Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

DOI issue:
21. Heft
DOI article:
Zick-Zack
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0664

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
MODERNE KUNST.

2ick.-

ie „ Kino-Königin “ ist der Titel einer
neuen Operette, die jetzt allabendlich im
Metropol-Theater aufgeführt wird und das dort
übliche Genre der Revuen voraussichtlich für
längere Zeit verdrängt hat.. Also abermals eine
Verwertung des Kinos für die Schaubühne. So
sehr die Theaterleute aus materiellen Gründen auf
das Kino schimpfen —, daß es doch auch in
gewissem Sinne auf das Theater befruchtend
wirkt, können sie nicht leugnen. Man braucht
ja nicht gerade so weit zu gehen, für gewisse
Szenen die schauspielerische Wiedergabe auszu-
schalten und durch den Film zu ersetzen, wie
das einmal in einem Stück des Neuen Schau-
spielhauses geschehen ist; man kann vielmehr
dem Kino auch dadurch Reverenz erweisen, daß
man die Handlung durch das Kino-Milieu inter-
essant auffärbt, wie das z. B. in der Dauerposse
des Berliner Theaters, „Filmzauber“, der Fall ist.

Nach diesem Vorbilde hat auch die Operette des
Metropol-Theaters, deren Textverfasser Julius
Freund und Georg Okankowsky sind, beim Kino
eine Anleihe aufgenommen. Ihre Helden sind ein
Kinoschauspieler und eine Kinoschauspielerin —
natürlich in Amerika, da es darauf ankommt,
unbegrenzte Möglichkeiten zu häufen. Er ist ein
heruntergekommener Edelmann und drüben Kino-
schauspieler geworden, wie man dort früher Stiefelputzer oder Kellner wurde.
Außerdem leistet er sic.h den Luxus, sich in eine Kollegin, die„Kino-Königin“,
zu verlieben. Aber sein Herz ist weit genug, überdies noch mit einer Millio-
närstochter anzubandeln. Als dieses Verhältnis durch den sitzengelassenen
Verlobten der reichen Verliebten verraten wird, schnaubt die „Kino-Königin“
Rache und entlarvt den Ungetreuen mit Hilfe eines stotternden Schauspielers.
Aber auch der Millionär wird auf den Film gebracht, und da sich aus mancherlei
Situationen ergibt, daß keiner dem andern etwas vorzuwerfen hat, macht man
es wie die klugen Leute vor Gericht, die wissen, daß bei einem Prozeß
doch nichts herauskommt: man vergleicht sich. Im Grunde ist diese so-
genannte Handlung nur der Vorwand für zahllose Tänze und Gesangsnummern,
und die leichte Art des vielgesuchten Komponisten Jean Gilbert hat denn auch
hier wieder das in sie gesetzte Vertrauen gerechtfertigt und eine ganze Reihe
„gefälliger“ Nummern er- bzw. gefunden. Trotz alledem hätte sich der allabend-
lich zu konstatierende
starke Heiterkeits-
erfolg vielleicht doch
nicht eingestellt,
wenn nicht die un-
gemein flotte und
temperamentvolle
Darstellung alles mit
fortrisse und eine
selbst für die Ver-
hältnisse dieser
Bühne außergewöhn-
lich splendide Aus-
stattung die Auffüli-
rung zu einem Schau-
wunder machte.

Unter den Solodar-
stellern steht wieder
Thielscher als Mil-
lionär obenan, der
sich im Kalauern
selbst überbietet, und
Ida Rußka ist eine
„Kino-Königin“, die
sich mit Recht die
„Kino-Duse“ nennen
kann. Giampietro,

Norbert, Karl Bach-
mann, die Damen
Ballot und Winter
ergeben mit ihnen
unter der Regie ihres
Direktors Schultz ein
flottes Ensemble. k.

Le Puy, eine altfranzösische Stadt.
Einer der eigenartigsten Orte des südlichen Frank-
reich ist das durch Lage und Geschichte gleicher-
maßen interessante und reizvolle Städtchen Le
Puy in der Landschaft Velay. Dort, wo die
fruchtbaren Täler der Loire, Borne und Dolezon
zusammenstoßen, erhebt es sich amphitheatralisch
am Südabhange des Mont Anis, in seinem oberen
Teile auch Mont Corneille genannt. Hier steht
auf schwarzem Basalt eine Kolossalstatue der
Heiligen Mutter Gottes. Wenn man von der
inneren Stadt kommt, erblickt man sie silhouetten-
artig durch einen alten Torbogen. Die ganze
Szenerie bietet ein überaus reizvolles und male-
risches Bild. Zur Herstellung des mächtigen,
16 m hohen Monuments wurden bei Sebastopol
erbeutete Kanonen verwendet. Le Puy ist ein
altfranzösisches Kulturdenkmal, noch unberührt
von dem Hasten und Treiben der modernen Zeit.
Aber gerade diesem Umstande verdankt es, wie
so manche alte Stätte, sein charakteristisches
Gepräge. Ilier findet man keltische Altäre, Grab-
denkmäler, Grotten, dann wieder Steininstrumente
und Altertümer aus römischer Zeit, Säulen, archi-
tektonische Fragmente, Inschriften usw. Doch
das interessanteste Wahrzeichen alter Kultur und
Baukunst ist die Kirche Notre-Dame, eine Kathe-
drale, die auf dem Grat des Mont Anis zur Höhe strebt. Sie hat schon manches
Jahrhundert überdauert, ist doch der Hauptbau der Kirche bereits um 1100 auf-
geführt. Auf 260 in den Felsen eingehauenen Stufen steigt man zu dem Gottes-
hause empor. Im Vestibül befinden sich zwei Kapellen, deren Türme mit
Skulpturen und Säulen aus antikem Porphyr geschmückt.sind. Die große, gewaltige
Fassade liegt direkt über dem Eingang. Sie besteht aus vier Säulenreihen mit
hochgewölbten Arkaden und macht einen ernsten, imposanten Eindruck. Zur Seite
des Gotteshauses zieht sich ein Säulenvorhof hin. Der eigentliche Innenraum ist
in drei Schiffe geteilt, deren Kuppeldächer auf schweren, massiven Pfeilern ruhen.
Der Hauptaltar aus verschiedenfarbigem Marmor wird von einer Statue der Heiligen
Jungfrau überragt. Herrliche Skulpturen schmücken Kanzel und Orgel, alte, nur
noch zum Teil erhaltene byzantinische Fresken aus dem 16. Jahrhundert die
W 7ände. Der viereckige Turm endet- in einer Pyramide. Zur Kathedrale gehört
noch' ein Kloster mit Kapitularsaal. In der Stadt finden sich außerdem einige

andere interessante
kirchliche Gebäude,
so die alte Kapelle der
Templer, die Kirche
Saint - Laurent mit

dem Grabe des Ritters
Duguesclin und in
nächster Umgebung
auf dem Berge Saint-
Michel eine roman-
tische Kapelle, zu der
man auf felsiger
Treppe gelangt. Die
Ursprünge der Stadt,
deren Name sich von
dem aquitanischen
Puig (Anhöhe) her-
jeitet, lassen sich bis
in die römische Zeit
zurückverfolgen. Die
alte römische Kolonie
hieß Anicium, worauf
noch die Bezeichnung
Mont Anis hindeutet.
Im Jahre 924 übergab
der König Raoul das
römische Kastell dem
Bischof Adalard von
Velay. DieKircheLe
Puy, deren Gründung
ins Dunkel der Le-
gende gehüllt ist, war
die eigentliche Wiege
der Stadt. — n.

_ ... . Phot. Moritz Pordes, Berlin.

Paul Lincke.

Zur Premiere der Metropol-Revue „Die Kino-Königin“ von Jean Gilbert.

Ein lustiges Gruppenbild von Direktor, Autoren und Hauptdarstellern:

Unten; Diiektor Schultz. Koniponist Jean Gilbert. In der Mitte: Schriftsteller Julius Freund. Rechts davon, etwas tieter: Helene Ballot.

Ganz rechts: Josef Giampietro.
 
Annotationen