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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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Copyright 1913 by Rich. Bong, Berlin.

Alle Rechte, auch das der Obersetzurig in andere Sprachen, sind den Urhebern vorbehalten.

Der 70 jährige Waldschulmeister.

Peter Rosegger zu Ehren.

„Die steirische Volksseele“ nennt man ihn und das
„deutsche Gemüt“. Zu seinem 60. Geburtstag schickten
ihm die Heidelberger Professoren der Universität den
Doktorhut, und heute zu seinern 70. gibt es nichts
Besseres, als über ihn zu plaudern, schlicht und ein-
fach von seinem Leben und Wollen . . .

Vom Waldbauernbub zum berühmten Dichter! . .

Am 31. Juli 1843 wurde dem Waldbauern Lorenz
Roß-eger in Alpl bei Krieglach ein Erstgeborener in die
Wiege gelegt, den man auf die Vornamen Petri Ketten-
feier taufte. Das Älplerdorf Alpl war klein, es zählte
damals 23 Häuser, und die Eltern Peters hatten Mühe
sich zu regen, als auf ihn noch sechs Geschwister folgten.

Peter blieb körperlich schwächlich, und die Aus-
sicht, daß er als Ältester einst den Hof übernehmen
sollte, schwand rnehr und mehr für ihn. Aber was
sollte aus ihm werden? Lesen und schreiben konnte
er zwar, auch Heiligenbilder zeichnen und ausmalen,
vor allem aber Geschichten erfinden und erzählen. Und
weil mit dem „Geistlichwerden“ nichts wurde, und da
ein Bekannter zufällig gesehen hatte, wie Peter geschickt
mit der Nadel mehrere Bogen Papier zusammenheftete
und dieses Talent im „Zusammennadeln“ für ein echtes
Schneidertalent hielt, so kam Peter zu einem Schneider
in die Lehre. Freilich schüttelte Meister Naz über seinen
Lehrling mehr als einmal den Kopf, aber endlich schlug
er ihn doch zum Gesellen. Als solcher zog Peter mit
seinem Meister auf die „Ster“, von Hof zu Hof, vier
Jahre lang, bei 90 Kreuzer Wochenlohn und lernte hier-
bei das Wesen des Steirervolkes gründlich kennen. Diese
vier Jahre waren seine erste „Hochschule“. Im ge-
heimen dichtete er auf gut Giück darauf los, und ein-
mal erwischten sie ihn sogar bei seiner Dichterei, wie
er das Gedicht „Därf ich’s Dirndl liabn?“ eben beendet
hatte, und der Schneider Naz las mit Erstaunen:

„Ih bin jüngst verwichn
Hin zan Pfora gschlichn:

„Därf ich’s Dirndl liabn?“

„Untersteh di nit, ba meiner Seel,

Wann du’s Dirndl liabst, so kumst in d' Holl.“

Bin ich vul Valonga
Zu da Muada gonga:

„Därf ich’s Dirndl Iiabn?“

„O, mei liaba Schotz, es is noch z’frua,

Nach fünfzehn Jahren erst,' mei liaba Bua."

War ir großen Nötn
Hon ih’n Vodan beten:

„Därf ich’s Dirndl liabn?"

„Duners Schlangl!" schreit er in sein Zurn,

„Willst mein Stecken kostn, konst es tuan."

Was is anzufonga?

Bin zan Herrgott gonga:

„Därf ich’s Dirndl liabn?"

„Ei jo freili," sagt er und hot glocht,

„Wegn an Buaberl hon ich’s Dirndl gmocht."

Der Geselle mußte das Gedicht zerreißen, aber der
Meister fügte hinzu :’, Aber vorher laß rnich’s abschreiben“.
„Därf ich’s Dirndl liabn“ war
der erste populäre Schiager
Roseggers, und auch für ihn
schlug die Befreiungsstunde.

Wiener Sommerfrischler, die
in Alpl weilten, brachten ihn
auf den Gedanken, einige
seiner Gedichte an die Grazer
Tagespost zu schicken. Und
amChristsonntag 1864 konnte
Peter viele Briefe, Bücher
und Geld von der Post heirn-
tragen. Zwei Feuilletons von
Dr. Swoboda, dem Chefre-
dakteur des Blattes, hatten
auf den jungen Naturdichter
hingewiesen undihmFreunde
geworben. Und als dankbare
Gegengabe sandte Rosegger
durch seinen Firmpaten seine
sämtlichen bisher entstan-
denen Dichtungen im Ge-
wicht von 15 Pfund! Jetzt
war das Eis gebrochen, und
der Bildungshunger des Na-
turdichters sollte bald ge-
stilit werden. Vom Sommer
1865 an „studierte“ Rosegger
vier Jahre lang in der Grazer
„Akademie für Handel und
Industrie“. Das war seine
zweite, die „Bildungshoch-
schule“, die er genoß. Alles
andere verdankt er sich
selbst. Als Roseggers Erst-
lingswerk erschien Juni 1869:

„Zither und Hackbrett“, Ge-

dichte in obersteirischer Mundart, wozu der damals be-
rühmte Dichter Robert Hamerling ein empfehlendes
Vorwort schrieb. Das Buch gefiel, fand viele Käufer
und entschied über Roseggers ganzes Leben. Von nun
an sehen wir ihn dauernd als unabhängigen Dichters-
mann. Und noch vor Weihnachten des gleichen Jahres
erschien sein zweites Buch: „Tannenharz und Fichten-
nadeln“, Geschichtenbuch in steirischer Mundart. Auch
das gefiel ungemein. Seitdem verbrachte der Dichter
den Somrner in Krieglach, den Winter in Graz, und so
hat er es gehalten bis auf den heutigen Tag.

Peter Rosegger.

Phot. Franz Josef Böhm, Mürzzuschlag.

Als erstes Buch in hochdeutscher Sprache veröffent-
lichte Rosegger die „Sittenbilder aus den Alpen“ (später
„Volksleben in Steiermark“ genannt), dann folgten weiter
in hochdeutscher Sprache „Geschichten aus Steiermark“
und „Wanderleben“ und 1875 „Die Schriften des Wald-
schulmeisters“.

Der „Waldschulmeister“ begründete Roseggers Welt-
rühm, und blieb sein populärstes Buch und wohl auch
sein schönstes. Alle Vorzüge seiner frischen selbstän-
digen Beobachtungsgabe und Darstellungsart von Natur
und Menschen finden sich hierin aufs harmonischste vor-
gebildet. Die Genreszenen heimeln durch ihre Ein-
fachheit und Mannigfaltigkeit an, die Gestalten derHirten,
Holzfäller und sonstigen „Waldteufel“ treten uns greif-
bar plastisch entgegen, und die eine weibliche Figur,
die „Waldlilie“, wurde ungemein populär. Der ge-

heimnisvolle Friede der Natur weht aus dem Buch, und
ein stiller Humor übergoldet die Vorgänge . . . Da-
neben packt eine leise Wehmut, die über dem Ganzen
schwebt, und der tiefe ethische und soziale Grundzug,
wie der Waldschulmeister in eine wildfremde, bis da-
hin von Menschen gemiedene Gemeinde menschliche
Gesittung trägt . . .

Hier spürte man bereits, daß Rosegger sich vom
Naturdichter aufwärts entwickelte zum Kulturdichter.
Und Kulturprobleme finden wir in seinen weiteren
größeren Romanen behandelt, so im „Gottsucher“ das
religiöse Problem, in „Jakob der Letzte“ den verderb-
lichen Einfluß moderner Industrie auf die Waldbauern,
und im „Ewigen Licht“, eine Erzählung aus den Schriften
eines Waldpfarrers, klingt durch das Kulturproblem ein
pessimistischer Unterton. Der „Waldschulmeister“ und
der „Waldpfarrer“ gehören geistig zusammen und er-
gänzen einander. Die Romane „Erdsegen“ und „Welt-
gift“ verkünden schon durch ihren Titel ihre Kultur-
richtung . . .

Unermüdlich sprudelte daneben Roseggers Dichter-
born in heiteren und ernsthaften Geschichten und kurzen
Erzählungen. Der „Schelm aus den Alpen“, die „lustige
Abelsberger Chronik“, das „Buch der Novellen“ und
das in vielen Hunderttausenden verbreitete Jugendbuch
„Als ich noch der Waldbauernbub war“ seien aufs Ge-
ratewohl herausgegriffen. Daneben fand Rosegger noch
Zeit, seit 1876 eine Monatsschrift „Der Fleimgarten“ zu
leiten, worin die meisten seiner Schriften zuerst er-
schienen, Vortragsreisen durch Deutschland und Öster-
reich zu unternehmen, eine Waldschule daheim zu
gründen und für die bedrängten deutschen Schulen in
Böhmen draußen einen 3-Millionen-Fonds zu gründen und
sein Lebenswerk endgültig in den „Gesammelten Werken“
festzulegen, die auf 40 Bände berechnet sind und als
schönste Geburtstagsgabe für den Dichter jetzt zu er-
scheinen beginnen.

Klar und schlicht steht Rosegger vor uns, im In-
land wie im Ausland geliebt und von Millionen gelesen.
Vom Kind seines Volkes rang er sich zu einem Volks-
erzieher empor, wohl blieb er ein „Wildling“ seiner
Berge, aber diese Naturfrische blieb ihm stets eigen,
und so wirkt er vor allem durch den sittlichen Grund-
zug seines Wesens, durch seinen Glauben an das Gute
und Schöne irn Menschen . . . Julius A. Wenizel.

Das Fest der österreictiisehen Haiisimlustpie in Berlin.

Ein glänzendes buntes Gesellschaftsbild zeigte ini Mo-
nat Juni der Garten des Auswärtigen Arntes zu Berlin, den
der Staatssekretär des Äußern in entgegenkommendster
Weise für das Fest der österreichischen Hausindustrie
zur Verfügung gestellt hatte. Die Erzeugnisse der
österreichischen Hausindustrie erfreuen sich auf dem
Berliner Markte von jeher größter Beliebtheit, und die
künstlerisch schönen, mit liebevollem Fleiß geschaffenen
Arbeiten finden seit langer Zeit tüchtigen Absatz. Dem
Ehren- und Arbeitskomitee des F’estes gehörten die be-
kanntesten Persönlichkeiten der Hofgesellschaft an. So lag
das Protektorat in den Händen Ihrer k. u. k. Hoheit der

Erzherzogin Maria Josepha,
Ihrer Kgl. Hoheit der Frau
Prinzessin Friedrich Wilhelm
von Preußen und Ihrer k. u.
k. Hoheit der Frau Erz-
herzogin Maria Christine, so-
wie der Erbprinzessin von
Salm-Salm. Zum Ehren-
komitee zählten u. a. Staats-
sekretär von Jagow, Ober-
bürgermeister Dr. Wermuth,
Botschafter Graf von Szö-
gyeny-Marich, Minister des
Äußern Graf Berchthold.
Die Verkaufsstände waren
um ein großes Arrangement
blühender Rosen gruppiert.
Auf einer geräumigen Tafel
lagen die reichhaltigen Er-
zeugnisse des Hausfleißes
unseres Nachbarlandes au.s-
gebreitet, darunter vor allem
wertvolle Spitzenarbeiten
und künstlerische Sticke-
reien, die bei der Damen-
welt ungeteilte Bewunderung
fanden, so daß die freiwilligen
Verkäufer und Verkäufe-
rinnen emsig die Hände
regen mußten, um alle Wün-
sche des kaufenden Publi-
kums zu befriedigen.

Ganz besonders an-
ziehend verlief auch das
künstlerische Programm des
Festes. Im Hintergrunde des
Parkes war ein slowakisches

XXVII. 24. B.

Fest der österreichischen Hausindustrie im Garten des Auswärtigen Amts zu Berlin: Alexander Moissi spricht den Prolog.

Phot. Willinger, Berlin.
 
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