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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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20. Heft
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Lembke, Richard: Der Kaiser und die Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0606

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2Ö2

Der Kaiser und die Kunst.

tas bekannte Wort, daß die Kunstauffassung eines jeden sein Wesen widerspiegle,
gilt nicht von dem Künstler allein, sondern ebenso von dem Kunstförderer und
Kunstbetrachter. Auf Kaiser Wilhelm findet es seine volle Anwendung. Der Schwung
seines Wesens, die Auffassung seines Herrscherberufes, der Ausblick auf eine ruhm-
reiche Vergangenheit, zu der seine Hohenzollernahnen eine schimmernde Kette bilden,
und vor allem sein festes Gefühl der Zusammengehörigkeit mit seinem Volke,
bilden auch das Fundament seiner Kunstanschauung. Für das Theater möge das ein
Wort Max Grubes belegen, dieses langjährigen Regisseurs am Berliner Königlichen
Schauspielhause, dem sich hier Gelegenheit bot, des Kaisers Teilnahme an dieser Kunst-
stätte zu beobachten: „Die Blüte deutschen Geistes, die höchsten Güter unseres Volkes,
Gemüt, Begeisterungsfähigkeit will er auf dem Theater verkörpert erblicken, und am

[Nachdruck verboten.]

in einer bestimmten Lösung mehr technischer Aufgaben die Hauptsache erblickt, der
versündigt sich an den Urquellen der Kunst."

Schon durch diese Linien iiegt die Auffassung der Kunst, wie sie in des Kaisers
Seele unerschütterlich lebt, scharf umrissen; aber die Reichhaltigkeit seines Wesens
erfüllt sie mit tnannigfachen Farben und Schattierungen. Was die Bühne anlangt, so
blickt der Kaiser mit höchster Bewunderung zu Shakespeare auf und wünschteDeutschland
eine ähnliche Reihe nationaler Dramen, wie sie der Brite seinem Vateriande geschenkt
hat. Aus dieser Empfindung heraus hat er Ernst von Wiidenbruch mit seinen
„Quitzows“, seinem „Neuen Herrn" usw. freudig willkommen geheißen. Neben
Shakespeare bevorzugt er unsere deutschen Dichter heroischen Stiles und historischer
Prägung, wie Schiller, Kleist und Hebbel. Denn „der Kaiser", so urteilt Freiherr von

Von Dr. Richard Lemblce.

Das 1. Garde-Regiment zu Fuß beim Sturm auf St. Privat; vom Kaiser auf die Riickseite eines Menus gezeichnet während des Diners am 12. Dezember 1895

in der Speiseanstalt des 1. Garde-Regiments zu Fuß.

liebsten sieht er diese Aufgabe im Rahmen der Sage und der Geschichte des Vater-
iandes gelöst.“ Wie der Kaiser der Kunst gegenüber seine Aufgabe als Förderer und wie
wahres Mäzenatentum auffaßt, das hat er selbst klar und deutlich in den Worten aus-
gedrückt: „Ich bin immer der Meinung, daß reiche Leute mit ihrem Gelde etwas
schaffen sollen, woran auch andere ihre Freude haben. Ich mache es nicht so wie
viele andere Fürsten, die teure Kunstwerke sammeln und in ihren Schlössern verbergen.
Ich sammle nicht. Ich gebe mein Geld aus, um für mein Volk etwas zu schaffen und
Kunstwerke hinzustellen, an denen es seine Freude hat.“ Von hoher Warte also
betrachtet der Kaiser die Kunst; ihm gliedert sie sich in das Allgemeine des Lebens
ein und ist mit sozialpolitischen Momenten verbunden. Er denkt bei ihr, wie Paul Seidel,
der Dirigent der Kunstsammlungen in den Königlichen Schlössern und Direktor des
Hohenzollernmuseums, hervorhebt, nicht an ein Befriedigungsmittel für eine kleine
Gesellschaft zum Teil überbildeter, international empfindender Elemente, sondern sie
soll den Bedürfnissen und Empfindungen der Gesamtbevölkerung, oder doch eines
großen, gesund fühlenden Volksteiles Nahrung bieten. Es versteht sich also von
selbst, daß der Kaiser für die blaßblütige snobistische l’art pour l’art-Bewegung nichts
übrig hat. Ebensowenig können ihm, der für die Kunst die nationale Grundlage
fordert, Richtungen sympathisch sein, die hauptsächlich aus dem Auslande ihre
Quellen herleiten. Treffend betont er ferner, daß es der Geist ist, der sich den
Körper schaffen müsse:

„Wer sich an dem Gesetz der Schönheit, dem Gefühl der Ästhetik und Harmonie,
die jedes Menschen Brust fühlt, ob er sie auch nicht ausdrücken kann, loslöst und

Berger, „will Größe, weltbewegende Charaktere, Prunk und voile strömende Schönheit
in der Kunst. Und welcher echte Kunstmensch wollte das nicht!" Weniger sagt ihm
die Dichtung des etwas weichlichen, sich selbst zerfasernden Grillparzer zu, von dem
er „König Ottokars Glück und Ende" am höchsten schätzt. Wo der Kaiser mit ganzem
Herzen teilnimmt, wie das z. B. bei deni „Neuen Herrn" der Fall war, greift er
gelegentlich selbst mit seinem Rat und seiner Teilnahme ein. Und wieder ist es
Max Grube, der hierbei die Treffsicherheit seines Urteils und seine natürliche Begabung
für das Theater rückhaltlos anerkennen muß, indem er den Kaiser einen mit
ungewöhnlicher Treffsicherheit für das Wirkungsvoll-Wahre begabten Bühnenkünstler
nennt. „Dem Kaiser kommen zur Ausübung praktischer Bühnenkunst sein malerischer
Sinn und seine wirklich ungewöhnlichen Kenntnisse der Kultur- und Kostümgeschichte
sehr zustatten." Auf diesen malerischen Sinn des Kaisers gehen wohl auch die
prächligen Inszenierungen besonders von Opern, wie z. B. Meyerbeers Hugenotten,
Richard Wagners Nibelungenring, Richard Strauß’ Opern usw. zuriick. Daß dagegen
die realistische Dichtung mit ihrem Kleinbürger-Milieu, ihrem Mangel an Schwungkraft
und dem sozialdemokratischen Einschlage dem Kaiser nicht genehm war, versteht sich
nach dem Gesagten von selbst. Dagegen ist Gerhart Hauptmann in dem Augenblicke
wo er sich einer neu-idealistischen Epoche in „Hanneles Himmelfahrt" zuwandte, im
Königlichen Schauspielhause aufgeführt worden, ebenso wie Hermann Sudermann hier
mit romantischen Dramen zu Worte kam.

Bei ailedem bleibt das Theater eine Stätte, die nicht zu weiteren Schichten des
Volkes, sondern nur zu einigen, immerhin vermögenderen Kreisen spricht. Das ist
 
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