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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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Copyright 1913 by Rich. Bong, Beriin

„Kerkyra“

ist der Titel des zweiaktigen Festspiels, das am Geburts-
tage des Kaisers in Form einer Galavorstellung zum
erstenmal im Berliner Königl. Opernhause aufgeführt
wurde. Auf den Programmen steht, daß es von Joseph
Lauff stammt, und daß Hofkapellmeister Joseph Schlaar
unter Benutzung von Resten griechischer Melodien die
Begleitmusik geschrieben hat. Doch das ist verhältnis-
mäßig unwesentlich. Denn im Grunde haben wir es
hier mit einem Ausstattungsstück zu tun, zu dem
Archäologen — wie einst beim „Sardanapal“ — die
wissenschaftliche Grundlage geliefert haben, das aber
in seiner Bühnenerscheinung in erster Linie als ein
Produkt gemeinsamer Arbeit von Maschineriedirektor,
Beleuchtungsinspektor, Ballettmeister zu bewerten ist.
Aus der Geschichte der Insel Kerkyra, die dem Kaiser
besonders ans Herz gewachsen ist, werden zwei Bilder
gestellt. Das erste führt in graue Vorzeit zurück, das
zweite bietet genrehafte Szenen aus der Gegenwart.
Zunächst also müssen wir unsere Sinne rückwärts
richten auf das Jahr 432 vor Christi Gebui't, das, wie
uns Thukydides berichtet, für die Geschichte der Insel
von großer Bedeutung war. Zur Kennzeichnung der
Sachlage gebraucht der Dichter Lauff sehr modern-
politische Ausdrücke, indeixi er davon spricht, daß das
„meerbeherrschende“ Korinth eine recht listige „Ein-
kreisungspolitik“ treibt, die den Korfioten den Atem
zu rauben droht. Und diese wollen so gern friediich
ihrem Gewei'be nachgehen und sich an dem stolzen
Aufblühen von Handel und Gewerbe erfi'euen. Aber
■die bittere Notwendigkeit zwingt ihnen das Schwert in
■die Hand, und nun bangt das Volk, da die entscheidende
Seeschlacht unmittelbar bevorsteht oder gar schon im
Gange ist. Die offiziellen Kultusvertreter, der Ober-
priester und die Priesterin, sind zwar auf Grund gött-
licher Vorzeichen siegesgewiß, aber es fehlt auch nicht
an Schwarzsehern, und so wird das Volk zwischen
Hoffnung und Furcht jäh hin- und hergeworfen. Da
stürzt ein verwundeter Krieger herein: „Wir sind ge-
geschlagen“, und nun kehrt sich die Volksleidenschaft
wider das Heiligtum, den Tempel der Plera, und die
Priester als die falschen Propheten. Doch schnell
wendet der Dichter alles zum Guten. Ein anderer
Krieger stürmt auf die Szene und straft den ei'sten
Lügen: Sieg, Sieg!

Lichtglanzumzogen
Streckte die Göttin,

Die flügelbewehrte,

Die himmlische Nike,

Die Palme des Sieges.

Und die wilde Wut des Volkes schlägt in brausenden
Siegesjubel um, der seinen Gipfel erreicht, als Miltiades,
der siegreiche Feldherr, im Triumphe heimkehrt. Feier-
liche Umzüge und pompöse Opferzeremonien geben dem
Bilde ein weihevolles Finale, in das der majestätische
Apollo-Hymnus, die Herzen läuternd, hineintönt.

Aus der grauen heroischen Vorzeit führt das zweite
Bild in die heitere Welt des gegenwärtigen Volkslebens.
Aber die Erinnerung an das
Einst ist nicht vergessen.

Sie iebt zum mindesten in
der treuen Bewahrung alter
Sitten und Gebräuche, die,
wie etwa bei einer Hochzeits-
feier, wieder aufleben. Etwas
von dem Rhythmus der alten
Tempeltänze finden wir in
den fröhlichen Hochzeits-
reigen wieder, und in noch
höherem Sinne wii-d die Ver-
gangenheit lebendig durch
die selbstlose Arbeit gründ-
licher Forscher, die sie aus
dem Schutt der Jahrtausende
neu erstehen lassen. Der
„Fremde“, ein deutscher
Archäologe, schwärmt von
einstiger und jetziger Kultur
von Verheißung und Er-
füllung, und als er nun eine
Abendwandex-ung antritt, da
macht uns das technische
Wunder einer mächtigen
Wandeldekoration zu seinen
Weggenossen. In paradie-
sischen, stetig wechselnden
Bildern weitet sich der Blick.

Im Rahmen von schwarzen
Cypressen erscheint das
ferne Epirus. Das tiefblaue
Meer winkt hinauf zu dem
Märchengarten des Achil-
leions, und land- und meer-
beherrschend, gelehnt an
weithin reichender Lanze,
grüßt das mächtige Wahr-
zeichen der Insel im Mond-
licht hernieder: Achilles

Wie kaum je bei einer großen Oper ist die tech-
nische Vollkommenheit der Opernhausbühne in den
Dienst dieses Gelegenheitsstücks gestellt, und sie
schafft Schauwunder von einer fast verwirrenden Fülle.
Wenn sich der Vorhang senkt, denkt man zunächst nur
noch an sie, und erst allmählich kehrt die Erinnerung
wieder, daß auch Menschen auf der Bühne gestanden
haben, sogar bedeutende Künstler der Königlichen
Theater. Die wesentlichen Spreclirollen haben die
Herren Sommerstorff, Kraußneck, Pohl, Zimmerer,
Geisendörfer, Mühlhofer, Eichholz, die Damen Poppe,
Ressel, Wittenberg vom Kgl. Schauspielhaus inne, von

Kammersängerin Helene Forti in „Stella maris“.
phot. ! hihn Nachf., Dresden.

der Oper sind Herr Henke und Frl. Alfermann beschäf-
tigt, und aus dem Ballettkoi-ps erhalten die Damen Peter
und Urbanska und Herr Zorn Gelegenheit, ihre Künste
zu zeigen. Aber sie alle zusammen, im Verein mit dem
Dichter und Komponisten, kommen nicht auf gegen das,
was hier Maschineriedirektor und Beleuchtungsinspektor
geleistet haben. k.

Stclla maris.

Alfred Kaisers musikalisches Schauspiel „Stella
maris“, die letzte Novität der Kurfürsten-Oper, ist keine
neuere Arbeit des fleißigen Komponisten. Noch vor seiner

„Kerkyra". Galavorstellung im Ivöniglichen Opernhaus.

Oper „Die schwarze Nina“, die hier im Frühjahr 1906
in der Komischen Oper aus der Taufe gehoben wurde,
entstanden, trägt Stella maris die Merkmale ihres höheren
Alters deutlich genug zur Schau. Man kann das Werk,
ohne ihm Unrecht zu tun, ganz wohl als eine Spätfrucht
der seligen Mascagni-Epoche bezeichnen, wenn auch
die Handlung durchaus nicht so blutrünstig ist, wie sie
es seinerzeit bei den Schöpfungen der italienischen
Meister zu sein pflegte. Diese Handlung, die der
Komponist selbst aus einer Novelle Henry Nevers’ ge-
zogen hat, spielt in einem Fischerdorf an der bretonischen
Küste und baut sich wieder einmal auf dem altbeliebten
Thema von der doppeltumworbenen Maid auf.

Die schöne Marga verlobt sich, nachdem sie drei
Jahre vergeblich auf die Heimkehr ihres auf dem Meere
verschollenen Geliebten Janik gewartet hat, mit dem
braven Fischer Sylvain. Natürlich kehrt Janik aus-
gerechnet am Hochzeitstage Margas zurück, und in seiner
Verzweiflung fügt er ihr eine schwere Beleidigung zu,
worauf sich ihre frühere Liebe urplötzlich in wilden
Haß verwandelt. Sie hat jetzt nur noch die Sorge, daß
die beiden Männer aneinander geraten, und als sie hört,
daß Janik im Dorfe bleiben will, beschwört sie ihn in
einer längeren Unterredung — Janik ist voll sehnender
Liebe zu ihr in’s Haus gekommen — mit dem nächsten
Schiffe wieder in See zu gehen. Er sagt zu unter der
Bedingung, daß sie ihm „beim Kreuz auf der Heide“
eine letzte Zusammenkunft gewährt. Bei dieser Zu-
sammenkunft werden sie selbstverständlich von Sylvain
überrascht. Die beiden Männer fallen übereinander her,
doch Marga stürzt sich zwischen sie und — alles läuft
unblutig ab. Janik geht wieder auf das Meer hinaus und
Marga, die zuerst schuldbewußt ihr Leben enden will,
wird piötzlich von dem Anblick des Abendstems, der
Stella maris, derart gerührt, daß sie nunmehr mit ihrem
guten, alles verzeihenden Sylvain einträchtiglich nach
Hause wandert, um sich dort, ungestört von Janik, ihres
Lebens weiter zu freuen.

Wie man sieht, ist dieser Text echte, alte Opern-
schablone, dabei aber sehr bühnenwirksam gestaltet
und in einigen Szenen, ganz besonders in den beiden
Szenen zwischen Marga und Janik, von packender dra-
matischer Wirkung. In diesen Szenen hat auch der
Komponist sein Bestes gegeben. Die grelle Instru-
mentationsweise, die rhapsodische Manier des Mu-
sizierens, die — in Nachahmung Mascagnis und an-
derer — den größten Teil seiner Partitur ausfüllt, gibt
hier einer weichen, von tiefem, echtem Empfinden er-
füllten Lyrik Raum, einer Lyrik, die durch mancherlei
glückliche melodische Eingebungen ihr besonderes Ge-
präge erhält. Auch die Volksszenen im ersten und dritten
Akt sind dem Komponisten, der hier verschiedene
Nationalweisen sehr geschickt mit eingeflochten hat, in
ihrer frischen, ungesuchten Melodik vortrefflich gelungen.

So nimmt man von dem Kaiserschen Werke auf
alle Fälle einen tiefgehenden Eindruck mit fort, und
dieser Eindruck wurde in der Kurfürstenoper noch
wesentlich dadurch verstärkt, daß Direktor Palfi für die
Darstellung der beiden Hauptpartien der Oper zwei

erste Kräfte gewonnen hatte,
Frl. Forti und Herrn Sood
von der Dresdener Hofoper,
Wie Frl. Forti als Marga.
so entfaltete Herr Sood als
Janik im Vortrage eine Innig-
keit des Gefühls und an ent-
sprechender Stelle auch eine
Wucht des dramatischen
Ausdrucks, die alles mit
fortriß. Beiden sekundierte
Herr Zawilowski (Sylvain)
in wirksamster Weise. Auch
der Chor hielt sich recht
brav und schießlich trug
auch die stimmungsvolle
szenische Ausstattung, die
Direktor Palfi dem Werke,
besonders im ersten und
letzten Akt, gegeben hat, ihr
Teil zu dem starken Erfolge
bei, den „Stella maris“ am
Premierenabend erzielte,

einem Erfolge der, wie man
hört, inzwischen noch nicht
die geringste Abschwächung
erfahren hat. —i.

Die deuhche
Unterseebootflotte.

Phot. Zander & Labisch, Berlin.

Allgemein hält man die
Unterseeboote für eine Er-
findung der Neuzeit. Aber
schon im Altertum erzähit
Aristoteles von Tauchappa-
raten, die ihre Insassen unter
dem Meeresspiegel mit Luft
versorgten. Diese Apparate

XXVII 13. B. 1.
 
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