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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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18. Heft
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Nordhausen, Richard: Auf Fluß und See
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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0539

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föilder.

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Cjfjjlichter und Maler hat der Frühling immer wieder. mit neuer Anregung zum

Schaffen erfüllt. Ja auch die Feste, die uns die Religion feiern läßt, weisen
auf ihn. Es wurde die Feier der Auferstehung, ; Ostern, und der Himmelfahrt,
Pfingsten, in den Frühling verlegt. Wenn hier altgermanischer und christlicher
Brauch eine Vereinigung eingegangen sind, so hält sich die Kunst, die den Früh-
ling feiert., lieber noch an die reinheidnischen Vorstellungen, an den Sonnengott
Baldur, an die Welt der Feen und Nymphen. Dgnn der altgermanische Glaube
war eben Naturglaube, und wer heute; das Webcn der Natur in menschen-
ähnlichen Gestalten wiedergeben will, greift leicht auf;ihn zurück. Weiche Welt
dieser duftigen, gleichsam aus Sonnenstrahl, Mondesduft und Blumenhauch ge-
wobenen Wesen vermag Shakespeare in .-seinem Sommernachtstraum herauf-
zubeschwören! An ihn denkt man unwillkürlich bei Fritz Grotemeyers
lebensvollem, heiter-anmutigem Gemälde „Einzug deis Frühlings“. Da reitet
er, dieser schöne Jüngling, auf seinem Zelter weiß wie Blütenschnee, umflogen
vcn Glühwürmchen, den
Kranz um die Stirn und
spielt auf seiner Fiedel,
und lockt alles Leben in
den Bäumen und auf
dem Erdengrund wach,
so daß die Äste und
Zweiglein ihren zart-
grünen Schleierflor und
ihresaftquellendenKnos-
pen hervorstrecken, und
die Blumen aus der Er-
de sprießen. Vor ihm
aber und hinter ihm und
zu seinen Seiten tänzt
die Schar der Feen,;
selig schreitend zu sei-
ner Fiedel Klang; und
immer weiter zieht der
Frühling mit seinem
Heerbann in das Land,
auf dem er aller Orten
seine lustigen, farbigen
Zelte aufschlägt.

X *

X

Wie in die germa-
nische Mythologie, grei-
fen die Künstler zui
Feier des Frühlings auch
gern in die der Hellenen
zurück, die ja gleichfalls
Naturdichtung war. Mit
hoher Anmut tut dies
Adolf Hengeler z. B.
in seinem „Idyll“, das
uns an eänen Bachesrand
führt, wo eine Nymphe,
freilich echt deutscher, Mädchenart, eine Laute spielt, während das Wasser
leise plätschert und die Blumen sprießen. Ein kleiner nackter, feister Kerl mit
dickern Kinderbäuchlein und wohlgepolstei tem Patschhändchen spielt ungeschickt
im Wasser, ohne die Blumen am Ufer pflücken zu können. Ihm dabei zu helfen,
ist nun ausdrücklich ein Puttchen vom Himmel herabgekommen, offenbar von
der Mutter-Gottes. zum Adjutantendienste des kleinen Knirpses abkommandiert,
damit auch er seine Frühlingsfreude habe. ■— Kinder, die Hand in Pland durch
den grünenden Maienwald schreiten, sich an seinen holden, sonnigen Wundern
erfreuen und die Blumen am Bachesrande pflücken, schildert auch Paul Vor-
gang, der bekannte Maler des Frühlings, auf dem Bilde, das den Umschlag dieser
Frühlings-Nummer schmückt. — Ein ähnliches Motiv hat L. Kowalsky behandelt,
indem er ein kleines Mädchen „am Waldesrand“ zeigt, wo es, von Sonne und
Schatten umspielt, die gepflückten Blumen sorglich zu einem Strauße zusammen-
fügt, ganz der Schönheit dieser zarten Frühlingskinder hingegeben.

X ;i :

£

Ein weit ernsteres Motiv schildert Georg Schuster-Wold an in seinem
„Rattenfänger von Hameln“, der soeben die Kinder aus dieser undankbaren
Stadt, die ihm den Lohn für die Befreiung von der Mäusepläge vorenthielt, fort
von ihren Eltern, in das Innere eines dunklen Berges lockt. Mit Fiedel- und Flöten-
spiel, Blumen im Haar zieht die jugendliche Schar liinter ihm her, als ginge
es in den Frühling des Lebens und der lachenden Landschaft. Dennoch aber
ist es der Tod, der sie erwartet, der Tod im Lenze ihrer Jugend. Denn ein
großes Kindersterben ist wohl der Ursprung der Sage vom Rattenfänger von
Hameln gewesen; es war der Tod, der die blühende Kinderscbar in däs Innere

des dunkeln Berges, also unter die Erde in das Grab geleitet hat. Der Tod
führt ja in der deutschen Sage fast stets ein Musikinstrument, sei es die Geige,
sei es die Flöte.

* *

*

Einen Ausblick auf die weite Natur, wie sie sich zur Krühlingszeit ausbreitet,
bietet Gustav Schönleber in seinem schönen Gemälde „Blick von Eber-
steinburg auf die Rheinebene“, das auf der Ausstellung der Königlichen
Akademie der Künste, die soeben zum 25jährigen Regierungsjubiläum des Kaisers
veranstaltet Wurde* berechtigtes Aufsehen hervorrief. Vom Lichtstrahl getroffen,
leuchtet vorn die Krone eines Bliitenbaumes in schneeigem Glanze, während
sich die weite Ebene mehr und mehr in dem ahnungsvolleti Dufte verliert,
mit dem der Frühling seine Wunder gern wie mit einem Schleiergewande um-
hüllt. — Carl Langhammers Gemälde „Wolkenschatten“ das int Vorder-
grunde eine weite, ebene, von Kühen begraste Wiese, weiter hinten im Sonnen-

lichte eine kieine Stadt
und darüber den hohen
blauen Himmel mit sei-
nem Wolkenspiele zeigt,
atmet schon mehr die
Schwere der Sonne, wie
sie nicht mehr dem
wechselvollen Frühling,
sondern dem reichen,
satten Sommer zu eigen
ist.

* *

*

Frühling im Herbst
ist das stimmungsvolle
Gemalde von J. R. W e h 1 e
zubenannt. Denn der
Frühling der Natur und
der Sommer haben ab-
geblüht; herbstlichfallen
bereits die Blätter von
den Bäumen, flattern in
der Luft und senken sich
auf Weiher und Wege.
Aber die zwei Menschen,
die sich hier gedanken-
voll und schweigend ge-
genüberstehen, während
ihre Seelen um so ein-
dringlicher miteinander
sprechen, ineinander
dringen und umein-
ander werben, wissen
und fühlen nichts von
alledem. In ihnen lacht
ja ein neuer Frühling,
als hätte sich ihnen das
Leben soeben erst recht
erschlossen. Der Künstler hat diesen malerischen Vorwurf stimmungsvoll in
das Gewand des Rokoko gekleidet, ähnlich wie W. Friederici für sein heiter-
liebliches Bild „Kaffeevisite“ die Biedermeierzeit wählt, welche die Dresdener
Maler besonders lieben. Auch hier. ist es der. Frühling,: der .die beiden Damen
zum ersten Male wieder aus dem schonen Hause hinaus in den Qarten gelockt
hat, um im Schatten der alten Bäume . ihren Kaffee zu . nöhmen und sich die
Neuigkeiten der Gesellschaft zu erzählen. „Als der Großvater die Großmutter
nahm“, das ist der Refrain, der uns immer w.ieder aus solchen Gemälden mit
holder, halb sentimentaler, halb neckis.cher. Anmut umweht. Wie aus einer
Spielubr scheint die Melodie mit silbernen Tönen zu zittern. Auch die Natur
hält ihren Atem an, um diese Figüren, die .uns heute. gleichsam in einer Vitrine,
unter schiitzender Glasgloeke. zu stehen scheinen, nicht zu stören. Ihre Be-
gegnung ist wie ein Traumbild afn hellen Tage, so traut, so lebensvoll, weil auch
ihr Dasein einmal von echter Jugend und Frühlingsfreudigkeit durchpulst war.

■ X

Wie ein Wahrzeichen des Frühlings erScheint. „Der Sämann“, der kräftig
schreitend die Samenkörner mit weitem Schwunge überrden Acker ausstreut,
so wie ihn Wilhelm Claudius dargestellt hat. Ganz anders als wir Städter ist
er mit der Natur verbunden. Die Sonne regelt seine Arbeit; die Tiere, die, wie z. B.
die Rehe, vor ihm flüchten oder gleich den Vögeln auf ihn herabschauen und
seinen S.puren folgen, sind nahe um ihn. Er aber schreitet dahin, der Erde neues
Leben abgewinnend. Hierbei freilich reichen sich Herbst und Frühling die Hand,
so daß der Jahresring geschlossen wird. Denn auch iin Herbst schreitet der Sämann
über die Fluren, die Wintersaat ausstreuend, die im Frühling aufgehen soll.

Hermann Junker:
 
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