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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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23. Heft
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Heilborn, Adolf: Alte Nester
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Morgenstern, Christian: Einsiedelwunsch
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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0708

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MODERNE KUNST.

291

liche Treiben des Flußlebens und die Geschäftigkeit des Seehafens zu einem
Ganzen von unvergleichlicher Schönheit vereint“. — Welche Worte erst wären
würdig, die Pracht der Marienburg zu schildern, die deutsche Alhambra, die
Perle aller mittelalterlichen Schloßbauten, das charakteristische Denkmal edler,
ernster Ritterlichkeit, wie sie Max von Schenkendorf genannt hat. Die Marien-
burg, die Hauptveste des deutschen Ritterordens, die um-ein Haar im Jahre 1801
zum Neubau eines Kriegsmagazins abgetragen worden wäre?! Und welche
lustigen Köstlichkeiten bergen sich nicht auch unter all der erhabenen Würde
dieser hohen Kunst? Da ist der herrliche Konventsremter, das unerreichte
Meisterwerk gotischer Baukunst, sein Spitzgewölbe ruht auf drei schlanken, rot-
schwarzen Granitsäulen; die Kopfgesimse dieser achteckigen Pfeiler aber zeigen
uns den Humor mittelalterlicher Bauherren: Spielleute und Tänzer, Maskierte mit
Narrenkappen und Eselsohren,

Adam hackend und Eva spinnend
an der Wiege Abels, hinter der
Kain steht . . .

Den Reiz der seltsam spitz-
giebligen alten Nester um den Harz
und an ihm völlig auszukosten, ist
vielleicht derWinterdie günstigste
Zeit. Wenn der weiche Watte-
schnee auf diesen Dächern ruht
oder zu Schollen geballt hinunter-
gleitet, zerflattert, zerstiebt, dann
erst begreift man, welch inneres
Behagen diese Holz- und Fach-
werkhäuschen mit ihren vielfach
übereinandergreifenden Stock-
werken erfüllen kann, wie hell es
darinnen sein muß, bei all den
vielen blanken Fenstern. Dann
erst begreift man das Zweck-
mäßige dieser sich förmlich inein-
anderschiebenden Gassen, die mit
ihren Winkelzügen auch den wil-
desten Wind ermüden. „Hier bin
ich nun wieder in Mauern und
Dächern des Alterthums versenkt.

Bey einem Wirthe der gar viel
väterlichs hat, es ist eine schöne
Phiiistrey im Hause, es wird einem
ganz wohl“, schreibt Goethe ein-
mal aus dem winterlichen Goslar
an Frau von Stein. Ich sah Goslar
so an einem Weihnachtstage. Zum
Markte zog es mich vorerst. Ein
stiller Hof, zur Linken Säulen-
gänge, verschneite, holzgeschnitzte
Giebelhäuschen drüben, ein Baum
inmitten und ein Bänkchen drum,
wie Puderzucker alles glitzernd.

Und um die Ecke bieg ich nun
zum Brunnen dort, zwei grüne
Becken voller Schnee, ein goldner
Adler, weiß gesprenkelt, spreizt
darüber seineFlügel. Die „Kaisers-
worth“ mit den „gebratenen
Universitätspedellen “ des allzu
despektierlichen Heinrich Heine,
die stolze Rathauslaube jetzt, die
Kirche und nundas„Brusttuch“mit
seinem Brockenteufelzeug, der „Butterhanne“ und dem Griechengötterspuk. Das
nahe Gildehaus der Bäcker schiebt sich in das Bild. Enge Gäßchen mit verträumten
Winkeln und schlafenden Gärtchen zwischen den Häusern, in sanftem Rund
schwingt sich die Silhouette eines fernen Berges gleichsam von Dach zu Dach . . .

Wie der Winter für die Harzstädte ist für die alten Nester der Mark wohl
der Frühling die Zeit köstlichsten Genusses. Dann grünt’s längs ihrer alten Wälle
von Buchen und Eschen, dann blüht’s darauf von Primeln und Veilchen, auf
diesen alten Wällen, die nun zu lustiger Promenade geworden und troffen doch
einst — ach wie oft! — vom roten Blute der Bürger und Ritter. Ich weiß mir
kaum auf Gottes weiter Welt lauschigere Winkel als die alten Wälle von Bernau
oder Neu-Ruppin zur Frühlingszeit. Und diese nun so friedlich dreinschauenden
Mauern mit Zinnen und Türmen, diese niederen Häuschen, eines wie das andere,
Kugelakazien davor und Blumen hinter den Fenstern, — vielleicht, daß sie
manchem nichts sagen, aber wer ihre Geschichte kennt, wer da weiß: hier gossen
sie siedend Pech auf die stürmenden Hussitenscharen hinab, und hier ist der
„alte Fritz“, damals freilich noch ein junger „Obristlieutenant Fritz“, mit den

Offizieren seines „Regiment Cron-
printz“ gar manchesmal gelust-
wandelt, dem erscheint ihr Antlitz
seltsamlich bedeutend. Der alte
Fritz, er hatte für die alten Nester
in der Mark was übrig. Als 1732
die Neu-Ruppiner ihre Wälle
zerstören wollten, da inhibierte
der Kronprinz „die Abtragung
und konservirte also die noch
übrigen, land- oder nordwärts vom
Rheinsbergischen bis zum Berliner
Thore gelegenen Wälle, so noch
stehen und mit alten Rüstern,
Eichen, Buchen, Haseln usw. be-
wachsen sind; auch ließ sie der
Kronprinz mit vielerlei Sorten
Bäumen bepflanzen und an ihrem
Ende mit einem schönen Garten
zieren, wodurch der Wall zum an-
genehmsten, beschatteten Spazier-
gang voll Nachtigallen geworden
ist“, berichtet uns der Dr. Bern-
hard Feldmann. Und ich denke
an den so stillen Friedhof des
Klosters Lindow mit seinen alten,
verschnörkelten Grabplatten, dar-
unter die „adligen Fräulein“ schla-
fen, noch im Tode streng auf
Rangordnung haltend. Und vom
Friedhof der Stiftsdamen, beinahe
alle märkischen Geschlechter sind
hier mit Namen vertreten, geht’s
dann hinab zumSee, an denRuinen
des einstigen Klosters vorbei,
längs der Gärtchen an der Stadt-
mauer, und das Schilf nickt rings
um den blauen See, und ein
Haubentaucher übt inmitten seine
seltsamen Tauchkunststücke. Und
ich denke an Gransee mit seinen
stolzen Toren und denke an die
Tage des falschen Waldemars.
Und Straußberg steht mir in der
Erinnerung mit seinen Mühlen im
Talgrund, und Perleberg mit sei-
nem steinernen Roland, und Bran-
denburg und Havelberg. „Ich bin
die Mark durchzogen“, bekennt
Fontane im Vorwort seiner „ Wanderungen“, „und habe sie reicher gefunden, als
ich zu hoffen gewagt hatte. Jeder Fußbreit Erde belebte sich und gab Gestalten
heraus. Ein Reichtum ist mir entgegengetreten, dem gegenüber ich das bestimmte
Gefühl habe, seiner niemals auch nur annähernd Ilerr werden zu können.“

C. Krafft: Am Andreasplatz in Hildesheim.

djine ffiütte und ein efiücü cWa[j
Öanz für micß affein, —

Qfnd icß gfaube, ich würde bafd
Qfnier den QKenfcßen vergeffen fein.
<Sine fHütte und ein cfiücfc cWafd
5anz für micß affein . . .

djinsiedelwansch.

‘Von Cfirvsiian IKorgenstern.

Gine fhüite und ein cJ'iücfc ffann
fJrgendwo am HJerg, —

Qfnd dann würde vieffeicßt, ja, dann,
5roß mir ßeben und cWerf.

Gine fHütte und ein Stücf cCann
fjrgendwo am JJerg . . .

——-

Gin cßtüdi ‘Bergwafdeinfamfeit
Qfnd eine fHütte darin . . .

H)a vergäß icß woßf bafd der Zeit
Qfber dem cfinfcen in meinen cfinn . .
Gin Stücfc ‘Bergwafdeinfamßeit

Qfnd cine fjfütte darin
 
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