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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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12. Heft
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Trinius, August: Vom alten "Wartburg-Restaurant"
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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0358

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MODERNE KUNST.

den Herren „Hoteliers“ und Zirkusdirektoren mit Füßen getreten zu werden.
Bedauernswert bleibt es ja immer, daß das äußere Bild dieser waldumrauschten
Landgrafenveste, wo einst die Harfen der Minnesänger tönten, eine heilige Eli-
sabeth wandelte, Luther seinem Volke die Bibel zurückschenkte . . . durch einen
Wirtschaftsbau beeinträchtigt wurde, der in dem letzten Jahrzehnte sogar recht
bedenklich das Landschaftsbild störte. — Der von Bodo Ebhardt nun geplante

Geiste an sich vorüberziehen zu lassen, wie man so gern persönliche Fest-
tage droben ausklingen ließ, sich des erwachten Laubwaldes, der flimmernden
Winterpracht mondscheinheller Nächte erfreute: so ist in den Jahrzehnten seit
der Wiedererbauung der Veste Millionen die nun entschwundene Burgwirtschaft
ein Wallfahrtsort gewesen, von dem aus noch mehr Millionen Postkarten in
die weite Welt flatterten, wo man Sonnenaufgänge und -untergänge gefühlvoll
genoß, wo Verlobte und Neuvermählte mit stillem Händedruck
sich Treue bis in „alle Ewigkeit“ seufzend schworen, wo Freunde
der Jugend aus Schul- und Studienzeit sich mit ergrauenden
Haaren trafen, beiter-wehmütig verflossener Jugendzeit zu ge-
denken, den Vorangegangenen ein stilles Glas zu weihen.

Wie schön war doch immer der Aufstieg durch die Gassen
der volksbelebten Luther- und Bachstadt, den steilen Schloß-
berg hinan oder an Fritz Reuters hellem Hause vorüber die
breite Waldstraße!

Da rauschte der Wald Tausende von Märchen ins Ohr, da
sangen die Vögel und aus der Tiefe hallte mählich verschwim-
mend das Getöse der internationalen F'remdenstadt. Im Sonnen-
glaste träumte drüben der scharfkantige, gelb leuchtende Hörsel-
berg von fernen Tagen: Bismarck- und Burschenschaftsdenkmal
weckten Erinnerungen an Deutschlands Zerrissenheit und erkämpfte
Macht. Und dann hielt man froh aufatmend vor der Burg des Lichtes.

Und wer früher aufbrach, der warf sich aufjauchzend in die
grüne Waldwildnis, in das Felsengewirr, wo einst Woifram von
Eschenbach die Harfe rührte, Tannhäuser aus Rom heimkehrte.
Dann weiter, weiter die griine Wildbahn, bis auf der „Hohen Sonne“
noch einmal die Landgrafenveste uns wie ein Traumbild grüßte.

Die aber mit der Zeit nicht zu geizen brauchten, die harrten
aus auf der Burgwirtschaft, bis über den Zinnen der Mond sacht
emporstieg. Im weichen Anhauch der atmenden Wälder saß man

Die Wartburg. Leipziger Pressebureau,

® Leipzig-bchleussig.

Neubau wird sogar weit größeren Umfang zeigen, doch wird er
durch Felssprengungen ein gut Stück tiefer zu liegen kommen,
so daß die Gefalir ausgeschlossen erscheint, unsere Wartburg
könnte erdrückt werden. Künstlerisch wie rein praktisch wird
der Neubau eine Sehenswiirdigkeit später bilden. Aus einem
Gusse wird er sich uns vorstellen, nicht mehr die Flickarbeit des
nun entschwundenen Baues zeigen.

Weite Trinkräume, ein herrlicher Festsaal wird dann die Gäste
empfangen, und was früher zum Raten und Taten aus Deutsch-
lands Gauen in Vereinen und Versammlungen unten in Eisenach
zusammenströmte, am Fuße der Wartburg das Werk segnen zu
lassen, das kann fortan hinanwallen, dicht nachbarlich der Land-
grafenveste Entschlüsse zu fassen, zu bechern und zu feiern.

In ein idealeres Licht werden dann all die Kongresse ge- •
rückt sein und jeder Aufblick aus den Fenstern des Festsaalcs
zu den ehrwürdigen Mauern der Burg, zu dem umgrünten Fels-
gestein, den leis wogenden Wipfeln des von Vogellärm durch-
hallten \\ äldermeeres wird den Seelen Schwung leihen, iiber den
Alltag sie heben.

Die alte Wartburgwirtschaft ist für immer von der Bildfläche
verschwunden.

Das neue Jahr sah nur noch eine Trümmerstätte. Aber für
Millionen wird sie jedoch eine fest im Erinnern wurzelnde Lieb-
lingsstätte bleiben.

Wie es die Alt-Eisenacher jeden Nachmittag hinaufzog, droben ihr „Depu-
tatchen“ zu trinken und beim blauen Rauch der Zigarren der Welt Fländel im

Das alte Wartburgrestaurant. Leipziger Pressebureau, Leipzig-Schleussig.

am Mauerrande des Hofes und ließ die Seele Zwiesprach halten mit dem Zauber
einziger Wartburgpoesie aus verklungenen und gegenwärtigen Tagen. A. Trinius.

ro


•iilmzauber“ heißt die Posse, die im Berliner Theater seit Mitte Oktober all-
abendlich volle Häuser macht und von dem einen Direktor dieser Bühne,
Rudolf Bernauer, und seinern ständigen dramatischen Helfershelfer, Rudolf
Schanzer, stammt. Sie hat bisher einen derartigen Kassenerfolg gehabt, daß,
wie die Theaterkundigen versichern, das Berliner Theater das einzige ist, das
—- natürlich neben dem Metropoltheater — keine finanziellen Sorgen in diesen trüben
Theaterzeiten kennt. Daß diese trüben Theaterzeiten in allererster Linie durch
den Wettbewerb des Kinos verschuldet werden, ist eine Klage, die alle Theater-
direktoren unisono singen. Dem halben Direktor des Berliner Theaters, eben
Ilerrn Bernauer, ist nachzurühmen, daß er sich nicht darauf beschränkt, diese
Klage resigniert mitzusummen, sondern es mutig gewagt hat, im Bündnis mit
seinem kompagnon den feindlichen Stier kräftig an den Hörnern zu packen. Sie
habcn ganz einfach eine kleine, unschuldige Kuppelei begangen, d. h. sie haben
eine Ehe zwischen Theater und Kino gestiftet. Und zwar nicht etwa eine so
platonische wie der verfiossene Direktor Halm im Neuen Schauspielhause, dcr

dort einmal sein sinkcndes Giück durch ein Stück mit dem verführerischen Titel
„Eine Million“ zu retten versuchte, das zur Ilälfte aus plastischen Bühnenvor-
gängen, zur Hälfte aus Filmvorführungen bestand. Sondern sie haben eine weit
innigere Harmonie erzielt, indem sie sich einerseits über das Kino lustig rnachen
und anderseits seine Technik dennoch verwerten. Es entbehrt dabei nicht des
ironischen Beigeschmacks, daß der Haupttrick, die Wiedergabe einer Kinoauf-
nahme in freier Gegend, „Napoleon und die Müllerstochter“, allabendlich durch
einen weit stärkeren Beifall ausgezeichnet wird als die eigentlichen schauspiele-
rischen Leistungen und selbst die Couplets und Tanzeinlagen, mit denen die
Verfasser wahrhaftig nicht sparsam umgegangen sind. Wenn man ihnen indes
ganz gerecht werden will, so muß man zugestehen, daß sie, soweit es ihnen
um die Skizzierung einer Ilandlung zu tun war, nicht ungeschickt an die
Tradition der alten Berliner Lokalposse angeknüpft und auch einige Nestroj'-
Töne ganz hübsch in das Ganze verwoben haben. Zu besonderem Danke
aber sind sie ihren Darstellern verpflichtet, von denen Ilerr Sabo mit seir.ei'
 
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