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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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2. Heft
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Staby, Ludwig: Eine seltene Waldschönheit: Jagdplauderei
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Morgenstern, Christian: In den Dünen
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Anwand, Oskar: Am Gletscher
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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0054

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26

MODERNE KUNST.

MODKRNE KUNST.

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Hjine selfene ^alclscfiönfieif.

Jagdplauderei von Dr. Ludwig Staby.

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it Fug uud Recht können vvir das kleinste und zierüchste
Vs unserer Waldhühner, das Haselhuhn, eine Schönheit
nennen, denn es gehört zu den buntesten und am prächtigsten
gefärbten Bewohnern unseres Waldes, ganz im Gegensatz zu
seinen größeren Vettern, dem Auer- und Birkhahn, die beide ein
einfarbiges, dunkles Kleid tragen. Es ist nun nicht leicht, das
bunte Farbengemisch des Gefieders richtig zu beschreiben, da es
bei den einzelneri Tieren noch mannigfach variiert. Hervorheben
wollen wir, daß der Hahn zum Unterschied von der Henne an
Kinn und Kehle einen tiefschwarzen Flecken mit weißer Ein-
fassüng trägt, während die Henne eine rostgelbe Kehle hat; bei
ihr ist auch nicht die Holle so ausgebildet, die dem braun-
schwarzen Köpfe des Hahnes zum Schmucke dient. Der rost-
farbige Hals ist ebenso wie die weiße Brust und die hellgraue
Unterseite mit mancherlei rötlichen und schwarzbraunen, wellen-
förmigen Flecken geziert, während die Oberseite roströtlich und
grau gebändert und meliert erscheint, und der runde Fächer-
schwanz eine schwarze Querbinde trägt. In der Tat also ein
Kleid, das an Buntheit nichts zu wiinschen übrig läßt, das aber
gerade deshalb außerordentlich praktisch für unsern Vogel ist,
demi es entzieht ihn auf dem meist mit diirrem Laub bedeckten
Waldboden vollständig den Späheraugen selbst eines scharf-
sichtigen Feindes. In unseren deutschen Wäldern ist das Hasel-
huhn ziemlich selten, Gebirgswaldungen mit Laubholz, vor allem
Buchenbestände, bilden seine bevorzugte Heimat. Es findet sich
in geringer Zahl in Thüringen und dem Harz, etwas häufiger
in Westfalen, im Schwarzwald, Spessart und den anschließenden
mitteldeutschen Gebirgen, häufiger in den bayrischen Bergen
und in den Alpen, am zahlreichsten in der grünen Steiermark,
wo es überall zu Hause ist. Aber sein Vorkonimen ist nicht
unbedingt ans Gebirge gebunden; auch die großen Waldungen
Ostpreußens, Ungarns und Rußlands beherbergen es in ziem-
licher Anzahl, und die großen Mengen Haselwild, die jährlich
auf den Berliner Markt kommen, stammen fast alle aus Skandi-
navien und Rußland.

Zum Unterschiede vom Auer- und Birkhahn, die eine Anzahl
Hennen um sich versammeln, lebt der Haselhahn in streng mono-
gamischer Ehe, er ist immer bei der Hcnne zu finden, die in
dichtem Gestrüpp ihr kunstloses Nest anlegt, das meist nur aus
einer flachen, mit etwas Moos oder Laub ausgekleideten Boden-
vertiefung besteht. Hier brütet sie im Mai ihr aus 8—15 rost-
braunen, punktierten und gefleckten Eiern bestehendes Gelege
aus. Die Jungen sind außerordentlich flink und behende und
schon nach 2—3 Wochen imstande, mit der Mutter zur Nacht-
ruhe aufzubaumen. Es gibt kein reizenderes Waldidyll, als eine
solche Familie, wenn die sorgsame Mutter, geschäftig umtrippelt
von der kleinen, piependen Schar, ihnen das Futter ausscharrt
und vorlegt und sie bei dem geringsten Anzeichen von Gefahr
schleunigst in Sicherheit bringt. Im Herbst, wenn die Jungen
erwachsen sind, lösen sich die Ketten auf, und nrerkwürdigerweise
sucht nun schon jeder Hahn sich seine Gefährtin, mit der er
von nun an treu zusammenbleibt. Im September sind die Paare
vereinigt, und jetzt beginnt, wieder im Gegensatz zu den anderen
Waldhühnern, die im Frühjahr auf der Balz erlegt werden, eine
der reizvollsten und schönsten Jagden auf das bunte Wild. Die
Hähne sind nämlich jetzt außerordentlich eifersüchtig aufeinander,
und dies benutzt der Jäger zum Locken der Haselhähne. Der

Hahn stößt nun einen zischenden, pfeifenden, etwas trillernd endenden Ruf aus, den
man das „Spißen" nennt, während die Henne einen leiseren Ruf hat, der das „Bißen“
heißt. Wenn man zur Balzzeit im April diesen Hennenruf nachahnrt, kann man auch
die anstehenden Hähne erlegen, aber schöner und reizvoller ist die Jagd im Herbsl
auf das „Spißen."

Mit einem kleinen, aus dem Knochen einer Gans gefertigten Pfeifchen, auf dem
wir genau das „Spißen" des Haselhahns erlernt haben, damit uns kein Mißton, der
die Jagd illusorisch macht, unteriäuft, begeben wir uns an einem schönen September-
nachmittag ins Revier. Der Wald hat gerade den Anfang gemacht zu seiner großen,
prächtigen Herbsttoilette, und wenn auch jetzt noch das Griin herrscht, so sind doch
schon hier und da bunte, gelbe und rote Töne in das Sommerkleid eingesprengt.
Langsam steigen wir zu einem Hang empor, auf dem mächtige Buchen kühlen
Schatten spenden. Wie silbergraue Säulen in einem Dom, so stehen die schlanken
Stämme unter dem hohen Blättergewölbe, runde Souneufiecken lassen auf dem Boden
Moos und diirres Laub wunderbar aufleuchten, und hier und da blitzt ein Wellchen

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M. J. Iwill: Am Lido von Venedig

Copyright 1910 by Braun, Clement & Cie., Dornach i. Els.

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In den Dünen.

Von Christian Morgenstern.

3/fVS

Weite, mövenüberkreiste Alte Dörfer in den Watten

Dünentäler, menschenlose; ln der Flut und unterm Sande . .

Rechts die See und ihr Getose, Sonnenleuchten, Wolkenschatten
Links das Haff, das sturmverwaiste. Ober einem Märchenlande .

Am Gletscher.

Von Oskar Anwand.

Urgestein und Gerölll
Starrend in Einsamkeit
Trotzt der zerklüftete Berg

Stumm die Moräne steigt
Zum Wolkennebel auf,
Und es zisdren der Bäche

Schnee und Regen und Sturm. Silberschlangen steilab zu Tal.


JJ

des kleinen Baches auf, der leise inurmelnd der Tiefe zustrebt.
Feieriiche Stiile herrscht im Waldesdom, und lautlos schreiten
wir iiber dcn griinen Moosteppich liin bis zu einer ims bekannten
Stclle, wo eine kleine I.iicke im Bestand der Sonne mehr Eintritt
gestattet. Hier haben wir Ausblick und freies Schußfeld, und
wir fassen daher an einer dicken Buche Posto, an deren Stamm
wir uns behaglich anlehnen, um wohl zehn Minuten lang die
träumende Ruhe dieses Nachmittags zu genießen. Dann ver-
gewissern wir uns, daß das Gewelir schnßfertig ist und ziehen
nun vorsichtig das Pfeifchen aus der Tasche, um im näclisten
Augenblick das laute, durchdringende „Spißen“ hören zu lassen.
Kaurn ist der Ton verhallt, wir haben noch nicht das Pfeifchen
aus dem Munde nehmen können; da hören wir halbünks vor uns
ein Brausen im Wald, und im nächsten Moment stürzt, wie eiri
Stein aus der Luft, ein Haselhahn in einer Entfernung von etwa
zwanzig Schritt so heftig zur Erde, daß das dürre Laub hoch
aufstiebt. Unbeweglich steht er jetzt und äugt scharf nach uns
hin, aber ar.ch wir sind zur Bildsäule erstarrt und bewegen
nicht einmal das Augenüd. Der Hahn verhofft lange, und ob-
wohl er uns nicht erkennen kann, scheint ihm die Sache da an
der Buche doch nicht ganz geheuer; er macht ein paar Schritte
zurück und sucht sich still wieder zu drücken, da reißen wir
das Gewehr hoch. Erschreckt stiebt der Hahn auf, aber es ist
zu spät für ihn; donnernd bricht der Schuß Ios, und der bunt-
beschwingte Vogel stürzt in das grüne Moos, noch ein-, zweitnal
mit den Flügeln schlagend. Freudig .erregt heben wir den kampf-
lustigen Burschen auf und betrachten ims sein herrliches Ge-
fieder, dann nehmen wir wieder an der Buche unsern Stand ein,
um nach einiger Zeit des Wartens das Locken zu wiederholen.
Aber nichts zeigt sich, und wir können daher sicher annehmen,
daß sich kein Hahn mehr in Hörweite befindet, denn die kleinen
Kerle sind so eifersiichtig, daß sie meistens sofort auf den Ruf
zustelien.

Wir versuchen nun an einer andern Stelle unser Fieil; sie
liegt zwar nicht so günstig, da der Boden mit Krons- und
Heidelbeersträuchern bedeckt ist, aber sie bietet doch ziemlich
weiten Umblick. Auf unser Spißen bleibt das charakteristische
Rauschen, das d.urch den Flügelschlag des heransausenden Hahnes
verursacht wird, aus; nichts regt sich und nochmals greifen
wir zum Pfeifchen. Wieder nichts; wir schicken uns an, den so
vielversprechenden Platz zu verlassen, da — eine kleine Bewegting
im Kraute dicht vor uns, einen Moment nur sehen wir Kop.f
und Riicken eines Haselhahns, der eiligst davonrennt, aber.auch
sofort in dem Beerengestrüpp verschwunden ist. Der alte Bursche
liat uns überlistet. Anstatt zu fliegen, ist er in schützender
Deckung bis dicht an uns herangelaufen, um sofort bei unserer
ersten Bewegung, die er eräugte, schleunigst wieder auszuriicken.
Deshalb ist es von Vorteil, wenn man sicli solche Plätze zum
Locken aussucht, die frei von Gestriipp sind, daniit man auch
den anlaufenden Hahn rechtzeitig zu Gesicht bekommt. F.s ist
auCh nicht ratsam, auf den anstreichenden Hahn zu schießen, da
der Flug ungemein schnell ist, und der Schuß daher leicht
vorbeigeht. Man soü also ruhig das Verhoffen des Hahnes ab-
warten. Dann muß man es sich zum feststehenden Gesetz
machen, auf den Hahn nie weiter als auf dreißig, höchstens
vierzig Schritt zu schießen; denn wenn der Hahn nicht im Feuer
bleibt, ist er fast immer für den Jäger verloren. Selbst der schwer
krank geschossene Hahn läuft eiügst davon und verkriecht sicn
mit dem letzten Rest seiner Kraft in dichtes Gestrüpp, wo ihn
der Jäger fast nie findet. Wird ein Hahn einmal vergrämt, so
kommt er niemals, weder streichend noch laufend, auf das I.ocken
zu, sondern er umkreist vorsichtig die verdächtige Stelle, und
es ist selir schwer, einen soichen gewitzten Geseilen zu erlangen.
Außer dem Locken der Hähne wird auch die Suchjagd auf Hasel-
wild ausgeiibt. Selbst Treibjagden werden abgehalten, aber sie haben lange nicht den Reiz’
des „Spißens“, wobei derjäger alie Vorsicht und Geschicküchkeit aufwenden muß, um
den schönenVogel zu überlisten. Die Suchjagd hat auch den Nachteii, daß man beim
Aufstehen des Wildes im Walde sehr selten die Hähne von den Hennen unterscheidfen
kann, und es werden daher viele Hennen eriegt, was für den Bestand des edlen
Wildes sehr nachteilig ist. Das Abschießen der Hähne schadet nicht, da gerade beim
Haselwild die Hähne in bedeutender Überzahl sind. Bei der Suche vor dem Hühner-
hunde stelien auch die Haselhühner meistens schon weit vor dem Hund auf und
baumen in den Kronen der dichtesten Bäume auf, in denen man sie nicht rnehr sieht.
Bei den Treibjagden hängt die Erlegung eines Haselhahns von zu viel Zufälügkeiten ab,
wenn der Hahn nicht gerade am Stand des Schützen vorbeistreicht, ist die Jagd ver-
gebens. Das Wildbret des Haselhuhns ist weiß, zart und wohlschmeckend, es zählt
zu dem besten aus der ganzen Reihe unseres Wildgeflügels. Aber auch wegen seiner
Schönheit sollte man dem Haselhuhn die weitmöglichste Schonung angedeihen lassen,
damit es noch lange unsern Wäidern als Zierde dienen kann.
 
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