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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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12. Heft
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Lienhard, Friedrich: Schwert und Bibel, [2]: Novelle
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Brunnemann, A.: Französische Monumentalmalerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0350

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MODERNE KUNST.

I5 1

Margret lief händereibend hinaus. Der Pfarrer warf einen Blick in
das Briefchen und ging höchst betroffen hin und her, während sich draußen
ein Wortgefecht erhob. Endlich tauchte die siegreiche Margret mit dem
widerspenstigen Kümmelröder auf.

„Da ist er, Herr Pfarrer! Na, nu warte mal!“

Aber sie kam nicht auf ihre Rechnung, denn sie wurde zu ihrem
Leidwesen sofort in die Küche geschickt. Dann faßte der straffe Pastor
Steinäcker, um einige Zoll wachsend, den herrschaftlichen Diener ins
Auge.

„Nun, mein Freund? Was haben Sie mir eigentlich zu melden?“

Der verwöhnte Kümmelröder schwankte zwischen Hoffart und bla-
sierter Gelassenheit. Er murmelte einiges, die Küchenfrau werde ja
wohl scbon das Nötige ausgerichtet haben, uncl schaute sich gleichsam
mit kühler Ablehnung in dem einfachen Studierzimmer um.

Der Pfarrer neigte zu gelegentlichem Jähzorn. Er flammte plötz-
lich auf.

„Mann, Sie haben mir neulich den Antrittsbesuch verdorben durch
Ihre Unverschämtheit! Wissen Sie eigentlich, wen Sie vor sich haben?
Glauben Sie etwa, ich gehöre zu den Duckmäusern, die sich von adligen
Lakaien anpöbeln lassen?!“

Kümmelröder erbleichte. Er nahm unwillkürlich militärische Haltung an.
Alle Wetter, fuhr es ihm clurchs Gebein, mit dem ist nicht gut Kirschen essen!

„Also, was haben Sie mir zu melden? Vorhin ließen Sie mir sagen.
ich solle sofort beim Herrn Baron antreten! Sind das des Herrn Barons
eigne Worte?“

„So ziemlich“, antwortete Kümmelröder wahrheitsgetreu.

„Gut!“ erwiderte der Geistliche und setzte sich an den Schreibtisch.
„Ich werde dem Herrn Baron schriftlich antworten.“

Der Brief war im Nu geschrieben und dem Burschen eingehändigt,
der in einwandfreier Haltung damit abzog.

Jetzt hatte der Geistliche Zeit, Julianens Zettel zu durchdenken.
„Bitte bei der bevorstehenden Untei'redung Ihre ganze Besonnenheit zu-
sammenzunehmen“ — so lauteten die rasch hingeworfenen Zeiien —
„rnein Vater ist über Ihre heutige Predigt sehr aufgebracht.“

Pfarrer Steinäcker ging mit diesem Briefchen im Zimmer auf und ab
und erlebte eine der ernstesten Vierteistunden seines Lebens. Nicht irn
entferntesten war er auf eine solche Wirkung seiner Predigt gefaßt ge-
wesen. Schon die Bemerkung der Haushälterin hatte ihn stutzig gemacht.
Er glaubte zwar, mit Kraft, aber auch mit inniger Überzeugung, ja hin-
reißend, bezwingend gesprochen zu haben — und diese Leute vernahmen
offenbar nur das Negative daraus, das Scbelten! Hatte insgeheim doch zuviel
Mißstimmung über die Zustände des Dorfes seine Worte geschärft? Hatte
er die Kanzel entweiht durch irgendwelche persönliche Anspielungen? Das
wäre freilich Entgleisung zu nennen! . . . [Fortsetzung foigt]

ro

miitfösisdjie If/oiiumeiilalnialerei.

L'enu der französische Maler Guillaume Dubufe, dessen elegante Fresken
die Comedie frantjaise und das Präsidentenpalais, das Elysöe, zieren,
den Manen Puvis de Chavannes ein Denkmal setzte nnd dem Meister,
von seinen edelsten Gestalten umgeben, durch Genien der Kunst huldigen ließ,
so huldigte er damit selbst zugleich dem größten Meister und Wiederbeleber
der französischen Monumentalmalerei. Auch suchte er mit diesem Huldigungs-
bilde den Prinzipien nahezukommen, die Puvis de Chavannes für die architekto-
nische Malerei wieder entdeckte. In seinen übrigen Werken jedoch knüpft er
vorwiegend an Zeiten an, da die französische dekorative Malerei mit zarte-
stem Farbenzauber und sinnlichem Formenreiz in den
weltmännischen Salons Triumphe feicrte, an
Traditionen des Rokoko. Vom französischen
Rokoko sprec.hen hcißt niclit, von künst-
lerischen Verirrungen im Sinne ver-
schnörkelter, lebensfremder L Tnnatur
reden, sondern cincr Phase vor-
nehmen, anmutigen künstleri-
schen Geistes, dcr höchsten
Augenreiz bot, die volle
Anerkennung widerfahren
lassen. Man beachte,
welche Bewunderung
die Watteaus des Kai-
serhauses gelegentlich
ihrer Ausstellung in
Berlin bei Kennern
fanden; man betrach-
te die köstlichen Tüi-
füllungen Bouchers
in Fontainebleau, die
Werke Chardins und
vieles andere mehr.

Das auf den ersten
flüchtigen Blick rein
äußerlich erscheinende
Dekorative gewinnt bei ein-
gehender Bctrachtung eine
solche Fülle von ästhetischen
Reizen, daß wir hierzwar nicht
von „großer Kunst“ reden können,
aber von cincr ganz verfeinerten Stil-
kunst, die da, wo sie erscheint, auch
den Eindruck vollster Berechtigung ihres
Erscheincns iiervorruft. I)enn es ist die Be
dingung aller monumentalen oder architektonischen
Kunst, daß sie Stil habe, d. h. daß sie sich unter weiser

[Nachdruck verboten.]

Beachtung aller durch die Architektur gegebenen Bedingungen ganz als dienendes
Glied in den architektonischen Rahmen einfüge.

Von jeher sind die Franzosen Meister im Erfüllen dieser Bedingungen
gewesen. Eine sichere Ueberlieferung der ästhetischen Forderungen für murale
Dekoration hat sich aufrechterhalten, dank der großen monumentalen Aufgaben,
die die Renaissance, die das Jahrhundert Ludwig XIV., die weiterhin der sinn-
lich iippige Hof Ludwig XV. den Künstlern stellten. Weder die Große Revo-
lution noch Napoleon I. unterbrachen diese Tradition. Mehr denn je bedurfte
die rhetorisch-deklamatorische Erste Republik, bedurfte später der gewaltige
neue Cäsar die beredte und zugleich bleibende Sprache
der bildenden Künste, urn Ruhmestaten nach dem
Vorbilde der stoisch-kriegerischen Römer für
immcr festzuhalten. Und nun nicht mehr
mit der gclälligen Grazic lcichtlebiger
Sinnlichkeit des ancien regime, son-
dern unter Anrufung strenger
Klassizität, unter Nachahmung
antiker, vor allcm römischer
Pose und Gewandung. Mit
überschäumender Leiden-
schaftlichkeit protestierte
sodann die französi-
sche Romantik ge-
gen den sogenann-
ten „style pompier“,
(diese Bezeichnung
kommt von der Ähn-
lichkeit, die die Helme
der gemalten Grie-
chen und Römer mit
denHelmenderFeuer-
wehrleute [gleich:
pompiers] hatten), die
steife, akademischePose
der Klassizisten, die sich
urn die Führer David und
Ingres gruppierten, gleich-
wie die lebhaft erregtc poli-
tische Welt gegen Rcstauration
und Bürgerkönigtum protestierte.
Und wiederum war es der Kunst
bestimmt, eine Phase des wilden kel-
tischen Volkstempcraments, das kühn alle
Fesseln sprengt, im Bilde festzuhalten:Delacroix,
der genialste Führer der französischen Romantik,
dessen Einfluß bis in die jüngste Zeit hineinragt, schuf

G. Dubufe: Entwurf für den Plafond einer ICirche.
 
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