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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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14. Heft
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Dobsky, Arthur: Carlos Grethe
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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0401

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Carlos Grethe: Rettungsmannschaft auf der Brücke.

Aus den Kunstausstellungen Ed. Schulte, Düsseldorf.

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Von Arthur Dobsky-Stuttgart.

Srethes künstlerisches Renommee hat schon seit einem Vierteljahrhnndert einen
1 guten Klang. Wenn das auf einen Mann zutrifft, der selbst noch nicht
einmal das 50. Lebensjahr erreicht hat, so muß es sich wohl um eine außer-
gewöhnliche Künstlerpersönlichkeit handeln. Als ein Schilderer des Hochsee-, Fischer-
und Hafenlebens, der die unendlich reichen atmosphärischen Stimmungen seiner Motive
auf die Höhe malerischer Lebendigkeit und Plastik zu heben imstande ist, ninrmt er
im Ensemble der deutschen Kunst seine unbestrittene Sonder-
stellung ein.

Das, was ihn in besonderem Maße auszeichnet, ist, daß
er in keine Vorgängerschaft einzureihen war. Wie ein ein-
zelnes Bild von Qrethe ob seiner Qualitäten immer aus seiner
Umgebung herausfailen wird, so läßt auch ein Überblick
über sein Schaffen niemals das Qefühl der Monotonie auf-
kommen.

Der wichtigste Qrund hierfür mag wohl sein, daß Grethe
•es keineswegs unter seiner Würde hält, seine Kunst in den
Dienst seelischen Erlebens zu stellen. Nicht in dem Sinne
banalen Erzählertums, das sich krampfhaft an das Motiv
klammert, sondern in dem einer rein künstlerischen Ausdeu-
tung des vorschwebenden Bildgedankens. Das große Sehen,
die Wiedergabe in großen, freien Ziigen blieb ihin die Haupt-
sache, — der Gegenstand, rnochte er sich dem Laienauge
auch in erster Linie aufdrängen, von sekundärer Bedeutung.

Und dennoch, so sehr man auch fühlt, daß das rein Künst-
lerische ihm das A und O alles Beginnens war, ist doch
nicht zuletzt die Vertiefung in das Seelische das, wodurch
sich jene seltene Eigenschaft des wahren Kunstwerks ergibt.

Und das, wodurch er sich insbesondere die Anerkennung der
Allgemeinheit im höchsten Grade erworben hat, ohne nur
im entferntesten ein Publikutnskünstler zu sein.

- [Nachdruck verboten.]

Carlos Qrethe ist 1864 in Montevideo geboren, ist jung nach Hamburg gekommen
und hat durch viele Reisen den unendlichen Zauber des Meeres kennen gelernt. In
Karlsruhe, an der Akademie holte er sich den Fonds zu seinem späteren Künstlertum,
und auf der Akademie Julian in Paris gingen seinem suchenden Auge die unerhörten
Perspektiven auf, die die Freilichtmalerei der Kunst eröffnete. Dann kam abermals
ein zweijähriger Aufenthalt in Karlsruhe, eine Reise nach Mexiko gab seinen Studien
gewissermaßen einen klangvollen und an Eindrücken unend-
lich reichen Abschluß, und mit 26 Jahren zog er wieder in
Karisruhe ein. Diesmal aber nicht als Schiiler, sondern als
Professor der Kunstgewerbeschule, die er bald mit der Akademie
vertauschen sollte. So hatte die kraftvolle Veranlaguhg des
Künstlers in raschem Tempo einen relativ kurzen und früh
von Erfolg gekrönten Weg zuriickgelegt.

Von Karlsruhe wurde Qrethe mit dem Qrafen Kalckreuth
und L. Poetzelberger zusammen nach Stuttgart berufen; wäh-
rend aber Kalckrenth nach einer hier unvergessenen Tätigkeit
wieder nach dem Norden ging, blieben die beiden andern bis
zum heutigen Tage.

Wie Max Liebermann im Norden, so hat in Württemberg
Grethe wohl das meiste getan, die Begriffe der Malerei zu
klären und zu reformieren. Er wußte die unergründlichen
Schönheiten der durch keitie akademische Brilie getriibten
Natur am ersten zu schätzen und zu kultivieren, wußte seiner
Palette selbst für die sprödesten Reize einen Reichtum an
farbigen Klängen abzugewinnen, der verblüffend und be-
geisternd auf die jüngere Generation der Kunststadt Stutt-
gart wirken mußte. Freilich nicht jenen koloristischen Prunk
eines Makart, der in geschwätzigem Pathos unwahre Dinge
vorgaukelte, sondern den, der sich nur dem tiefer sehenden
Auge erschloß. Wie er die großen Linien und Formen, die

XXVII. 43.

Carlos Grethe.
 
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