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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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26. Heft
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Saltzwedel, Hans: Frau Mytala, [9]: nach einer wahren Begebenheit erzählt
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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0790

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33°

Frau Myfala.

Nach einer wahren Begebenheit erzählt von Hans von Saltzwedel.

[Schluß.] _

s kostete mich eine ungeheure Willensanspannung, wieder völlig
Herr meiner Sinne, Glieder und Gedanken zu werden und in
, leidlich guter Haltung aus dem Wagen und die Treppe hinauf
zu kommen, wo Frau Mytala mir mit vorgestreckten Händen und herz-
lichster Freude in den strahlenden Augen entgegentrat.

Ich aber stand, immer noch keines Wortes naächtig, bebend vor ihr,
sah ihr in das liebe klare Gesicht und ftihrte abwechselnd ihre weißen
Hände an meine Lippen, bis meine Ergriffenheit in den Ausrufen zum
Durchbruche kam:

„Sie? — Sie? — O, mein Gott, wie ist das möglich? — Nein, das —
das habe ich mir nicht träumen lassen.“ — — —

Solches oder ähnliches stotterte ich abgerissen mit heisercr Stimme.
Endlich schien Lankwitz begriffen zu haben! Er faßte mich von hinten
bei den Schultern und schüttelte mich derb, während er lachend fragte:

„Ja, Mensch, wußtest du das denn nicht? — Hast du’s denn damals
nicht in der Kreuzzeitung geiesen?“

Ich ließ Frau Mjdala los und sah ihn hilflos
an. Dabei mochte ich wohl ein unerlaubt törichtes
Gesicht machen; denn beide lachten hell auf; wo-
durch ich noch verlegener wurde und nur mühsam
hervorzubringen vermochte: „Ja, natürlich hab ich’s
gelesen! —Aber— aber — daß, daß es —“

Da unterbrach er mein Gestottere scheinbar
zornig: „Was, du schlechter Kerl, du hast geglaubt,
daß ich eine andere geheiratet habe? — Da hört
sich ja aber alles auf! — Eigentlich miißte ich dich
gleich wieder aufpacken und fortschicken! — Seinem
besten Freunde so ’ne Schlechtigkeit zuzutrauen! —

Nun aber marsch! — Ich wei'de dir dein Ziminer
zeigen. — Und du, Mika, schenk unterdessen den
Kaffee ein.“

Während ich mich oben in meinem behaglichen
Zimmerchen von dem Reisestaub reinigte, kam
er nochmals auf das vorige zurück:

„Und ihr habt damals wirklich alle geglaubt,
ich hättc meine Mytala laufen lassen und eine
andere gcheiratet? War denn keiner so schlau,
das Richtige zu ahnen?“

Copyright 1913 by Rich. Bong-

Es war ja eine so unbändige Freude in mir, und am liebsten hätte
ich den Braven, den ich wieder mit Stolz meinen Freund nennen durlte,
aus lauter Freude und Dankbarkeit umarmt; dennoch antwortete ich ihm
jetzt ärgerlich: „Ja, zum Donnerwetter, wie kann ein Mensch auf die Idee

kommen, daß du dir gleich eine Gräfin aushältst?-Und ich verstehe

die ganze Geschichte auch jetzt noch nicht. — Du
hättest mir doch wenigstens nachher schreiben
können, wie die Sache wirklich steht! — Warum
hast du das denn nicht getan?“

Er lachte von neuern belustigt iiber meinen
Ärger: „Ganz einfach, weil ich wütend war! —
Auf euch alle — und ganz besonders auf dich! —
Weil ich dich für einen ganz falschen Kerl hielt —
einen Verräter, der sein feierliches Versprechen
gebrochen ünd uns verraten hatte, um sich beim
Kommandeur zu schustern. — Ja, ja, das dachten
wir damals von dirü — Du mußt aber auch be-
rücksichtigen, in welcher Stimmung wir waren —
wie zerschlagen und zermürbt durch alles das,
was wir erlebt hatten. — Und du warst der einzige
gewesen, auf den wir glaubten uns verlassen zu
dürfen. — Nachher, als wir ruhiger geworden
waren, haben wir ja bald eingesehen, daß du nicht
anders gekonnt hast — überhaupt, daß wir ganz
allein an unserm Elend schuld waren. — Wir hatten
uns eben in unserer ersten Verliebtheit in ganz
falsche Ideen verrannt. Heute natürlich begreife ich
überhaupt nicht mehr, wie ich als ausgewachsener
Mensch solch eine Dummheit fertigbringen konnte.“
Ich selber aber begriff erst recht nicht, und das sagte ich ihm, und
bat ihn, mir wenigstens zu erklären, wie schließlich alles gekommen sei,
worauf er mir lachend erwiderte: „Beim Kaffee soilst du alles erfahren.
Komm nur, Mika wartet gewiß schon!“

Der Kaffeetisch war auf der breiten Veranda gedeckt, von welcher
man einen schönen Blick in den alten Park hat; schöner aber als das
herrliche Bild, das die Natur bot, dünkte mich das der kleinen Menschen-
gruppe, welches mein Auge entzückte, als ich aus der Glastür trat:

Leicht an den Tisch gelehnt in fast durchsichtig lichtem Gewande
die junge Schloßfrau — eine stolze, glückselige Mutter mit ihren beiden

Hans Best: Studienblatt. Große Kunstausstellung Düsseldorf 1913.

Hans Best: Studienblatt. Große Kunstausstellung Düsseldorf 1913.
 
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