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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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12. Heft
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Pergaud, Louis; Heilborn, Adolf [Übers.]: Fuselines Ende: eine Tiergeschichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0344

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H. Fenner-Behmer: Edles Blut.

Copyright by Franz Hanfstaengl in München.

Fuselines Gnde.

Eine Tiergeschichte von Louis Pergaud.' K) Deutsch von Dr. Adolf Heilborn.

[Nachdruck verboten.)

gelbliches, gleiclisam verschossenes Bahrtuch über das müde Grau-in-Grau
der herben Landschaft nach sich ziehend, hatte sich, wie ein rächendes Ge-
«SSyO spenst, der Morgen erhoben nach jener Winternacht, da Fuseline die Pfote,
die er sich in der Marter der Todesangst selbst abgebissen hatte, gleich einem Mal
des Schreckens in den stählernen Armen der tückischen Falle zurtickgelassen.

Längs der tränenden, grauen, schmutzigen Hecken, die riesigen, sich sacht aus
ihren Hüllen schälenden Schmetterlingspuppen glichen, war unser Marder dahingeeilt,
ohne sich umzublicken, ohne das alles zu begreifen, in unaufhaltsamer Flucht, bis
er erschöpft zusammcngebrochen.

Und als er nun fühlte, wie der Mut ihm schwand, und die Glieder ihm den
Dienst versagten, da überfiel ihn nach dem Schmerzensrausche die Ernüchterung, in-
dem der jäh auftauchende Gedanke des Todes ihm plötzlich zum Bewußtsein kam,
und ihm zugleich eine unabweisbare, spontane Überlegung mit der Heftigkeit eines
Befehls zurief: Wenn du dich jetzt nicht ruhst, so mußt du sterben.

*) Louis Pergaud wurde fiir sein erstes Buch „Erzählungen aus dcm Leben dcr Tiere», „De Goupil
ä Margot“ mit dem Preise der Pariser Goncourt-Akademie gekrönt.

Auf einem molschen Haufen halbverfaulter Blätter, von denen nur noch wie
ein Sklett das zarte Spitzenwerk vergilbter Adern übrig, war er niedergesunken, und
nachdem er den blutigen Stumpf, der wie ein zerfetzter Ärmel kläglich von seiner
Schulter herabhing, lange beleckt hatte, orientierte er sich in aller Hast, um unbe-
hindert seinen Schlupf im Gehölze zu erreichen.

Er war ganz in der Nähe. Denn selbst in der größten Verwirrung, die das
Alltagsleben der Tiere der Wildnis stören kann, bleibt fast immer, über dem ge-
trübten Bewußtsein, etwas wie eine leitende Vorsehung bestehen, ein unbewußter Er-
haltungstrieb, der ob ihrem Leben wacht. Jetzt, da die Stille seines vorläufigen Zu-
fluchtsorts ihm nachzudenken erlaubfe, stellte er seine Marschroute fest, um im günstigen
Augenblicke die gastliche Höhlung seines alten Birnbaums wieder aufzusuchen, der da
utiten am Waldrande seine langen Arme mit den Moosaufschlägen durch die nackten,
dünnen Zweige der Rot- und Hagebuchen reckte.

AIs ob er so die nötige Spannkraft hätte wiedererlangen und einen hinreichenden
Vorrat von Energie ansammeln wollen, kauerte sich der Marder in sich zusammen und
rollte sich zur Kugel auf, um seinen erschlafften Muskeln mit der Wärme, die ihnen

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