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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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21. Heft
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Staby, Ludwig: Sagen-umrauschte Bäume
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276

MODKRNE KUNST.

es mit einer gewöhnlichen Axt nicht bearbeitet werden kann. Später wurden
aber auch viele Eichen dem Kultus der Maria geweiht, und in katholischen
Ländern findet man daher fast tiberall an den starken Eichen Marienbilder.

Berühmt ist die Wallensteineiche bei Stralsund. Bei der Belagerung der
Stadt saß einst der große Feldherr unter dieser Eiche, als eine feindliche Kugel
das Weinglas zerschmetterte, welches er eben zum Munde führen wollte. Der
abergläubische Wallenstein sah darin ein Zeichen, daß er die Stadt nicht erobern
würde und hob die Belagerung auf. Hoch in Ehren gehalten wird die alte Eiche
bei Wöbbelin in Mecklenburg, in deren Schatten der Dichter Theodor Körner
ruht. Daß der Eiche auch mancherlei Wunder-
kräfte zugeschrieben wurden, ist bei der ehr-
fürchtigen Verehrung des Baumes selbstverständ-
lich; daher suchte man auch in mancherlei Krank-
heiten Genesung und Hilfe bei der Eiche. Be-
sonders heilkräftig sollte sie bei Gicht- und
Bruchkranken sein, ja nach den Berichten Gold-
schmidts sollen solche Wunderkuren in einigen
Gegenden Mecklenburgs heute noch gebräuchlich
sein. In der Johannisnacht wird eine junge Eiche
gespalten, und die Kinder, die an Brüchen leiden,
werden unter Gebet mit dem Kopf voran durch-
den Spalt gezogen. Drei Johanns müssen dabei
tätig sein; zwei halten den Baum, der dritte
hält das Kind. Nach der Prozedur wird 'der
Baum sofort wieder sorgfältig verbunden, und
wenn er wieder verwachsen ist, dann ist auch
der Bruchschaden verschwunden. Als Wetfer»
prophet stand die Eiche frtiher auch in hohem
Ansehen, besonderswar man festdavonüberzeugt,

daü viel Schnee und ein harter Winter bevorstand, wenn die Eichen viel Mast
trugen.

Die stärkste und älteste Eiche Deutschlands steht wohl bei dem Dorfe
Niedereimer an der Ruhr in Westfalen, sie heißt die „Dicke Eiche“ und hat einen
Umfang von 11’/2 Meter. In einer Höhe von zehn Metern teilt sich der Stamm
in zwei Äste, deren jeder noch einen Durchmesser von anderthalb Metern hat,
auf ihren mächtigen Wurzeln haben 40 Personen Platz. Diese Eiche, die noch
jedes Jahr im vollen Blätterschmuck prangt, ist vom Staat angekauft worden
und wird als Naturdenkmal erhalten. Im Hasbruch in Oldenburg befindet sich

noch eine ganze Anzahl sehr alter, mächtiger
Eichen von acht bis zehn Meter Umfang, die
schönste und stärkste heißt nach der Königin
von Griechenland die „Amalieneiche“. Jahr-
hunderte und Jahrtausende haben diese uralten
Eichen an sich vorüberrauschen sehen und doch
stehen sie noch da in ungebändigter Kraft, ihre
knorrigen Äste zum Himmel streckend, ein un-
vergängliches Bild starken Lebens. Wie viele
Menschengeschlechter sind unter ihnen dahin-
geschwunden. Wie sie heute den Pfiff der Loko-
motive und das Fauchen der Autos als die
Wahrzeichen unserer Zeit hören, so vernahmen
sie einst den Kampfruf der Germanen, das
Gebrüll des Auerochsen und des Bären; wenn
sie erzählen könnten, sie würden uns längst
verklungene und vergessene Sagen berichten aus
uralter Zeit, sie, die Riesen des Waldes, die nicht
nur von Sagen umwoben sind, sondern selbst
noch aus einer sagenhaften Vorzeit stammen.

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J&Tve Caesar, morituri te salutant“, das war der
Ruf, mit dem die römischen Gladiatoren den
Caesar grüßten, ehe sie ihren Kampf in der Arenä
begannen. Mit den gleichen Worten könnten vor
Ausbruch eines Krieges die Regimenter Mann für
Mann vor das Antlitz des Todes treten. Imperator
Tod, das ist der Leitgedanke, dem Franz Stuck
in seinem Gemälde „Der Krieg“ Ausdruck ver-
liehen hat. In fahlem Lichte liegen die schmerz-
zerkrampften Leiber all der kraftstrotzenden
Männer ausgestreckt, die der Tod bereits als
Beute gefordert hat. Und weiter reitet er, eine
dunkle,geisterhafte Gestalt auf gespenstig schwar-
zem Rosse, das blutige Schwert in Ruhe über
der Schulter haltend; aber sein Antlitz späht
düster und unerbittlich nach neuen Opfern aus.

Machtvoll wie zur Zeit seiner Entstehung, die
jetzt an zwanzig Jahre bereits zurückliegt, wirkt
dieses Gemälde auch jetzt wieder in der Großen
Berliner Kunstausstellung, wo Franz Stuck mit
seinen Arbeiten allein zwei Säle ausfüllt. Der
Tod ist ein Lieblingsmotiv, dem die deutsche
Kunst seit Dürers und Holbeins Zeiten immer
wieder Ausdruck verliehen hat. Auch der Tod
als Reiter und Kriegsmann ist von zahlreichen
Bildern, Kupferstichen, Radieruiigen und Zeich-
nungen der älteren und neueren Kunst wohl
bekannt. Aber Stucks Gemälde prägt sich durch
die Kraft persönlichen Empfindens, die der Künstler in sein Werk gelegt hat,
der inneren Anschauung als unvergänglicher Besitz ein.

*

*

Auch Hans Herrmanns schönes und malerisch geistvolles Gemälde

„Blumenmarkt in Amsterdam“ hat in der Großen Berliner Kunstausstellung

die Aufmerksamkeit stark auf sich gezogen. Wie wird hier das Treiben an den

Grachten und auf dem Markte durch die Sonne und die Farbe in eine höhere

Sphäre gehoben. Im Vordergrunde die hellen oder farbig-starken Blumen, dann

der prächtige blaue Rauchstreilen sowie mattere Töne, und im Hintergrund

aufleuchtend wiederum lichte, sonnige Farben: die Häuser des Marktplatzes und

die Blumen. Dieses Bild ist ein ausgezeichnetes Beispiel für die belebende

Wirkung, wie sie der Künstler aus der Palette hervorholt.

* *

*

„Der-Stiegelkeller in Salzburg“ ist für den Bierkonsum zur Sommer-
zeit, was der dortige berühmte St. Peterskeller für den Weintrinker: der Sammel-
punkt durstiger Fremder und Einheimischer! Am Fuße des Mönchsberges auf
einer alten Festungsmauer gelegen, unter schattigen Kastanienbäumen mit einem

entzückenden Ausblick auf die Stadt Salzburg

und das Gebirge, ist er eine gar gemütliche

Trinkstätte. Nicht umsonst hat „Baedeker“ zwei

SternehinterdenStiegelkellergemacht! Diegroßen

stilvollen Säle sind bei Regenwetter der Zu-

fluchtsort fiir ganze Scharen von Besuchern Salz-

burgs. Für kleinere Gesellschaften gibt es ein

Mozartstübchen, so daß der Trinker sogar beim

Genuß des Bieres Mozarts gedenken kann, der

hier geboren wurde. Wie das für Süddeutschland

und Osterreich charakteristisch ist, wird ohne

Standesunterschied an den eichenen Tischen ge-

trunken. Die alte Kultur und angeborene Liebens-

würdigkeit auch des Publikums, das aus den

unteren Schichten stammt, gestattet diese bunte

Zusammenwürflung,die ein so malerisches Bild er-

gibt. Offizier und Beamter, Geistlicher und Student,

Kaufmann und Fremdenführer, Arbeiter und

Dienstmann sitzen hier dicht aneinander. Aber

auch das Ohr geht nicht leer aus. Wie in einem

Bienenschwarme herrscht ein ständiges fröhliches

Summen, in das Rufe nach der Kellnerin, Klappen

der Maßkrüge und das Klopfen eines Fasses, das

soeben frisch angesteckt wird, hineintönen. Diese

Stimmung von Lebenslust und Gutmiitigkeit, die

über dem Ganzen lagert, hat Th. Ethofer in

seinem Bilde vortrefflich festgehalten.

# *

*

Von lieblicher Anmut ist F. Dorschs Gemälde „Vor dem Fest“ erfüllt,
das die Sommernatur zugleich in ihrer Frische und Fülle, wie sie die Zeit um
Mitsommernacht kennt, in flotter Malweise wiedergibt. Über einer Terrasse mit
Steinbalustrade hängen japanische Lämpchen, die dem Gartenfeste dienen sollen,
das sogleich seinen Anfang nehmen wird. Schon stehen zwei Damen in weißen
Festkleidern im Gespräche, das ihren Erwartungen für den heutigen Abend gilt.
Dieser Künstler hat in den letzten Jahren einen ungewöhnlich starken Aufstieg
genommen, der ihn der allgemeinen Aufmerksamkeit zuführte. Davon ist die
diesjährige Große Berliner Kunstausstellung ein neuer Beweis.

* *

*

In G. Maroniez’ „Sommernacht im Hafen“ breitet der aufgehende Voll-
tnond seinen Schein über die Arbeit der Menschen, die sich zur Ausfahrt rüsten.
Still wie ein Spiegel liegen die Wasser des Hafens, dunkel heben sich die Segel
gleich schwarzen stummen Schwänen vom Silberton des Himmels. In zwei
Reihen ankern sie an den beiden Ufern des Flußarmes. Nur die Menschen
unterbrechen den Frieden, der ringsum herrscht, durch die Arbeit, die ihrem
Beruf gilt. Denn die Nacht und der Morgen versprechen einen guten Fischfang.

Erich Heermann: Rückenakt.
Kunstverlag Stiefbold & Co., Berlin.
 
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