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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0331

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Das Yölkerschlachtdenkmal bei Leipzig.

Am 18. Oktober 1913 ist der hundertjährige Gedenk-
tag der Schlacht bei Leipzig und an diesem Tage wird
im Beisein des Kaisers und der deutschen Bundes-
fürsten das gewaltige Denkmal eingeweiht werden, das
zum Andenken an die Völkerschlacht errichtet worden
ist. Im Südosten Leipzigs, unweit der Stelle, von der
Napoleon die Schlacht beobachtete, ragt das riesige Bau-
werk, 90 m hoch, empor.

Bereits Ernst Moritz Arndt sprach es 1814 aus, „daß
auf den Feldern Leipzigs ein Ehrendenkmal errichtet
werden muß, das dem spätesten Enkel noch sage, was
daselbst im Oktober des Jahres 1813 geschehen“. Und
weiter sagte er, „es muß groß und herrlich sein, wie
ein Koloß, eine Pyramide, ein Dom in Köln“. Arnat
schlug vor, in der Mitte des Schlachtfeldes einen Erd-
hügel von etwa 200 Fuß Höhe aufzutürmen, auf ihn
Feldsteine zu wälzen und über diesem ein kolossales, aus
Eisen gegossenes Kreuz zu errichten. Das Kreuz sollte
eine große, vergoldete, weit in die Ferne leuchtende
Kugel tragen. Arndts Plan gelangte nicht zur Ausfüh-
rung, wohl weil es kurz nach den Befreiungskriegen an
Mitteln fehlte. Später sind noch mancherlei Vorschläge
für ein Völkerschlachtdenkmal gemacht worden, dar-
unter so geschmacklose, wie: ein flammendes Riesen-
schwert aus eroberten Kanonen, das mit der Spitze nach
unten auf einem Steinwürfel befestigt ist, oder eine ge-
waltige Eiche aus Kanonenmetall. In den Jahren der
Reaktion schlief der Denkmalsgedanke ganz ein.

Erst am 50. Jahrestage der Schlacht, im Jahre 1863,
fand im Beisein von 1000 Veteranen der Befreiungs-
kriege und von Vertretern von 214 deutschen Städten
die Grundsteinlegung zu einem Nationaldenkmal auf dem
Schlachtfelde statt. Aber die Ereignisse von 1864, 1866
1870—71 ließen es nicht dazu kommen, die nötigen
Mittel zum Bau des Denkmals zu sammeln und so biieb
der Grundstein verwaist.

Im Jahre 1888 fängt man endlich an zu sammeln,
und ganz Deutschland bringt zusammen — 19 000 Mark.
Da begründete 1894 Clemens Thieme den Deutschen
Patriotenbund, der den Zweck hatte, die Mittel zu
sammeln, um nach dem Gedanken seines Begründers
ein Denkmal zu schaffen, das darstellen sollte „ein
Ehrenmal für die gefallenen Helden, ein Ruhmesmal
für das deutsche Volk, ein Mahnzeichen für kommende
Geschlechter“. Am 18. Oktober 1898 erfolgte der
erste Spatenstich und am 18. Oktober 1900 die neue
Grundsteinlegung. Dank der unermüdlichen und auf-
opferungsvollen Tätigkeit Clemens Thiemes wurde
die Arbeit so gefördert, daß heute, 13 Jahre nach der
Grundsteinlegung, das Denkmal vollendet dasteht.

Noch gewaltiger, als Arndt es sich ge-
dacht hatte, ragt es in die Lande, an Größe
nur den Pyramiden Aegyptens vergleich-
bar; einen Begriff von seinen Dimensionen
bekommt man, wenn man hört, daß es
das Kyffhäuserdenkmal 16mal an Raumin-
halt übertrifft. Nach Plänen von Professor
Bruno Schmitz in Charlottenburg ausge-
f ührt, erhebt sich das 90 m hohe, in Beuchaer
Granit und Beton aufgeführte Denkmai
pyramidenähnlich auf einem Hügel. Ein
breit hingelagerter Unterbau, der auf der
Stirnseite eine gewaltig große Allegorie
des Krieges zeigt, umschließt eine Krypta,
über der sich ein 60 m hoher Kuppelbau
erhebt. Auf der Zinne des Denkmals
stehen 12 je 14 m hohe Wächterfiguren.

In der Krypta, die an ein Kirchengewölbe
erinnert, befinden sich acht Schicksals-
ntasken und rechts und links von ihnen
je ein Ritter, als Totenwächter gedacht,
die trauernd auf den Boden blicken, in
dem so viele Helden ruhen. Diese Bild-
werke sind nach Modellen von Professor
Metzner in Zehlendorf ausgeführt.

In der über der Krypta befindlichen
Galerie stehen vier allegorische Gestalten,
jede etwa 10 m hoch, die Opferwilligkeit,

Tatkraft, Glaubensstärke und die deutsche
Volkskraft darstellend. Vor dem Denk-
mal ist ein 12 000 qm großer See an-
gelegt, der von hohen, mit Ulmen be-
pflanzten Wällen umgeben ist. Das Völkerschlacht-
denkmal bildet den Abschluß der „Straße des 18. Oktober“,
einer 40 m breiten Feststraße, die vom Innern der Stadt
durch einen Park bis zum Denkmal führt. Die Gesamt-
kosten des Denkmals belaufen sich auf rund 6 Millionen
Mark. Unser Bild zeigt das Völkerschlachtdenkmal, um-
flogen vom Zeppelinluftschiff „Hansa“, das im Herbst 1912
Leipzig einen Besuch abstattete. Denkmal und Luftschiff,
beide ein Symbol deutscher Tatkraft. A. Seifjharl.

Das Kastenpqdepn in dep Sehule

ist die neueste Errungenschaft des modernen Schüler-
sports. Im Erdgeschoß des sehr neuzeitlich gelei-
(eten Hohenzollern-Gymnasiums in Berlin - Schöneberg

ist in einern dazu besonders hergerichteten Raum ein
Bassin angelegt worden, in dem die Schüler, wenn im
Winter das Rudern im Freien nicht mehr angängig ist,
im Ruderkasten trainiert werden können. Bekanntlich
ist im Rudern, vor allem im rein sportlich betriebenen
Rudern die Kraft wohl viel, die Technik aber alles; und

Das Völkerschlachtdenkmal bei I.eip/ig'
mit dem Luftschiff „Hansa".

Phot. Leipziger Presse-Bureau, Leipzig

nichts ist für den jungen Rudersmann daher wichtiger,
als von vornherein sich den richtigen Stil anzueignen,
das heißt diejenige Handhabung des Riemens und die-
jenige Haltung und Bewegung des Körpers zu erlernen,

Kastenrudern am Hohenzollern-Gymnasium zu Berlin-Schöneberg.

Phot. Sandow, Steglitz.

die bei möglichst geringem Kraftaufwand die größte
Ausnutzung der aufgewendeten Arbeit gestatten. Dazu
gehört der ganze komplizierte Mechanismus des modernen
Schlages mit Auslage, Einsatz und Durchzug. Vor allem
für den werdenden Ruderer — wie der Schüler es ja
ist — ist es ungemein wichtig, daß er von dem Augen-
blick an, wo er sich zum erstenmal in ein Sportboot
setzt, sachgemäße Anleitung durch einen Fachmann
erhält, damit er sich nicht erst alle die kleinen Unarten
und Stilwidrigkeiten angewöhnt, die man bei so vielen
Rennruderern, selbst in sonst erstklassigen Booten findet.
Der Anfänger würde sich ja meist lieber gleich in ein
Tourenboot setzen und frisch und unverzagt in Gottes
weite Welt hinausfahren; es wird schon gehen, denkt
gr dabfi; das Rudern ist ja eij) Kinderspiel und braucht

doch niclit erst erlernt zu werden. Wie anders wird
ihm dann aber zu Mute, wenn er zum erstenmal in den
Ruderkasten kommt und dem gestrengen Lehrmeister
nichts, auch nicht das geringste recht machen kann.
Er wird mit den Händen den Riemen falsch greifen, das
Riemenblatt zum Einsatz nicht richtig stellen, den Ein-
satz zu tief rnachen und beim Durchzug den Oberkörper
krümmen, kurz, er wird eben alle Fehler begehen, die
der Anfänger zu begehen pflegt. Diese Fehler auszu-
merzen und die drängende Kraft des jungen Ruderers
gleich in die richtige Bahn zu lenken, bevor er sich in
der Öffentlichkeit zeigt, ist der Zweck des winterlichen
Kastenruderns, dem infolgedessen eine hohe pädago-
gische Bedeutung innewohnt. Daß Gelegenheit zum
Rudertraining im Bassin nun auch an einer Schule ge-
boten wird, ist ein neuerliches Zeichen dafür, welche
Wertschätzung man dem Rudern als gesundheitsför-
dernder Bewegung jetzt an unseren höheren Lehranstalten
entgegenbringt, und es wird interessant sein, zu beob-
achten, welche Fortschritte gerade die Schüler des Hohen-
zollern-Gymnasiums im Rudern machen werden, da
ihnen nun zum erstenmal die Möglichkeit gegeben isl,
ihre Ruderübungen auch im Winter zu betreiben.

-wvw- W K K

Kritisches, allzu Kritisches.

Von Dr. Paul Ertel.

Es ist üblich, auf die „Kritik“, wenn sie nicht wohl-
wollend ausfällt, zu schimpfen. Dies gilt für jede
Kritik. Wir wollen die Tatsache einmal spezialisierend
bei der Musikkritik näher beleuchten. Schon Alt-
meister Goethe mag sich im allgemeinen über die bösen
Herren, die das kritische Richtschwert schwingen, per-
sönlich geärgert haben. Denn er prägte das berühmte
Wort: „Schlagt ihn tot, den Ilund, er ist ein Rezensent.“
Selbstverständlich nur figürlich. Anders darf dieser
blutrünstige Ausspruch auch nicht aufgefaßt werden.
Der persönliche Ärger über eine übellaunige Kritik
führt oft bei rnehr oder weniger temperamentvollen
Naturen das vernichtende Wort vom „Totschlagen“ her-
bei. Menschlich, allzu menschlich ist es, wenn wir ob
eines Tadels, der unsere Person betrifft, zürnen und
dem „Kritikaster“ einen Kampf bis aufs Messer in Aus-
sicht stellen. Wir haben sogar Recht, wenn man uns
in der Rezension „beleidigt“ hat. Der Künstler ist freilich
oft genug schon durch den bloßen Tadel beleidigt; ihm
gilt die juristische Definition dieses Vergehens gar nichts.
Er fühlt sich in seiner Person gekränkt, geschändet,
entehrt, ohne daran zu denken, daß es sich — natürlich
bona fide — doch nur urn eine ganz subjektiv geäußerte
Meinung des „frechen Rezensenten“ handelt. Gewiß
würde in einem solchen Falle eine Be-
leidigungsklage ganz erfolglos sein, da
dem Kritiker stets die Voraussetzung des
§ 193 des Strafgesetzbuchs (schutzbedürf-
tige Interessen) zur Seite steht, falls er
nicht „formell“ etwa beleidigt hat. Ganz
anders liegt der Fall, wenn der Kritiker
rnala fide, also böswillig, sein verant-
wortungsvolles Amt mißbraucht, um dem
Künstler zu schaden. Das dürfte aller-
dings nicht allzuhäufig vorkommen. Dann
würden freilich mit Recht die Belei-
digungs- und Verleumdungsparagraphen
herangezogen werden können. Dies trifft
natürlich auch bei der Musikkritik zu,
bei ihr sogar ganz besonders, weil bei
dem enorm gesteigerten Musikleben in
den Musikzentren jeden Abend die Mög-
lichkeit gegeben ist, daß der Rezensent
mit dem Rezensierten in einen offenen
Konflikt gerät. In der Tat haben sich
gerade auch in der allerneuesten Zeit
einige Stimmen erhoben, die gegen die
Musikkritik scharfe Worte schleuderten.
Ihnen gelten unsere Ausführungen.

Ein offenes, ehrliches Wort, von
einem „Musiker“ gesprochen, verträgt
natürlich auch der Künstler“. Man wen-
det sich nur gegen die „Charlatane“ in
der Kritik, die es imrner gegeben hat,
und immer geben wird, nämlich gegen
Leute (auch Damen!), die entweder gar
keine oder nur eine ganz geringe Fachbildung genossen
haben, die sie vielleicht berechtigt, über einen ABC-
Schützen zu urteilen, beileibe aber nicht über einen
ernsten Künstler, womöglich über einen komponierenden
Künstler. Darin hat man unzweifelhaft Recht, daß man
„Fachleute“ als Richter verlangt, und tatsächlich gibt
es keine Zeitung von Ruf, die nicht wirkliche Musiker
als Rezensenten anstellt. Ist doch das Amt des Kri-
tikers eins der verantwortungsreichsten, die es über-
haupt gibt. Durch einen Federstrich kann er, falls na-
türlich sein Name von Bedeutung ist, eine ganze
Künstlerkarriere vemichten oder doch wenigstens
hemmen. So selbstverständlich es ist, daß ich, ein ab-
soluter Laie in Dingen der Malerei oder Bildhauerkunst,
nicht eitt bündigcs Urteil — privatim kann ich soviei

KXVU. 11. B.
 
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