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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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25. Heft
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Vely, E.: Bei den Pyramiden von Gizeh
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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0770

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MODERNE KUNST.

326

den f yramiden

Von E. Vely.

von Gizefi.

_ -- [Nachdruck verboten.]

1 1 > er dem grauweißen Häusergewirr Kairos, das nur Farbe er-
hält durch die Zypressen und Palmen, die sich dazwischen-
schieben, die hochragenden Mauern der Zitadelle mit der Alabaster-
moschee, deren schlanke Minaretts in den Himmel weisen. Links
und rechts unbewohnte Paläste in weit sich dehnenden Gärten.

Der Brauch will, daß jeder Palast, in dem ein Herrscher starb,
unbewohnt bleibt, daß keine ausbessernde Hand angelegt wird.

So stehen sie zahllos da, dem Verfall entgegenbröckelnd, die
Prachtbauten der Khediven, und spiegeln sich im grünlich schim-
mernden Nilwasser mit den zierlichen Balkonen und Kuppeln und
maurischen Bögen.

Auf dem Fluß die Nifschiffe, Dahabljen, zierlich und schmal,
langsam gleitend, viele kleine Barken mit den seltsam schräg-
gestellten Segeln, und ein Dampfer, der dem Hafen zufährt.

Auf der Bulakbrücke wogt und schreit es. Menschen von
allen Farben: schwarze, braune, gelbe, weiße Gesichter, in den
buntesten Trachten, befezt, beturbant, mit dem Zylinder und dem
Reisehut, in eleganter europäischer Gewandung und in Lumpen,
von deren Möglichkeit man im Abendlande keine Ahnung hat.

Lange Züge von Kamelen, sie schreiten imrner mürrisch und schwan-
kend einher, diese Wüstenschiffe, mögen sie Reiter tragen, hochbepackt sein
mit Grünfutter, mit Holz und Feldfrüchten und mit Körben. Munter zockeln
die Esel vorüber in ihrem kurzen Trab, meist nur als Reittiere dienend, be-
gleitet vom Eseljungen, dem Hamar. Der läuft wie sie, in seinem blauen oder
grünen Kittei, die Arme ein wenig in die Seite gestemmt, mit keuchendem Atem.
Von Zeit zu Zeit drängt es ihn, Fremden gegenüber, seinem Esel eine Lieb-
kosung angedeihen zu lassen: „Good Isel! Bismark-Isel! Telephon-Isel! Mussiou!
Frau! serr gutt! Deitsch Esel!“ bis er schlau und intelligent die Nationalität des-
jenigen herausgefunden hat, der seine Dienste beansprucht.

Ein eleganter Wagen, prachtvolle Pferde. Insassen in europäischer Tracht

Paul Halke: Ein Sonntag im Zoo: Himmlische nnd irdische Freuden.

— wohl aus reichem griechischen Handelshause. Auf dem Bocke sitzt der Sais,
der Vorläufer mit einem langen Bambuss.tabe. Im engen Straßengewirr macht
er damit seiner Herrschaft Platz. Ein Syrier ist’s dem Typus nach, ein hübscher
Bursche, den das weiße Wollgewand mit der goldgestickten Jacke ünd der Fez
gut kleiden.

Weiber in Gruppen, ein schwarzer WollüberWurf hülit die ganze Gestalt
ein. Ein Metallzylinder liegt auf der Nase urid hält den undurchsichtigen Schleier
fest, der den unteren Teil des Gesichts bedeckt. LTnförmigen Massen gleichen
sie so alle, mag auch das Gewand von schwarzer Seide sein, wie bei der vor-
nehmeren Frau. Beduinen, Softas, Gelehrte gehen vorüber; Bettler, Kinder, deren
Gesichter schwarz sind von Fliegen, hocken am Geländer. „Allah will, daß auch
die Fliegen leben.“ Und jagen sie eine fort, kommen zehn
wieder. Eine Reitergruppe! Prachtvolie, arabische Pferde.
Ein geschiössener Wagen mit vornehmen Haremsdamen, sie
haben weiße Gazeschleier, über denen die dunklen Augen
leuchten. „Zwei Prinzessinnen“ mit einer Begleiterin. Ihr
Vorläufer strotzt von Goldstickerei. Agyptische Soldaten, gut
in der Haltung, kleidsame Uniformen. Am Horizont zeichnen
sich eine Unmenge Palmen ab, ein richtiger Pahnenwald.
Und grüne, fruchtbare Wiesen, Zuckerrohr und Korn, gelbe,
dünenartige Erhöhungen, der Rand der Wüste, und auf-
steigend ernst und grau — die großen Pyramiden. So nah
dem brausenden, heftig pulsierenden Leben Kairos mit seiner
seit Jahrtausenden stehengebliebenen Kultur, und dem regen
modernen Geschäftsleben, und dem raffinierten Luxus, den
die Abendländer gebracht — die Wüsteneinsamkeit und die
gewaltigen Denkmäler, zu denen schon Abraham emporblickte,
als er gen Ägypten gezogen kam, und die Joseph und Maria
ragen sahen, die, der Legende zur Folge, unweit rasteten,
und in Alt-Kairo Zuflucht fanden.

Jetzt führt die elektrische Bahn. nach der Pyramiden-
gruppe, das rückt sie noch näher in das moderne Weltgehaste.
Aber schöner bleibt es, zu Wagen aus den Weg von Kairo zu
machen. Rechts und links Felder, von schmalen Kanälen durch-
schnitten, denn der Weg wendet sich ab vom Nilarm. Ab
und an ein alter Bewässerungsapparat, ein von Ochsen ge-
triebenes Rad, das unter knarrenden Tönen Wasser in die
Schöpfurnen hebt und in die Rinne ausgießt — „Sakije“
genannt. Da ist auch ein Fellachendorf, dem zwei Weiber
mit der Amphora auf dem Haupt zuschrejten, auf der Schulter
eines dritten sitzt rittlings ein Kind. Ein Fellachendorf um-
schließt den Inbegriff der größten Armut. Aus grauem Nil-
schlamm geklebte Wände, kuppelförmige Bedachung, ein ein-
ziger Raum, in dem alles lebt, mit den Tieren zusammen.
Eigentlich besitzt der Fellache nichts als seine Hände, mit
denen er arbeiten muß, um die Steuern zu zahlen. Im
Innern der vier Wände eine Erhöhung von Niischlamm, die
Lagerstätte. —• Die Weiber tragen nur das schwarze Gewand,
das sie vom Kopf ab faltig-malerisch umhüllt. Sie sind so
verachtet, daß sie ihr Antlitz allen Männern zeigen dürfen,
aber sie schreiten seltsam stolz dahin. Die Fellachen sind die
direkten Nachkommen der alten Ägypter, des einst herrschen-
den, jene Denkmäler bauenden Volkes. Sogar der Pharaonen,
wird behauptet.

I’aul Italke: Ein Sönntag im Zoo: Der 1‘hilosopl) iin Iväfig.
 
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