das Dunkel
ihrer Kronen wiederholt sich in den vollen Hecken, die in mauer-
artiger Festigkeit die Häuser umschließen. Während uns draußen
auf der freien Ebene fast das Herz brechen wollte beim Anblick
unbeschreiblicher Größe und Macht, wird es uns hier so traulich
zu Mute. Alles ist warm wie Sammet, das Grün der Bäume und
Hecken, warm sind die Lichter der Sonne, die hier und dort

hervorbrechen und auf dem Wege spielen. Warm und traulich sind die Häuser der
Menschen. Wie mit dem Boden verwachsen, niedrig und breit ausladend sind die
Mauern, auf denen ein wuchtiges, hohes Dach, meist mit altersschwarzem Rohr gedeckt,
lastet. Und weiter warm wird uns das Herz, wenn eine Schar Kinder sich spielend
um uns tummelt, wenn die jungen Mädchen in ihrer bunten Tracht an uns vorüber-
schreiten, oder die junge Mutter aus dem Hause tritt, das Kleinste im Arm.

So mag der Maler empfinden, der mit Malkasten und Feldslaffelei die friesischen
Inseln durchstreift. Denn erst die Empfindung, das innere Erleben, vermag ihn zu
dem zu machen, das mancher, der Pinsel und Farben nicht allzu schlecht zu
fiihren versteht, nicht immer erreicht — zum schaffenden Künstler.
Er, der schaffende Künstler, ist dazu berufen, die Herrlichkeiten
dieser Erde in sich aufzunehmen und sie kraft seines Talents
weiterzugeben, sie teilhaftig zu machen der Mitwelt und in fernen
Zeiten den kommenden Geschlechtern. Und wenn der Künstler
auch lächelnd meint, er male das, was er sehe, nur die malerischen
Werte und Probleme seien sein Feld, wir wissen, daß er, so ihm
nur wahre Empfindung verliehen ist, stets über sein Bild hinaus
schaffen wird das Erlebnis — das Werk.

Ein schaffender Künstler in diesem Sinne ist Otto H. Engel,
Schon in der Güte seines Blickes, in der Liebenswürdigkeit seiner
Geste erkennt man den stillen Menschen, dem ein reiches Innen-
ieben beschieden sein muß. Die Persönlichkeit Engels deckt sich
durchaus mit seinen Werken. Ein ruhiges sicheres Vorwärts-
schreiten ist dem Maler eigen, Iauten Klängen und Fanfarentönen
abhold, geht er schlicht seines Weges. Er lockt nicht durch
Überraschungen, reizt nicht durch eine laute Sprache oder eine
große Gebärde. Ihm genügt es, anspruchslos und einfach das
auszusprechen, was ihn bewegt. Und gerade diese Anspruchs-
losigkeit, die sich von jedem Pathos fernhält, ist die Quelle seines

XXVII. 52.

Otto H. Engel.
 
Annotationen