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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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17. Heft
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Napoleons Hoffnungen und Träume
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JJapoIeons J{offnungcn tmd ^Jräumo.

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‘enn man in den Memöiren des Welteroberers blättert, will es zuweilen
scheitjen, als hätte die unerhörte Schnelligkeit, mit welcher der Aufstieg in
schwindelnde llöhen erfolgte, seinen Blick für die Wirklichkeit getrübt. Wie die
Träume eines Fieberkranken muten uns heute wohl die Kombinationen an, die
sein rastlos tätiger Geist wieder und wieder gebar. Seine erstaunlichen Taten als
Feldherr und Staatsmann setz.ten die Zeitgenossen in starre Bewunderung und
erschienen ihneri überwältigend; alle seine Pläne und Ziele aber trugen etwas
Gigantisches, etwas Übermenschliches.

Wenn seine Politik auf dem Spiele stand, kann'.e er keinerlei Hemmungen.
Ist schon seine Willenskraft imposant, weit imposanter ist seine fast zügellose
Phantasie, die ihn in Augenblicken angespanntester Tätigkeit gleichsam ins Traum-
land entführte. Dann verlor sich sein Gedankenflug ins Romantische, ins Un-
geheuerläche, das dem Wahnsinn verwandt ist. Bald nach dem 18. Fructidor (am
4. September 1797) sagte Bonaparte
gelegentlich einer Unterhaltung zu
Bourienne im Parke von Passeriano:

„.Europa ist einem Maulwurfs- ‘

hügel zu vergleichen, niemals hat
es große Kaiserreiche und gewaltige
Revolutionen gesehen, wie etwa der
Orient, wo sechshundert Millionen
Menschen wohnen ..."

Ein Jahr später, am Vorabeml
des letzten Sturmes auf Saint-Jean-
d’Acre umgaukeln ihn neue Bilder:

. . . Wenn ich Glück habe, werde
ich in der Stadt des Paschas Schätze
und Munition für 3Ö0 000 Mann vor-
finden. Ich bewaffne ganz Syrien,
marschiere auf Damaskus und Aleppo,
beim Vordringen verstärke ich meine
Armeen, und alle Unzufriedenen
werden sich um mich scharen. Dem
Volke verspreche ich die Abschaffung
derSklaverei und Tvrannennerrschaft.

Mit gewaltigen Heeren ziehe ich in
Konstäritihopel ein und vernic.hte die
Türkei; im Orient gri'mde ich ein neues
großes Reich, das meinen Namen für
alle Zeiten unsterblich macht, danu
werde ich vielleicht über Adrianopel
und Wien nachParis heimkehren, riach-
dem ich vorher Oesterreich über-
wunden habe. . . .“ Die Gedanken
des Ivonsuls und Kaisers eiien gern in
jene glückliche Fpoche zurück, da er
noch „frei von allen Fesseln lästiger
Rücksichten“ nach eignen Wünschen

und Belieben kombinieren kann: „.Ich schuf eine neue Religion, ich

sah micli auf dem Wege nach Asien, auf einem Elefanten reitend, den
Turban auf dem Haupte und in der Iland einen neuen, von mir selbst
geschriebenen Alkoran“.

Wenn Napoleon mit seinen Plänen auf europäischem Boden blieb,
dann trachtete er danach, das Reich Karls des Großen wie'der aufzurichten:
.... F'rankreich wird das Mutterland alier andern Staaten, ich will, daß
jeder europarsche Souverän in Paris einen eignen Palast baue. Zur feierlichen
Krönung des Kaiser.s der Franzosen werden sie dann alle nach Paris kommen,
um es mit ihrer Gegenwart zu ehren urid mit ihren Iluldigungen die erhabene
Zeremonie zu verherrlichen, der auch der Papst beiwohnen wird. Er müßte
überhaupt in Paris residieren. Wo auch wäre der heilige Stuhl besser unter-
gebracht als in der neuen Ilauptstadt der Christenheit, unter dem Szepter

Napoleons, des Erben Karls desGroßen
und des Stellvertreters des Papstes?
MitHilfe der weltlichen wird der Kaiser
die geistige Herrschaft aufrecht.er-
halten, und durch den Papst wird er
die Gewissen lenken.“ So schreibt der
Kaiser in seinen Memoiren.



Im Jahre 1811 sagt er in einem
Augenblicke höchster Begeisterung zu
de Pradt, der in seinem Auftrage zu
Savona mit dem Papste unterhandelte:
„. . . In fünf Jahren werde ich Herr
derWelt sein, nur Rußland bleibt mir
noch, aber auch das werde ich be-

zwingen.Paris wird sich dann

bis nach Saint Cloud erstrecken.“

Um jeden P'reis wollte Napoleon
aus Paris die Ilauptstadt Europas
machen, das war einer seiner Lieb-
lingsträume. Manchmal, so sagte er,
wünschte ich, daß es eine Stadt vou
zwei, drei oder vier Miliionen Ein-
wohnern würde, eine märchenhafte
Stadt von urigeheurer Ausdehnung,
eine Stadt, wie man sie in unseren
Tagen nicht kerint,

Nie hat der mächtigc Korse an
seiner Kraft gezweifelt, auch nicht
in den Tagen tiefster Erniedrigung:

„.Mit einem Ilebel wollte Archi-

medes die Welt aus den Angein heben,
ich hätte sie von Grund aus verändert,
wenn man jnich nicht meiner Eriergie,
meiner Ausdauer und meiner Mittel
beraubt hätte.“ P. C.

Zick;-

2ack;.

Die deutsche Botsehaft in St. Petersbnrg: Königin Luise Zimmcr.
Phot. Ernsf Wasinuth A. G., P>erlin.

Kletterfähigkeit ererbt haben, ebenso

nüssen die Vögel das
~<2*\£>. Sin'gen erlernen? -iWie
die Vogel von ihren Eltern die Farbe
des Gefieders, die Flug-, L'auf- oder
werden sie auch wohl die Kunst des Singens mit der Geburt erhalten haben,
sollte man annehmen, und zweifellos tr.ifft diese Annahme auch in vielen
Fällen zu, wie zahlreiche Beobachtungen ergeben haben. Rotkehlchen un.d
Drosseln, die in der Gefangenschaft groß.gezogen wurden und niemals den
Gesang ihrer Eltern gehört hatten, sangen im nächsten Jahre trotzdem die
Weisen ihrer Vorfahren, bei ihnen wär also eine Vererbung der Gesangskunst
zu konstatjeren. Dies ist aber durchaus nicht bei allen Singvögeln der Fall, sie
erben zwar alie die Fähigkeit zum Singen, aber nicht den Gesang selbst; den
erlernen sie erst durch Unterricht oder dureh Nachahmen der Lieder ihrer
Eltern und Artgenosseu. Nach dieser Richtung hin sind interessante Versuche
angestellt worden. Ein englischer Naturforscher beobachtete, wie ein junger
Goldammer von seinem Vater im Gesang unterrichtet wurde. Er unterschied
den kiaren vollkommenen Gesang der alten Goldammer von den stümperhaften
Versuchen des jungen Vogels, die damit abwechselten. Der alte und der junge
Vogel sangen nacheinander je einmal eine volle Strophe ihres Gesangs, nämlich
eine Reihe von schlagenden Tönen in gleicher Ilöhe, denen ein einzelner, eine
Oktave liölier liegender Ton folgte. Die junge Goldammer brachte jedoch das
Lied nicht richtig zustande, sondern sang die Reihe der Schlagtöne zuerst

geläufig, dann zögernder und brachte
den Oktavensprung überhaupt nicht
fertig. Ein anderer Zoologe brachte
ganz junge Hänflinge in ei’nem Käfige mit I-erch.cn z.usammen und zog sie auf;
die höchst interessante F'olge war, daß die Hänflinge nicht die I.ieder ihrer
Artgenossen, sondern diejenigen der Lerchen iernten und nach Lerchenart
sangen. Wir können zuweilen draußen in Wald und Feld beobachten, daß
einige Vögel die Töne anderer Arten ganz genau erlernt häben; sie werden
wegen dieser auffälligen Eigenschaft „Spottvögel“ genannt. In unserer Fauna
hat der Eichelhäher am voilendetsten diese Kunst eriernt. Er singt zuweilen
wie eine Drossel, schreit wie ein Rabe, kräht wie ein Ilahn, niiaut ünd faucht
wie eine Katze, ja, er bringt genau dieselben Tüne hervor, wie eine rostige
Tür, die sich kreischend in ihren Angeln dreht, und die er auf dem Bauern-
gehöft in seinem Wohnbezirke gehört hat. Von wenigen Ausnahmen ab-
gesehen, müssen also die meisteri Vög^l den Gesang ihrer Eltern erlernen, sie
sind nicht gleich Meister im Gesange, sondern zunächst nur stümperhafte und
zagliafte Anfänger, deren Kunst mit der Übung von 'Fag zu Täg besser wird.
Daher kotnmt es auch, daß die Nachtigallen am besten dort schlagen, wo
mehrere zilsammen zu liören sind, sie lernen eine von der andern; die aber,
die gariz allcin ein größeres Gebiet bewohnen, sind in der Regel nur mittel-
mäßige Sänger. Das aite Sprichwort hat also reclit: „Vv'ie die Alten s.ungen,
so zwitscherri auch die Jungen“ Dr. S/aiy.

XXVII. 17. Z.-Z.
 
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