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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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Buß, Georg: Zur Geschichte des Tanzes
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MODERNE KUNST.

Tanzmeister, hatte im Verein mit einer Schar auser-
lesener Balletteusen der Großen Oper eine Zeitlang
nichts weiteres zu tun, als der tanzwütigen Jugend der
Aristokratie die Polka einzustudieren. So war der zehn
Jahre vorher von einem Bauernmädel im böhmischen
Elbtainitz erfundene Tanz, den man wegen seines Halb-
schritts nach dem tschechischen „pulka“ —• klein —
„Polka“ getauft hatte, geradezu vornehm und salonfähig
geworden. Unzufrieden war nur die Prinzessin de Ligne,
geborene Prinzessin Lubomirka: sie protestierte, daß
dieser Tanz wegen seines Namens von Unkundigen für
ein Erzeugnis des edlen Polenlandes gehalten werde —
der Polentanz sei die Mazurka. Schließlich hat zum
Leidwesen der stolzen Polin die altpolnische Mazurka
mit der Parvenu-Polka ein Bündnis unter der Firma
„Polka-Mazurka“ geschlossen. Freilich, auch dieser

feschenkKaiserWilhelms andenSchweizer
Bundesrat. Die Standuhr aus der Königlichen
Porzellan-Manufaktur zu Charlottenburg ist eine Meister-
leistung keramischer Kunst. Nur in drei Exemplaren,
deren jedes einen Wert von 12 000 Mark darstellt, ist
sie verfertigt worden, und zwar nach einem vom Bild-
hauer Prof. Schley gearbeiteten Modell. Sie besteht ganz
aus Porzellan und besitzt bei einer mittleren Breite von
85 cm eine Iföhe von 2,76 m. Die Grazie der Putten und
die Formenschönheit der idealen Gestalt der Zeit,
mit denen sie geschmückt ist, verbinden sich mit der
reichen Rokokoornamentik, der Vergoldung, der Malerei
und dem Schmucke des Zifferblatts, bei dem Goldbronze
und tiefblaues Email Verwendung gefunden haben,
zu einer Gesamtwirkung von feinster Harmonie. Der
Rokokostil ist der echte und rechte Porzellanstil. Aus
diesem Grunde wird ihm bei solchen Kunstwerken gern
der Vorzug gegeben. Wenn die Porzellanmasse beim
Brand im Ofen erheblich schwindet und sich die Formen
verschieben, so macht das bei Figuren und Gefäßen im
Rokokostil, dessen Wesen das Ungezwungene ist,
wenig aus. Die Herstellung der Figuren und Nippes ist
nicht leicht. Der Künstler fertigt in Ton das Modelk
Von diesem wird die Gipsform genommen. Aus der
Gipsform wird die Figur in Porzellanmasse abgedrückt,
und dieser Abdruck an der Luft getrocknet. Getrocknet
und in die zweite Etage des Brennofens zum sogenannten
„Verglühen“ gebracht, kommt die Figur in den Glasur-
brei. Wiederum wird die Figur getrocknet, bis die
Feuchtigkeit aus dem Glasurbrei entwichen ist, und dieser
wie eine trockne Kreideschicht den Körper umhülit.
Eingeschlossen in eine Kapsel von Chamottemasse, wan-
dert die Figur dann wieder in den Porzellanofen, um
dort dem Vorfeuer und dem sogenannten Gut- oder
Scharffeuer, das bis auf 1400 Grad Celsius steigt, unter-
worfen zu werden. Der Brand ist zu Ende, langsame
Abkühlung tritt ein, die Kapsel wird dem Ofen ent-
nommen, geöffnet, und den Blicken bietet sich in einer
Hülle, die wie glänzendes Perlmutter schimmert, die
Figur dar — der Glasurbrei ist wie Glas geschmolzen.
Aber aus der Figur ist ein Figürchen geworden, denn
infolge des Brandes hat sich die Masse bis auf ein
Sechstel oder gar ein Viertel des ursprünglichen Umfangs
zusammengezogen. Und nun beginnen der Maler und
der Vergolder ihr Werk, indem sie auf der Glasur des
kleinen Dinges Farben und Gold auftragen, die alsdann
im Muffelofen wieder eingebrannt werden, so daß
sie unverwüstlich und unvergänglich bleiben. Jetzt
erst ist das kleine, kostbare Kunstwerk vollendet.

* *

*

Zur Eröffnung des Deutschen Schauspiel-
hauses. Die ernste Bühne in Berlin hat gegen Ver-
gnügungen geringerer Art, wie sie die heutige Operette,
das Varietd und der Kinematograph bieten, schwer
zu kämpfen. Ihre Stellung ist alles andere als ge-
sichert und beneidenswert. Freilich fehlen auch die
Bühnenleiter, die Vorkämpfer für die moderne Lite-
ratur wären, oder ihre Zahl ist verschwindend klein.

btanduhr aus Porzellan. ;

Geschenk Kaiser Wilhelms an den Schweizer Bundesrat.

Alliancetanz ist bereits stark in den Hintergrund ge-
drängt worden.

Als Finale taucht der amüsante Kotillon mit seinen
Überraschungen auf. Er ist Pflichttanz. Daher ist Pflicht
eines jeden, ihn aus dem Fundament zu kennen, und
Pflicht, ihn immer überraschender zu gestalten. Wo
die Phantasie waltet, wird der Kotillon den Ball mit
prasselndem Raketenfeuer beenden.

Der Kunsttanz ist in einer Wandlung begriffen.
Werden seine Aspirationen sich auch im Gesellschafts-
tanze geltend machen? Die Zukunft wird es lehren.
Einstweilen verdienen unsere Tänze vor denen orien-
talischer und asiatischer Völker, selbst vor dem Biegen
und Neigen der japanischen Geishas, noch immer den
Vorzug. Und sehr wahrscheinlich wird ihnen dieser
Vorzug für immer bleiben.

Der charaktervollste und gediegenste unserer Theater-
direktoren, Otto Brahm, hat die Berliner Verhältnisse
gründlich satt, und es heißt bereits, daß er als Nach-
folger des Freiherrn von Berger an die Wiener Hofburg
gehen werde. Max Reinhardt fährt bekanntlich seinen
Thespiskarren nach allen Städten Europas, wo ein
Riesensaal ihm Gelegenheit zur Massenentfaltung gibt.
Darunter leiden seine Berliner Bühnen, und seine Ver-
dienste um moderne Literatur werden immer geringer.
Wieviele Wertlosigkeiten sind hier bereits zur Dar-
stellung gelangt, hat doch erst neulich Max Reinhardt
wieder mit der Aufführung von Carl Sternheims „Don
Juan“, die einen Theaterskandal zur Folge hatte, eine
völlige Niete gezogen. Was die Sozietätsbühne, die
einige Schauspieler des Lessingtheaters und anderer
Berliner Bühnen ins Leben rufen wollen, leisten wird,
muß man erst abwarten. Und Rudolf Lothar, der Herr des
bisherigen Neuen Operettentheaters, das jetzt den Namen
Komödienhaus führt, verspricht den Besuchern seiner
Nachmittagsvorstellungen zwar Gratistee und Moden-
schau an lebenden Modellen, ob aber aus diesem Geist
auch die Pflege guter Literatur und Schauspielkunst
hervorgehen wird, steht nicht von vornherein fest.
Jedenfalls hat diese geringe Sicherheit und der nicht
immer sehr solide Betrieb des Berliner Theaterlebens
das eine Gute zur Folge gehabt: die Emanzipation der
Provinzbühnen von der Herrschaft Berlins. Schon längst
ist die Reichshauptstadt nicht mehr die Zentrale für
alle Schauspielneuheiten, sondern hat in Dresden, Stutt-
gart, Köln, Leipzig und Hannover Konkurrenten erhalten,
denen sich kleinere Bühnen voller Ehrgeiz anschließen.
Im Sommer wieder sorgen zahlreiche Naturtheater dafür,
daß das Theaterleben der Provinz erstarkt.

Zweifellos muß man das Auftauchen jeder neuen
Berliner Bühne, die sich die Pflege guter, ernster, dra-
matischer Kunst zur Aufgabe macht, mit Interesse be-
grüßen. Diesem Ziele strebt aber sicherlich Adolf Lantz
zu, der das Haus der bisherigen „Komischen Oper“,
Ecke Weidendamm und Friedrichstraße, in ein „Deutsches
Schauspielhaus“ verwandelt hat. Schon die Eröffnungs-
vorstellung gab von dem kühnen Streben dieses jungen
Theaterleiters eine Probe; freilich zeigte sie auch, daß
noch viel ruhige Arbeit geleistet werden inuß, ehe ein
Werk wie „Egmont“ in vollendeter Weise heraus-
gebracht werden kann. Denn dieses von Jugendschönheit
und Jugendlust erfüllte Drama, in dem Goethe selbst
die Tragödie dämonischer Lebensfreude, wie im
Werther den Ausdruck dämonischen Lebensschmerzes
sah, war zur Eröffnungsvorstellung bestimmt. Den
Grafen Egmont gab Friedrich Kayßler in ausgezeich-
neter Maske und mit einer Sprechkunst, die diesen
Schauspieler in so seltener Weise auszeichnet. Freilich
entspricht das heitere, sonnige Wesen Egmonts nicht
dem grüblerischen Zuge Kayßlers. Aber er hat
seiner Rolle als Künstler abgerungen, was ihm mög-
lich war. Nicht auf gleicher Höhe stand Fräulein
Somary als Kätchen, da ihr die Innigkeit und Kraft
der Leidenschaft fehlte, die dieses Bürgerkind aus-
 
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