Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

DOI Heft:
11. Heft
DOI Artikel:
Ebolé, K. W.: Vom Winter im Walde
DOI Artikel:
Zick-Zack
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0328

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
MODERNE KUNST.

2 ic/c -

2 ack;.

^xinSchüler Guten-
q7 bergs. Dreißig
Jahre waren seit Guten-
bergs denkwürdiger Er-
findung verflossen, und
noch wußte man jenseits
des Kanals nichts von der
Buchdruckerkunst. So
lange Zeit brauchten da-
mals selbst die bedeu-
tendsten Ereignisse, ehe
sie den Weg in die Nach-
barländer fanden. Das
Verdienst, seinen engli-
schen Landsleuten die
Errungenschaft Guten-
bergszugänglichgemacht
zuhaben,gebührtWilliam
Caxton, der um 1425 in
der Heidegegend süd-

westlich von Kent ge-
boren wurde. Er war
von Beruf Seidenhändler.
Seine Geschäfte führten
ihn häufig in die Welt
hinaus; er bereiste vor-
nehmlichHolland und das
heutige Belgien, zuweilen
brachten ihn seineF ahrten
auch in deutsche Lande.
Caxton hörte zuerst am
Hofe von Brügge von der
großartigen Entdeckung
und begab sich bald nach
Köln, um Gutenbergs
Kunst zu erlernen. Bei
Conrad W.inters, einem
der Gehilfen Gutenbergs
und Fusts, ging er in die
Lehre; bei ihm erstand

im weichen Schnee übereinander purzeln. Das ist
gesund und macht die Wangen rot, die jetzt schon
glühen wie ein Borsdorfer Apfel ini Oktober.

Auch der Herr Förster, der soeben mit
seinem getreuen Waldmann an der Schar vor-
beigeht, ist nicht unzufrieden wegen des reich-
lichen Schneefalls; ja, er schmunzelt, und wäh-
rend er behaglich dichte blaue Wolken aus seiner
kurzen Jagdpfeife zieht, plant er schon, wie er
morgen mit Hilfe des „Neuen“ das Raubzeug
in seinem Revier aufspüren wird. Viel ist zwar
nicht vorhanden, aber hier und da mag Meister
Reineke noch im kunstvoll verldüfteten Bau
stecken. Auf jeden Fall ist aber die neue, un-
berührte Schneedecke für den alten, erfahrenen
Weidmann wie ein weißes, reines Blatt, auf
dem die Tierwelt ihre untrüglichen Spuren ein-
trägt, Schriftzeichen aus dem alten und doch
ewig neuen Buche der Natur, die aber nur der
Kundige zu enträtseln vermag.

Arn meisten Freude herrscht jedoch in dem
kleinen Gasthofe, in dem schon früh am Tage
eine Schar vergnügter Städter eingetroffen ist,

Männlein und Weiblein — alle in flottem Sport-
kostüm, die langen Skier unter dem Arm. Jetzt
sitzen sie drinnen in dem niedrigen Schenk-
zimmer bei einem bescheidenen Imbiß, und die
Fachsimpelei will schier kein Ende nehmen.

Die Bauern, die drüben auf der andern Seite
des Zimmers ihren Schoppen Dünnbier trinken,
spitzen die Ohren; aber sie verstehen beinahe
kein Wort, denn von guter Föhre, von allerlei
Bindungen, von Telemark und Christiania ist
die Rede, und den biederen Dörflern wird von
alledem so dumm, als ging ihnen ein Mühlrad
im Kopfe herum. Ein paar der Gäste sind
dabei, ihre Skier auf der unteren Seite mit Wachs fürsorglich zu glätten, damit
sie morgen um so besser gleiten. Wie man sich nur so ein Teufelszeug an die
Füße schnallen kann, denken die Bauern und schütteln die Köpfe, denn der
Siegeszug des Skilaufs ist noch nicht bis in diese Waldeinsamkeit gedrungen,
und nur der junge Forstgehilfe hat so ein paar Bretter, auf denen er im Winter,
wenn der Schnee die Erde deckt, sein Revier betreut.

Einer der Städter hat die Zeit nicht abwarten können und heute schon
die Skier angeschnallt, obvvohl sich der Abend bereits herniedersenkte und die
hohen Fichten dunkle Schatten warfen. Tageshell fast leuchtete der Mond, als
er auf seinen Brettern dem schweigenden Wald entgegenglitt, um das Gelände
für den am nächsten Tage zu unternehmenden Ausflug zu erkunden. Wunderbar
leicht gleitet der Ski auf dem weichen, frischen Schnee, denn ein gelinder Frost
hat eingesetzt, und der Schnee klebt nicht. Jetzt hat der Einsame den Wald
erreicht und sieht nun zu seinen Fi'ißen im Tal das Dorf liegen, das ihn für ein
paar Tage beherbergen
soll. Wie köstlich ist die
Stille des Winterabends,
die nur hier und da der

Schrei einer Krähe unterbricht. Sonst tiefes
Schweigen ringsum. Da unten im Dorf blitzen
schon aus diesem und jenem Häuschen Lichter
auf; munter wirbelt der Rauch aus den Kaminen
in die klare Winterluft empor. Aber keines
Menschen Stimme dringt hinauf zu dem Lau-
schenden, der sich, in stilles Sinnen versunken,
auf den langen Stoclc stützt und in die Weite
schaut, als wollte er mit einem einzigen Blick
die ganze Schönheit dieser winterlichen Welt
in sich aufnehmen. Er träumt wohl, aber es

ist auch wie im Märchen.

Endlich wendet er die Skier und gleitet
nun mit langen, gleichmäßigen Schritten in den
Wald hinein, eine tiefe Spur in die noch unbe-
rührte Schneedecke ziehend. Mit Entzücken
trinkt er die köstlich frische Winterluft; da
dehnt sich die Brust, und die Lungen, die sonst
nur die dumpfe Stadtluft atmen, weiten sich.
So geht es eine gute Weile dahin, bald bergauf,
bald wieder zu Tal; es ist ein prächtiges Ski-
gelände, denn ein Stückchen weiter, wo der
Wald aufhört, fehlen auch lange Abfahrten nicht.
Jetzt bleibt der Läufer stehen und lauscht:
aus der Tiefe dringt dumpfer, leise verhallender
Glockenton zu ihm herauf. Feierabend! Lfnd
morgen istSonntag, derTag, an dem derMensch
von der Woche harter Arbeit ausruhen soll.
Aber für den Städter ist so ein in der freien
Natur verbrachter Tag nichts anderes als ein
Gottesdienst. Hier draußen lernt er aufs neue
die Werke des Schöpfers ehren, und nicht nur
am Körper gestärkt und erfrischt kehrt er heim
an die Arbeit, wenn seine Zeit um ist.

Die letzten, zitternden Töne des Glöckleins
sind verklungen, und wieder ruht tiefe Stille
auf dem einsamen Walde. Für heute soll es genug sein, denkt der Skiläufer, denn
morgen ist auch noch ein Tag, ein Tag, der genutzt werden soll, und da heißt
es: früh aus den Federn! So lenkt er die Schritte denn heimwärts; der
Magen knurrt ihm, denn die kalte Winterluft und der flotte Lauf haben
ihn hungrig gemacht. Aber das Ziel ist nicht mehr fern, und wenn aucli
keine lukullischen Genüsse seiner warten, so doch ein herzhaftes Mahl, wie es
eine ländliche Küche eben darbietet. Und hinterher ein Glas Warmbier am
Ofen in froher Runde bei lustigem Geplauder. Ach es gibt noch allerlei
Freuden auf Erden, von denen so mancher nichts weiß, bescheidene Freuden
vielleicht, aber hinreichend doch, um den Genügsamen mit neuer Lebenslust
und frischem Arbeitsmut zu erfüllen! Eine halbe Stunde später steht er
vor dem Gasthofe, aus dessen geöffneter Tür ihm ein froher Willkomm ent-
gegenschallt. Schnell die Skier von den Füßen, den Schnee von den Stiefeln
gestampft, und dann hinein ins warme Zimmer. Und morgen nach tiefem, er-

quickendem Schlummer
aufs neue hinaus in
Gottes schöne Welt!

K. W. Ebote.

Skiläufer am Liechtenstein. f kot. I hihpp Spoirei.

Stimmungsbild aus dem Stadtparke zu Großenhain i. Sa.
Phot. Illustr.-Bureau M. Pordes, Berlin.
 
Annotationen