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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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20. Heft
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Norddeutsche Kartoffelmehlfabrik mit beschränkter Haftung
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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0616

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Norddeutsche Kartoffelmehlfabrik mit beschränkter Haftung

Sitz der Verwaltung: Cüstrin = Neustadt.

Fabriken: Cüstrin — Neustadt u. Bentschen i. Posen.

ie Anfänge dieser Gesellschaft reichen bis an das Ende der zwanziger
■5B Jahre des vorigen Jahrhunderts zurück. — Um diese Zeit begann
Zj Friedrich Wahl in Neuwied die Fabrikation von Kartoffelmehl und
Sago in bescheidenem Umfange, anfangs mit Hand-, einige Jahre später mit
Göpel- und im Jahre 1844 mit Dampfbetrieb. Im Jahre 1855 übernahmen die
beiden Söhne von Friedrich Wahl, Carl und Rudolph Wahl, die Fabrik für eigene
Rechnung, nachdem sie schon zuvor einen tätigen Anteil an der schnellen Ent-
wicklung der väterlichen Firma genommen hatten. Unter ihrer Leitung nahm
die Firma Friedrich Wahl die Fabrikation von Traubenzucker auf, der unter dem
Namen „Neuwieder Sonne“ bald einen Weltruf erlangte.

Dies bewog die in dem gleichen Fabrikationszweig tätige Firma A. Remy &
Espenschied in Neuwied, Anschluß an das Wahl’sche Unternehmen zu suchen.
Die Verhandlungen führten im Jahre 1857 zu der Gründung der Aktiengesellschaft:
Badische Kartoffelmehlfabrik in Mannheim, deren Anteilhaber in der
Hauptsache die genannten beiden Brüder Wahl und die Firma A. Remy &
Espenschied waren.

Die Badische Kartoffelmehlfabrik errichtete im Gründungsjahre je eine größere
Kartoffelmehlfabrik in Mühlburg in Baden und in Gernsheim in Hessen, sowie

Gründen Mitte der neunziger Jahre bzw. zu Anfang dieses Jahrhunderts die
anderen Fabriken in Baden und Hessen.

Dagegen erwarb die Norddeutsche Kartoffelmehlfabrik im Jahre 1900 die
im Jahre 1888 errichtete und bisher unter der Firma: Stärkefabrik Bentschen,
Hardt & Tiedemann betriebene große S.tärke- und Syrupfabrik in Bentschen
in der Provinz Posen, die seitdem in Verbindung mit der Cüstriner Anlage
von der Norddeutschen unter eigener Firma betrieben wird. Im Jahre 1892
wurde die Aktiengesellschaft in eine G. m. b. H. umgewandelt, und die Nord-
deutsche firmiert seitdem: Norddeutsche Kartoffelmehl - Fabrik mit be-
schränkter Haftung in Cüstrin.

Der um die Entwicklung der Gesellschaft hochverdiente Kommerzienrat
Carl Wahl legte aus Gesundheitsrücksichten die Leitung im Jahre 1899 nieder
und starb im Jahre 1901. Im Jahre 1899 wurde sein Sohn Rudolf Wahl in
London und sein Neffe Rudolph Wahl junior in Köln (Sohn des anfangs erwähnten
Rudolph Wahl senior) zu Geschäftsführern und die langjährigen Beamten Eduard
Müller und David Cranz in Cüstrin zu Prokuristen bestellt. Rudolph Wahl junior
starb im Jahre 1901 und im Jahre 1902 wurden Müller und Cranz ebenfalls zu
Geschäftsführern ernannt. Im Jahre 1903 legte Rudolf Wahl in London und im

im Jahre 1867 eine dritte Fabrik bei Oppenheim am Rhein. Nachdem auch die
Fabrik Mühlburg im Jahre 1862 die Fabrikation von Traubenzucker aufgenommen
hatte, errichteten die drei Firmen: Friedrich Wahl, Neuwied, A. Remy & Espen-
schied, Neuwied, und Badische Kartoffelmehlfabrik in Mannheim eine Vertriebs-
gesellschaft für Traubenzucker unter der Firma: Remy & Wahl.

Im Jahre 1871 begann Carl Wahl den Bau einer großen Kartoffelmehl-,
Traubenzucker- und Syrupfabrik in Cüstrin an der Oder, und im gleichen Jahre
gründeten die beiden Brüder Carl und Rudolph Wahl im Verein mit Adolf Remy
eine Aktiengesellschaft: Norddeutsche Kartoffelmehlfabrik in Mannheim,
welche den Vertrieb der Cüstriner Produktion in Kartoffelmehl und Syrup
übernehmen sollte, während die Firma Remy & Wahl nach wie vor den
Vertrieb der Gesamtproduktion an Traubenzucker aller erwähnten Fabriken
beibehielt.

Die Cüstriner Anlage wurde im Oktober 1871 in Betrieb genommen. Erst im
Jahre 1881 wurde der Verwaltungssitz der Norddeutschen Kartoffelmehlfabrik von
Mannheim nach Cüstrin verlegt; die Gesellschaft firmierte nun: Norddeutsche
Kartoffelmehlfabrik in Cüstrin. Unter der zielbewußten und umsichtigen
Leitung von Carl Wahl nahm die Norddeutsche Kartoffelmehlfabrik in Cüstrin
einen glänzenden Aufschwung.

In den Jahren 1877/1878 wurde die Fabrikanlage auf das Dreifache der
bisherigen Leistungsfähigkeit vergrößert und im Jahre 1884 auf dem umfang-
reichen Fabrikgelände eine Dextrinfabrik errichtet.

Die Stammfabriken in Neuwied stellten mangels genügenden Rohmaterials
Mitte der achtziger Jahre den Betrieb ein; ihnen folgten hierin aus gleichen

Jahre 1904 Eduard Müller das Amt als Geschäftsführer nieder. Den derzeitigen
Vorstand der Gesellschaft bilden die Herren:

Fabrikdirektor David Cranz, Cüstrin-N. (eingetreten 1874)

Fabrikdirektor Karl Lanz, Cüstrin-N. (eingetreten 1910)

Stellvertr. Direktor Eugen Beierlein, Cüstrin-N. (eingetreten 1888).
Derzeitiger Vorsitzender des Beirats ist Herr Geheimer Justizrat Maximilian
Kempner, Berlin, und stellvertretender Vorsitzender Herr Carl Wahl in London
(Sohn des 1901 verstorbenen Kommerzienrats Carl Wahl).

In obiger Abbildung stellt der untere, größere Teil die Fabrikanlage der
Norddeutschen Kartoffelmehlfabrik in Cüstrin und der obere Teil diejenige in
Bentschen dar.

In Cüstrin werden hergestellt: Kartoffelstärke, Kartoffelmehl, Dextrin,
Traubenzucker, Stärkesyrup, Biercouleur und Trockenpülpe; in Bentschen: Kar-
toffelstärke, Kartoffelmehl, Stärkesyrup und Trockenpülpe.

Die Cüstriner Anlage ist die größte dieser Art in der ganzen Welt. Die
Fabrikate der Norddeutschen Kartoffelmehlfabrik werden nach den meisten
Kulturländern exportiert und haben dank ihrer unübertroffenen Qualität einen
Weltruf erlangt. In der Kampagne werden in beiden Fabriken zirka 1000 Arbeiter
beschäftigt, zirka 100 Kommissionäre sind für den Einkauf von Rohmaterial bzw.
den Vertrieb der Fabrikate tätig.

Die Firma beschäftigt ferner zirka 50 Beamte; unter diesen im eigenen Labora
torium 2 Chemiker und 2 Laboranten, welche ständig die Güte der Produktior,
zu kontrollieren haben. — Alle Angestellten erfreuen sich einer umfassenden
Wohlfahrtsfürsorge seitens der Firma.
 
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