Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

DOI Heft:
13. Heft
DOI Artikel:
Anwand, Oskar: Karl Hagemeister
DOI Artikel:
Bethge, Hans [Übers.]: Indische Sprüche
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0379

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
i66

MODERNE KUNST.

Karl Hagemeister: Motiv bei Werder.

Aus den Kunstausstellungen Ed. Schulte, Berlin und Düsseldorf.

Beide waren Freunde, haben in München, ferner einen be-
deutsamen Winter lang in Venedig und schließlich öfters in
Ferch am Schwielowsee bei Potsdam zusammen gelebt und
geschaffen. Dabei hat nicht allein Hagemeister von Schuch
gelegentliche Einwirkung erfahren, sondern diese ging auch
von ihm auf jenen zurück, wie ihm ja Schuch in seine
märkische Heimat gefolgt war. Besonders aber haben sie sich
in der Echtheit und Tiefe ihrer künstlerischen Auffassung
bestärkt, die der Mode keinerlei Tribut zahlte. Daher ihr Ver-
zichten auf denBildermarkt, daher auch ihr langsamesSichdurch-
setzen und die späte Anerkennung ihres Schaffens durch die
Offentlichkeit, die Karl Schuch, wohl dem besten Stilleben-
maler unserer Zeit, erst nach seinem Tode, Karl Hagemeister
an der Schwelle des Greisenalters zuteil geworden ist.

Der Lebensgang dieses Künstlers ist einfach genug. In
Werder an der Havel, wo Hagemeister geboren wurde, lebt
er noch heute. Man kennt diesen hiigeligen, naturschönen
Ort, von Seen umgeben, wohin an den Tagen der Baum-
bliite viele tausend Berliner wallfahrten. Hagemeisters Vater
war Obstziichter, so daß die Liebe zur Natur auf den Sohn
übergegangen zu sein scheint. Aber auch mit Malerei und
Zeichnung haben sich sowohl der Vater wie die Mutter des
Künstlers, wenn auch mehr in dilettantischer Weise, beschäftigt.

Zur Natur fühlte sich Hagemeister nicht nur als Maler, ebenso
sehr als Jäger und Fischer hingezogen.

Seine Neigung hätte ihn am liebsten zum Forstfach
geführt, doch ergriff er den Lehrerberuf. Erst nachdem er hier die Ermunterung zur
Malerei erfahren hatte, wurde er der Schüler Friedrich Prellers, dieses Vertreters
der klassischen Landschaftskunst, den er am höchsten schätzte. Seltsam, in welchem
Gegensatz heute die Kunst des gänzlich veralteten Preller und des erst soeben an-
erkannten Hagemeister stehen! Und doch hat schon jener ihn mit starkem Nachdruck
auf die Natur hingewiesen und zum Studium in Sommer und Winter bei Sonne und
trübem Wetter hinausgeschickt. Freilich waren damals für Hagemeister Form und
Linie noch die Hauptsache und die Malerei Nebensache, wie Gebirgslandschaften aus
jener Epoche beweisen. Dann lernte er die Kunst Rousseaus und Daubignys, seltsamer-
weise noch nicht Courbet kennen, an dessen Einfluß man glauben könnte. Es war
die Zeit, wo ihm auch Trübner und Schuch in München nahetraten, und er mit
diesem Freund einen Winter lang in Venedig arbeitete. Von gelegentlichen Reisen nach
Paris und Holland, zur Malerei von Delacroix, Courbet, Rembrandt und Frans Hals
ausgeschlossen, ist Karl Hagemeister seitdem in der heimatlichen Mark geblieben, der
seine Kunst fast ausnahmslos gilt.

Diese Natur kennt er wie kaum ein anderer. Der trübe, wolkenüberzogene
Himmel der Mark atmet in seiner Kunst seine ganze Feuchtigkeit; das Weben der
Atmosphäre kommt vortrefflich zum Ausdruck. Man beachte dies auf Hagemeisters
Herbstlandschaft mit dem binsenbewachsenen Stege, mit den Birken und dem Abglanz
des wolkigen Himmels auf detn moorartigen Weiher! Dabei scheint es, als ob im
Schoße der Erde bereits neue Frühlingskräfte unter dem dunklen Mantel des Herbst-
tages schliefen. Oder er gibt das Bild eines blühenden Apfelbaums gegen die hohe
grüne Wiese und den Himmel, der voll Frühlingsluft lebt. Besonders malt Hagemeister
Schilf, Gräser und Bäume meisterhaft. Wie ihm der Pinselstrich dazu dient, bald die

Form mit einem einzigen Ansatze zu modellieren, bald Farbe und Tonwerte zu halten,
ist bewundernswert. Hier steht man auf dem eigensten Gebiete seiner Kunst, welche
die Natur nicht mit gewandter Technik äußerlich beschreiben, sondern neu aus ihren
eignen Bedingungen heraus nachschaffen will.

Bei alledem hat Hagemeisters Stil allmählich mehr und mehr zur Größe gedrängt,
da die Natur in ihm allmächtig lebte. Kein Wunder also, daß er nach seinen eignen
Worten „die Unendlichkeit und Allgewalt des Meers, ein Stück Kosmos unter
kosmischen Bedingungen“ aufsuchte. „Um sie bewegt zu malen“, so äußert er sich,
„muß man vorher alles genau studieren, die Durchsichtigkeit der Stimmung, den
Rhythmus der Wellen; und wenn man alles erfaßt hat, muß man schnell, gefühls-
mäßig gestaltend, das Ganze hinschreiben.“ Er hat ganz recht, an die große Woge
Courbets zu denken, die aber doch noch erstarrt und gefroren wirkt. In Hagemeisters
Welien ist dagegen ein gewaltiges Donnern, Rollen, Brausen, da er die Seele des
Meers in ihrer Bewegung festgehalten hat. Dagegen vergreift sich der Künstler gelegent-
lich im Format seiner Bilder, wenn er einen zu kleinen, stillen idyllischen Natur-
ausschnitt zu groß wiedergibt.

Auch heute ist Hagemeister noch nicht am Ziel seiner Entwicklung angelangt.
Wie er selbst betont, will er in der „gestaltenden Malweise", die er riun gewonnen
hat, sich mehr und mehr „seelisch ausdrücken". Aber auch als Maler hat der emsig
fortschreitende Künstler sein letztes Wort noch nicht gesprochen. Nur ein Teil seiner
Bilder ist bisher nach Form und Farbe vollendet. Doch jetzt scheint er auf dem
Standpunkt angelangt, wo sich ihm die gesammelten Eindrücke gewaltig ins Kunstwerk
ergießen. Dafür spricht in der letzten Zeit auch die schnelle Art seines Schaffens.

Das Reproduktionsrecht der Bilder gehört der Firma D. Heinemann, München.

Indische Sprüche.

Deutsch von Hans Bethg-e.

ezvs

Der schlimmste aller Räusche ist der Rausch
Der Herrschsucht: wer in diesen Rausch verfiel,
Erwacht aus der Betäubung- eher nicht,

AIs bis sein Sturz dicht vor der Türe steht.

* *

*

So wie ein Ball, der geg-en eine Wand
Geschleudert wurde, abprallt von dem Stein :

So fällt das Böse, das du einem andern
Zufügen möchtest, auf dich selbst zurück.

* *

*

Die Erde ist nicht reich geschmückt mit solchen,
Die unfreundlicher Rede sich enthalten,

Die an dem eignen Weib Genüge finden
Und es vermeiden, andere zu tadeln.

* *

*

Nichts, was die Dichter nicht sehen,

Nichts, was die Krähen nicht fressen,

Nichts, was die Trinker nicht schwatzen,

Nichts, was die Weiber nicht tun.

* *

*

Rot g-eht die Sonne auf, rot g-eht sie unter.

Die Großen bleiben sich im Glück und Ungiück gleich.

K. Hagemeister: Gesträuch am Wasser.

Aus den Kunstausstellungen Ed. Schulte, Berlin und Düsseldorf.
 
Annotationen