Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

DOI Heft:
24. Heft
DOI Artikel:
Malkowsky, Georg: Als der Grossvater die Grossmutter nahm: ein Meister der Kleinkunst nach den Befreiungskriegen
DOI Artikel:
Nowak, Karl Friedrich: Inselneuland
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0748

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
MODERNE KUNST.

form sicherte ihnen den
Vorzug. Trotzdem sind
Eisen- und Bleigüsse,
wie sie in den könig-
lichen Eisengießereien
in Berlin und Gleiwitz
angefertigt wurden, nur
in geringer Anzahl er-
halten, und die wenigen
weißen oder gefärbten
Gipsabgüsse sind viel-
fach bestoßen und unan-
sehnlich geworden. Da-
gegen fand sich in dem
Nachlasse und in der
Porzellanmanufaktur
eine Fülle der Original-
formen, die durch die
eigenhändigen, meist in

Wachs ausgeführtcn

Schauspielerin Frau Bethmann. TT , . i rz *

r Korrekturen des Kunst-

lers besonderes Interesse gewinnen. Auch ein Wachsmodell, nach dem die

Negativformen angefertigt wurden, eine Büste des Herzogs von Köthen, hat

sich erhalten. Technisch von Bedeutung ist der Umstand, daß Posch nach-

weislich, um verkleinerte Vervielfältigungen zu erzielen, den Storchschnaoel

verwendete und so haltbare Gußformen aus Alabaster und Speckstein herstellte.

ohne eines neuen Modells zu bedürfen, ein weiterer Beweis für die

Anlehnung der Eisenmedaiile an die Kunst des Schattenrisse

Die Ikonographie der Befreiungskriege und der kurz

vorhergehenden und folgenden Zeit hat durch Leonhard

Posch eine Bereicherung erfahren, die sich schon jetzt

auf nahezu 800 Porträtbüsten und Medaillons erstreckt.

Wilhelms III., der Königin Luise und ihrer Kinder,
unter anderen auch des nachmaligen ersten Ilohen-
zollernkaisers, der Geschwister, Vetter und Cousinen
des Königs, der Generale, Minister und Gelehrten
dieser Zeit und nicht nur die höfische, sondern auch
die bürgerliche Gesellschaft Berlins ist in zahlreichen
Exemplaren vertreten.

Die Gesichtszüge der Fürsten, Helden und Staats-
männer der Befreiungskriege sind genügend bekannt
und haben sich dem Gedächtnis der Nation eingeprägt.

Aber auch den Frauen gebührt ein vollgemessener An-
teil an der Erhebung des Volkes. Ohne Unterschied des
Standes haben sie ihr Opfer auf dem Altar des Vaterlandes
dargebracht. Die von Leonhard Posch angefertigten Eisenmedaillen
sind Zeitdokumente, die, soweit sie Frauenköpfe darstellen, als

Tänzerin Catalani.

Prinzeß Friederike Klise Radziwill.

Beiträge zur Sitten- und
Gesellschaftsgeschichte
der ersten Hälfte des
neunzehnten Jahrhun-
derts unschätzbaren
kulturhistorischen Wert
haben. In diesen fein-
geschnittenen, von Dia-
dem und Lockentoupet
umrahmten Köpfen, die
auf dem zart umrissenen
Halse ruhen, verkörpert
sich der ideale Kern
einer rauhen, kriege-
rischen Zeit, die in sicli
die Hoffnung auf eine
schönere Zukunft, auf
die Vollendung des Er-
strebten birgt. Die Kö-
nigin Luise selbst, die
Prinzessin Charlotte,
spätere Kaiserin von Rußland, die Prinzessin Friederike, spätere Königin der
Niederlande, die Prinzessin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin, die Lieb-
lingsschwester Kaiser Wilhelms des Großen, stehen hier als Repräsentantinnen
des Königlichen Hauses an erster Stelle. Ihnen reihen sich die Fürstin Liegnitz,
morganatische Gemahlin Friedrich Wilhelms III., und die Prinzessin Radziwill,
die Jugendliebe des ersten deutschen HohenzoIIernkaisers an. Die
Schauspielerinnen Frau Fleck und Frau Bethmann, die Tänzerin
Catalani vertreten das Theater, Madame Rosenstiel, die Gattin
des Direktors der Königlichen Porzellan-Manufaktur, und die
Gattin des ersten Militärgouverneurs des späteren Kaisers
Wilhelm I., Frau Brause, die bürgerlichen Kreise Berlins.
Eine Medaille von Leonhard Posch war das erstrebens-
werte Ziel aller Frauen, die sich der Anmut ihrer
F.rscheinung bewußt waren.

Nach dem Zusammenbruch der preußischen
Ileere 1806 waren die Franzosen in Berlin einge-
zogen, und Napoieon gewährte dem Künstler kurz
nach seinem Eintreffen eine Sitzung, um sein Porträt
nach dem Leben zu modellieren. Seinem Beispiel
folgten die Marschälle, Generäle und Minister. Die
Kunst des Meisters fand so glänzende Anerkennung,
daß man ihn nach Paris berief, wo er bis zum Jahre 1814
eine ähnliche Stellung wie in Berlin einnahm. Zurück-
gekehrt stellte er seine Tätigkeit von neuem in den Dienst
der Gesellschaft und schuf noch zwei Jahrzehnte lang eine
schier unübersehbare Fülle von Statuetten und Medaillen bis in
die Biedermeierzeit hinein. Dr. Georg Ma/kowsky.

^nselneuland.

ielleicht ist Brioni, die Palmeninsel im Adriablau, nur die Erfüllung, die
seltene Erfüllung eines Kindertraumes, wie wir ihn alle als Jungen einmal
träumten. Ein Eiland, nicht viel größer als Robinsons Sageninsel, fast unbewohnt
und unkrautüberwuchert, bis durch Laune oder Zufall ein Mann zu ihr ver-
schlagen wird, der aus der Unkrautinsel durch zähe, unerbittlichste Arbeit
ein Gartenland schuf . . . Eigentlich hat der Wien'er Montaningenieur Paul Kupel-

wieser, der eines Tages
— rund zwei Dezennien
sind’s jetzt her — dem
österreichischen Staat
den unbeachteten Erd-
fleck Brioni in Polas
Nähe abkaufte, nicht viel
mehr auf seinen neuen
Grund und Boden mitge-
bracht als seine Energie
und seine Millionen:
nichts war auf der Insel
seibst, das eine lachende
Zukunftsvision, eine
neue, fruchtschwere
Robinsonade gestattet
hätte. Brioni liatte Mac-
chiagestriipp und hatte
Mälariasümpfe als erste,
einzige Untertanen des

neuen Herrn. Man kann nicht sagen, daß er, der als ein Romantiker voll tüchtiger,
praktischer Erwägungen nach Brioni herübergefahren war, sich allzu lange mit
den unbequemen Gästen herumschlug. Aus Berlin berief er den großen Robert
Koch, der zunächst der Malaria — sie ist längst spurlos verschwunden von Brioni —
schnell und gründlich den Garaus machte. Und gleichzeitig arbeiteten tausend
Arme im Macchiadschungel: die Axt, die Sense rasierten fast die Insei. Nur im
ersten Augenblick mag’s
wunderlich erscheinen,
daß Kupelwiesers Mit-
arbeiter an seinem Kul-
turwerk gerade — Sträf-
linge sein mußten. Es
ist die Art dieses viel-
leicht merkwürdigsten
und kräftigsten schöpfe-
rischen Geistes, den
Österreich heute besitzt,
daß er Geschäftstüchtig-
keit mit so vollendeter
Geschicklichkeit derHu-
manität zu einen weiß.

Die Sträflinge holte er
sich aus der Landes-
anstalt Istriens in Capo
d'Istria. Man gab ihm die
Besten, die Würdigsten

Frau Direktor Rosenstiel.

Schauspielerin Frau Fleck.
 
Annotationen