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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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20. Heft
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H. Sperling, Großbuchbinderei, Leipzig-Berlin: Ein Blick in die Werkstatt des Buchbinders
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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0609

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H. Sperling, Großbuchbinderei, Leipzig-Berlin

Ein Blick in die Werkstatt des Buchbinders

8er Wertmesser für den Kulturfortschritt einer Nation, den man wohl nicht
mit Unrecht im allgemeinen im Seifenkonsum erblickt, ist bei den
zivilisierten westeuropäischen Staaten, wo die Reinlichkeit Volksgut
geworden ist, heute auf einem anderen Gebiete zu suchen. Wenn wir alle jene
lebendigen Strömungen, die einer Volksgesamtheit Kultur und Bildung zu geben
trachten, die allen, ob reich ob arm, das vermitteln wollen und auch vermitteln,
was der Menschengeist Großes und Schönes gedacht und empfunden hat, in einen
Begriff zusammenzufassen, so kann es nur das Buch sein, das diese gewaltige
Arbeit leistet. Und je höher die Kultur ist, desto stärker die Produktion und
der Verbrauch des gedruckten Wortes!

Wir Deutschen können den Ruhm für uns in Anspruch nehmen, hier an der
Spitze zu marschieren. In keinem Lande der Welt erblicken so viele Geistes-
kinder in Gestalt von Büchern das Licht der Welt, und in keinem anderen Staate
ist eine so vielgestaltige, numerisch große und korruptionsfreie Presse anzutreffen
als in Deutschland. Diese Vorzüge werden noch ergänzt durch ein ebenfalls in
dieser Intensität nirgends zu findendes gemeinnütziges Streben, der großen Masse
des Volkes die Schätze des deutschen und internationalen Geistes, der Wissenschaft
und Kultur, durch Volksbibliotheken und Volksausgaben zugänglich zu machen.

Diese Bestrebungen haben ihrerseits die deutsche Bücherproduktion außer-
ordentlich befruchtet, und mit der schätzbaren Eigenschaft des Deutschen, dem
Wunsch nach ernsthafter und wertvoller Lektüre, zusammen heute aus dem
deutschen Buchgewerbe eine gewaltige Industrie geschaffen.

Nimmt man ein Buch zur Hand und freut rnan sich darüber, wieviel Liebe
und Geschmack unsere Zeit auch auf die äußere Herrichtung desselben ver-
wendet, so denkt man doch schwerlich daran, welch mannigfache Gewerbe so
ein Druckwerk erst passieren muß, ehe es in seiner stattlichen oder reizvollen
Gestalt den Weg zum Leser gefunden hat.

In diesem Aufsatz, der einer großen deutschen, im Buchgewerbe tätigen
Firma gewidmet ist, wollen wir uns mit einem Spezialzweig befassen, nämlich

mit der Buchbinderei. Das alte ehrwürdige Handwerk hat, um der neuen
großen Aufgabe, die die neuzeitliche Bücherproduktion an seine Leistungsfähigkeit
stellt, gewachsen zu sein, seine handwerklichen Eigenarten, wie die meisten
Handwerke überhaupt, fast völlig aufgegeben und sich zum regelrechten Groß-
betrieb entwickeln müssen, der mit zahlreichen riesigen Maschinen ausgerüstet
und zur Massenproduktion befähigt ist. Der Weg von dem mit vieler Mühe
verfertigten Schweinsledereinband bis zu den reichen und bunten, in Tausenden
von Exemplaren fabrizierten Einbänden illustrierter Prachtbände ist lang und nicht
an einem Tage zurückgelegt worden.

Heute stehen wir auf diesem Gebiete zweifellos auf einem Gipfel des
gewerblichen Schaffens, der kaum zu überbieten sein wird, da es keine Un-
möglichkeit, ja kaum Schwierigkeit kennt. Sicherlich werden die technischen
Fortschritte, die noch immer auf allen Gebieten von dem schürfenden Geiste
des Erfinders aufgespürt werden, auch diesem Zweige der Industrie noch manche
Erleichterung schaffen und seine Leistungsfähigkeit ins Unendliche steigern,
aber über den hohen Stand unseres heutigen Könnens werden sie uns auf diesem
Gebiete kaum noch erheben können.

Den Beweis für diese etwas kühn klingenden Behauptungen wollen wir
antreten, indem wir den Leser durch einen Buchbinderei-Großbetrieb führen, wo
er sich selbst von der Richtigkeit des Gesagten und vor allem von der außer-
ordentlichen Blüte und Kultur des deutschen Bücherproduktionsgewerbes über-
zeugen kann. Ein Rundgang durch die Anlagen der Firma H. Sperling in
Leipzig und Berlin und ein Überblick über ihre Entwicklung und ihr Schaffeu
lassen uns in das Wesen dieser Industrie einen tiefen und ldaren Einblick tun.

Es ist selbstverständlich, daß die Zentrale des deutschen Buchhandels
Leipzig sowohl dem Druck- wie auch dem Buchbindereigewerbe zu einer
unerschöpflichenTätigkeitsquelle werden mußte. Und so finden wir denn auch in der
sächsischen Industriemetropole beide Gewerbe in mächtigen und leistungsfähigen
Betrieben vertreten. Unter den Buchbindereien nimmt die Firma H. Sperling

XXVII. E.-B. 1.
 
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