Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/1913
Zitieren dieser Seite
Bitte zitieren Sie diese Seite, indem Sie folgende Adresse (URL)/folgende DOI benutzen:
https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0747
DOI Heft:
24. Heft
DOI Artikel:Malkowsky, Georg: Als der Grossvater die Grossmutter nahm: ein Meister der Kleinkunst nach den Befreiungskriegen
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0747
MODERNE KUNST.
Mh dcr Qrossrafcr
dic ^jrossmuffer naluu.
Königin Luise von Preußen.
mit dem eisernen Ringe
amFinger, den sie gegen
den goldenen Ehereif
opferwillig eingetauscht
hatte. Das unscheinbare
Eisen war zu einer Art
Edelmetall geworden,
es wurde zu Schmuck-
stücken, zu Statuetten,
Medaillen und allerlei
Nippes verarbeitet.
Der künstlerische
Eisenguß hatte schonum
die Mitte des 17. Jahr-
hunderts tüchtige Arbei-
Königin von Holiand. ten geliefert, wie denn
eine Reihe beachtenswerter Ofenplatten aus dieser Zeit mit figürlichen
Darstellungen, wohl aus dem Braunschweig - Lüneburgischen
stammend, im Märkischen Museum erhalten sind. Neben den
Eisenhüttenwerken Lauchhammer und Ilsenburg war be-
sonders in Vietz in der Neumark die Gießkunst unter An-
wendung der Lehmformmethode mit Wachsausschmel-
zung geübt worden. In der Königlichen Eisengießerei
in Berlin hatte im Anfange des 19. Jahrhunderts zu-
erst Stilarskj' mit Benutzung des Fürstenwalder
Sandes die Sandformerei über dem Wachsmodell
eingeführt und technisch vervollkommnet. Gottfried
Schadows realistische Porträtkunst fand in dem
derben und doch leichtflüssigen Material die Gelegen-
heit zu geeigneter Vervielfältigung, und als auch
Rauch die Erlaubnis zur Reproduktion seiner Arbeiten
in dieser Form gegeben hatte, nahm der Berliner
Eisenguß einen schnellen und überraschenden Auf-
schwung. „Fer de Berlin“ wurde überall im Auslande
begehrt, nachdem die Londoner und Pariser Ausstellungen
die Aufmerksamkeit auf die eindrucksvolle und doch zierliche
Kunstübung gelenkt hatten. Kruzifixe und Grabkreuze, Büsten,
durchbrochene Platten und Körbchen wurden in Massen hergestellt
und versendet. Einen
neuen Anstoß erhielt
diese Entwicklung, als
man anfing, die Pla-
ketten und Medaillen
der Renaissancezeit in
Eisenguß zu reprodu-
zieren, und Berlin blieb
bis tief in die Bieder-
meier-Periode hineindie
Ilauptstätte der Fabrika-
tion. Erst im Anfang der
siebziger Jahre schloß
die Königliche Eisen-
gießerei ihre Pforten.—
DieMißachtung derdürf-
tigen Formensprache
des Pseudohellenismus
und der Biedermeierzeit
wirkte naturgemäß auch
Prinzeß Alexandrine von Met'klenburjr-Scliwerin.
Kaiserin Alexandra von Rußland
Räume. In den Vitrinen
häufte sich eine Fülle
eisernerSchalen, Relief-
platten, Statuetten, Bü-
sten und sonstiger Bibe-
lots, die durch die An-
mut ihrer Formen bei
aller Anspruchslosigkeit
des Materials Aufmerk-
samkeit erregten. Der
Berliner Eisenguß war
von neuem entdeckt.
Ungefährgleichzeitig
kam man in Wien und
Berlin dem Hauptmei-
ster des Eisengusses auf
die Spur. Das k. k. Hofmuseum hatte zuerst eine Anzahl Arbeiten
von Leonhard I’osch, einem geborenen Österreicher, gesammelt,
und in Berlin stieß man, durch Fräulein H. Lehnert aufmerksam
emacht, auf seinen überaus reichen Nachlaß an Modellen und
Gußformen, die zu hunderten erhalten, einen Überblick
iiber seine gesamte Tätigkeit gestatteten. Der Meister
war auch in der Königiichen Porzellanmanufaktur be-
schäftigt worden, in deren Archiv sich eigenhändig
niedergeschriebene biographische Notizen fanden.
Leonhard Posch, 1750 im Zillertal geboren, hatte
sich in Wien zum Bildhauer ausgebildet und in
Neapel eifrig die Kunst der Gußmedaille studiert.
Erst im Jahre 1804 gelangte er nach Berlin, fand
mit seiner Kleinkunst bei G. Schadow Anerkennung
und wurde gleichzeitig an der königlichen Eisen-
gießerei und an der Porzellanmanufaktur als Modelleur
angestellt. Die besondere Wertschätzung, die ihm
Schadow als Porträtist zuteil werden ließ, machte ihn
bald zum beliebtesten Medailleur der Hofgesellschaft. Seine
süddeutsche künstlerische Eigenart hatte sich am Anfange
seiner Tätigkeit in weichen breiten Forrnen ausgesprochen. In
Berlin nahm sie unter dem Einfluß des borussischen Klassizismus
einen strafferen natura-
listischen Charakter an,
ohne dadurch an Fein-
heit des Umrisses zu
verlieren. Die konsi-
stente Masse des Eisen-
gusses im Gegensatz zu
der körnigen Bronze, so-
wie die dunkle Färbung
de.s Materials gestattete
bei voller Wahrung
der Reliefwirkung eine
Flächenbehandlung, die
seine Medaillen zurKon-
kurrenz mit den noch
immer beliebten Sil-
houetten befähigte. Die
Leichtigkeit der Ver-
fielfältigung durch die
einmal vorhandene Guß-
Ein Meister der Kleinkunst
ist eine bemerkenswerte Tatsache, daß die
Siegesjahre 1813—1815 in der bildenden Kunst
großen Stils nicht unmittelbar den Widerhall
gefunden haben, der sonst von weltbewegenden Er-
eignissen auszugehen pflegt. Die materiellen Nach-
wirkungen des Krieges, getäuschte politische Er-
wartungen ließen es zu keinem ideellen Aufschwunge
kommen. Der mit dem Eisernen Kreuz geschmückte
Gatte fand bei seiner Rückkehr die Lebensgefährtin
nach den Befreiungskriegen.
[Nachdruck verboten.]
auf die Bewertung der Kleinkunst in Eisenguß ein.
Sie verfiel der Vergessenheit, zugleich mit dem
schlichten Mahagonimöbel, und man begegnete ihr
nur noch in alteingesessenen Familien und — im
Trödelhandel. Erst im neuen Jahrhundert fand man
wieder den rechten Maßstab für die einfache Deko-
rationskunst unserer Großväter. Die akademische
Ausstellung 1911 widmete der Periode Friedrich
Wilhelms IV. besondere stilgerecht eingerichtete
Auguste Luise Wilhelmine Wanda Fürstin Radziwill.
Fürstin von Liegnitz.
XXVII. 24. Z.-Z.
Mh dcr Qrossrafcr
dic ^jrossmuffer naluu.
Königin Luise von Preußen.
mit dem eisernen Ringe
amFinger, den sie gegen
den goldenen Ehereif
opferwillig eingetauscht
hatte. Das unscheinbare
Eisen war zu einer Art
Edelmetall geworden,
es wurde zu Schmuck-
stücken, zu Statuetten,
Medaillen und allerlei
Nippes verarbeitet.
Der künstlerische
Eisenguß hatte schonum
die Mitte des 17. Jahr-
hunderts tüchtige Arbei-
Königin von Holiand. ten geliefert, wie denn
eine Reihe beachtenswerter Ofenplatten aus dieser Zeit mit figürlichen
Darstellungen, wohl aus dem Braunschweig - Lüneburgischen
stammend, im Märkischen Museum erhalten sind. Neben den
Eisenhüttenwerken Lauchhammer und Ilsenburg war be-
sonders in Vietz in der Neumark die Gießkunst unter An-
wendung der Lehmformmethode mit Wachsausschmel-
zung geübt worden. In der Königlichen Eisengießerei
in Berlin hatte im Anfange des 19. Jahrhunderts zu-
erst Stilarskj' mit Benutzung des Fürstenwalder
Sandes die Sandformerei über dem Wachsmodell
eingeführt und technisch vervollkommnet. Gottfried
Schadows realistische Porträtkunst fand in dem
derben und doch leichtflüssigen Material die Gelegen-
heit zu geeigneter Vervielfältigung, und als auch
Rauch die Erlaubnis zur Reproduktion seiner Arbeiten
in dieser Form gegeben hatte, nahm der Berliner
Eisenguß einen schnellen und überraschenden Auf-
schwung. „Fer de Berlin“ wurde überall im Auslande
begehrt, nachdem die Londoner und Pariser Ausstellungen
die Aufmerksamkeit auf die eindrucksvolle und doch zierliche
Kunstübung gelenkt hatten. Kruzifixe und Grabkreuze, Büsten,
durchbrochene Platten und Körbchen wurden in Massen hergestellt
und versendet. Einen
neuen Anstoß erhielt
diese Entwicklung, als
man anfing, die Pla-
ketten und Medaillen
der Renaissancezeit in
Eisenguß zu reprodu-
zieren, und Berlin blieb
bis tief in die Bieder-
meier-Periode hineindie
Ilauptstätte der Fabrika-
tion. Erst im Anfang der
siebziger Jahre schloß
die Königliche Eisen-
gießerei ihre Pforten.—
DieMißachtung derdürf-
tigen Formensprache
des Pseudohellenismus
und der Biedermeierzeit
wirkte naturgemäß auch
Prinzeß Alexandrine von Met'klenburjr-Scliwerin.
Kaiserin Alexandra von Rußland
Räume. In den Vitrinen
häufte sich eine Fülle
eisernerSchalen, Relief-
platten, Statuetten, Bü-
sten und sonstiger Bibe-
lots, die durch die An-
mut ihrer Formen bei
aller Anspruchslosigkeit
des Materials Aufmerk-
samkeit erregten. Der
Berliner Eisenguß war
von neuem entdeckt.
Ungefährgleichzeitig
kam man in Wien und
Berlin dem Hauptmei-
ster des Eisengusses auf
die Spur. Das k. k. Hofmuseum hatte zuerst eine Anzahl Arbeiten
von Leonhard I’osch, einem geborenen Österreicher, gesammelt,
und in Berlin stieß man, durch Fräulein H. Lehnert aufmerksam
emacht, auf seinen überaus reichen Nachlaß an Modellen und
Gußformen, die zu hunderten erhalten, einen Überblick
iiber seine gesamte Tätigkeit gestatteten. Der Meister
war auch in der Königiichen Porzellanmanufaktur be-
schäftigt worden, in deren Archiv sich eigenhändig
niedergeschriebene biographische Notizen fanden.
Leonhard Posch, 1750 im Zillertal geboren, hatte
sich in Wien zum Bildhauer ausgebildet und in
Neapel eifrig die Kunst der Gußmedaille studiert.
Erst im Jahre 1804 gelangte er nach Berlin, fand
mit seiner Kleinkunst bei G. Schadow Anerkennung
und wurde gleichzeitig an der königlichen Eisen-
gießerei und an der Porzellanmanufaktur als Modelleur
angestellt. Die besondere Wertschätzung, die ihm
Schadow als Porträtist zuteil werden ließ, machte ihn
bald zum beliebtesten Medailleur der Hofgesellschaft. Seine
süddeutsche künstlerische Eigenart hatte sich am Anfange
seiner Tätigkeit in weichen breiten Forrnen ausgesprochen. In
Berlin nahm sie unter dem Einfluß des borussischen Klassizismus
einen strafferen natura-
listischen Charakter an,
ohne dadurch an Fein-
heit des Umrisses zu
verlieren. Die konsi-
stente Masse des Eisen-
gusses im Gegensatz zu
der körnigen Bronze, so-
wie die dunkle Färbung
de.s Materials gestattete
bei voller Wahrung
der Reliefwirkung eine
Flächenbehandlung, die
seine Medaillen zurKon-
kurrenz mit den noch
immer beliebten Sil-
houetten befähigte. Die
Leichtigkeit der Ver-
fielfältigung durch die
einmal vorhandene Guß-
Ein Meister der Kleinkunst
ist eine bemerkenswerte Tatsache, daß die
Siegesjahre 1813—1815 in der bildenden Kunst
großen Stils nicht unmittelbar den Widerhall
gefunden haben, der sonst von weltbewegenden Er-
eignissen auszugehen pflegt. Die materiellen Nach-
wirkungen des Krieges, getäuschte politische Er-
wartungen ließen es zu keinem ideellen Aufschwunge
kommen. Der mit dem Eisernen Kreuz geschmückte
Gatte fand bei seiner Rückkehr die Lebensgefährtin
nach den Befreiungskriegen.
[Nachdruck verboten.]
auf die Bewertung der Kleinkunst in Eisenguß ein.
Sie verfiel der Vergessenheit, zugleich mit dem
schlichten Mahagonimöbel, und man begegnete ihr
nur noch in alteingesessenen Familien und — im
Trödelhandel. Erst im neuen Jahrhundert fand man
wieder den rechten Maßstab für die einfache Deko-
rationskunst unserer Großväter. Die akademische
Ausstellung 1911 widmete der Periode Friedrich
Wilhelms IV. besondere stilgerecht eingerichtete
Auguste Luise Wilhelmine Wanda Fürstin Radziwill.
Fürstin von Liegnitz.
XXVII. 24. Z.-Z.