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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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3. Heft
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Buss, Georg: Die graphischen Künste auf der grossen Berliner Kunstausstellung 1912
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Wohlbrück, Olga: Der eiserne Ring, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0078

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MODERNE KUNST.

3i

atmosphärische Schauspie! mit höchster Feinheit zur Anschauung. Pikant und geist-
reich geben sich einige Radierungen Hans Meyers, der auch eine Kollektion inter-
essanter Bleistiftzeichnungen und Aquarelle, Erinnerungen an Villa Borghese, Villa
d’Este und Villa Falconieri bei Frascati ausgestellt hat. Seine Partie aus dem märki-
schen Sande bei Belzig und seine Burg Schlitz können als Muster reiner Radierung
gelten. Die Poesie römischer Parkanlagen mit ihren dunklen Pinienmassen und
ragenden Pappeln lälit der talentvolle Hermann Hirzel in einer Radierung „Römische
Villa" nachfühlen. Seine „Mondscheinphantasie" und sein „Ausldingender Tag" sind
stimmungsvolle Ergüsse feinster Empfindung. Natürlich fehlen nicht die Ex libris —
Hanns Bastanier hat vorzitgliche in Radierung, Hans Seydel solche in Stein geliefert.

Der Reichtum, der sich seitens der außerhalb der Vereinigung stehenden Künstler
in einigen andern Sälen fortgesetzt, zwingt im Hervorheben einzelner Leistungen zur
Beschränkung. Sehr bedeutend ist mit einer stattlichen Zahl Radierungen, darunter
die groß ausgeführten Schachspieler, Erich Wolfsfeld vertreten. Die sorglich aus-

der Silhouette der alten Stadt kühn emporreckt. Dann noch eine Reihe farbiger
Radierungen. Den besten Leistungen dieser Art gehören die delikat in Forni und
Farbe ausgeführten von Hela Peters an, darunter eine prächtige Schleiertänzerin, ein
verliebtes Rokokopaar und einige verwandte Motive, ferner drei von Aenny Loewen-
stein, in denen eine figurenreiche Szene am Qestade des Mittelmeers und einige
malerische Partien des Dresdner Marktplatzes geschildert sind.

Was in all dem verwirrenden Reichtum auffällt, ist die Seltenheit graphischer
Reproduktionen nach großen und bekannten Meistern. „ Originalradierung" und
„Originallithographie" ist immer mehr zur Losung geworden. Das ist erfreulich, weil
gerade in solcher Weise Radierung und Lithographie sich unbehindert in voller Frei-
lieit und Frische ergehen können. Auch der Rückgang in der Zahl übergroßer
Formate fällt auf. Die Radierung auf Flächen von der Oröße eines Quadratmeters
verpufft nur zu oft ihre Wirkung. Der Kontrast zwischen Schatlen und Lichtern
wird flau, weil es schwer hält, ihn wie auf der kleinen Fläche zu einem energisch,

geführte „Dorfstraße zu Neu-Reddewitz auf Rügen" von Georg Ettel zählt zu den
Prachtstücken reiner Radierung. In Hanns Schuberts „Hochzeitsmahl auf dem Lande"
eint sich mit ansprechender Ausfiihrung kecker Humor. Qroß, breit und ganz im
Charakter des niederländischen Milieus wirkt Paul Wallats Radierung „Dordrecht",
im Mittelgrunde mit dem stumpfen grauen Turm, der sich als machtvoller Riese aus

feurig wirkenden CIou zu konzentricren. Eine gewisse Bescheidung in der Qröße des
Formats ist daher von größtem Nutzen. Je mehr dies erkannt wird, um so besser.
Der Meister aller Radierer, Rembrandt, hat solche Riesenformate nie benutzt. Und
ihm zu folgen, dtirfte nicht von Übel sein, wie denn zu wünschen ist, daß immer
mehr Rembrandtscher Qeist über die nioderne graphische Kunst komme.

C.

t)ep eiseme T\ing.

Von Olga Wohlbrück.

[Fortsetzun^.]

eiter“, sagte der Vorsitzende zum Gerichtsdiener und legte
den Finger quer über die Lippen, um das Gähnen zu unter-
drücken.

„Bogatoff und Zeugen!“ rief der Gerichtsdiener in den Korridor hinaus.
Es dauerte eine Weile, ehe sich jemand meldete. Dann kamen zwei
Schutzleute herein, ein gewöhnlicher Mann mit rundem', kurzgeschorenem
Kopf, ein junger, sehr blonder und sehr eleganter Herr von vielleicht
fünfundzwanzig Jahren und zum Schluß eine junge Dame in halblanger,

Copyright 1912 by Rich. Bong.

schwarzer Krimmerjacke und einem tief ins Gesicht gedrückten Pelzbarett
mit einem Reiher auf der linken Seite.

Der Gerichtsdiener bedeutete ihr, auf der Anklagebank Platz zu
nehmen. Der junge, blonde Herr wurde ganz blaß und prallte zurück,
die Dame aber zuckte die Achseln und lächelte ironisch.

„Ich bitte, Borris, keine Geschichten“, murmelte sie ihm französisch
zu, und als wäre sie im Salon und im Begriff, sich am Kamin in einem
seidengepolsterten Sessel niederzulassen, so rückte sie sich in der Ecke
 
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