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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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18. Heft
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Nordhausen, Richard: Auf Fluß und See
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Beilage
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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0540

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III. im wildreichen
Schlesien

bei Feldjagden fast
immer „gekesselt“, d. h.
es werden „Kesseltrei-
ben“ abgehalten. Die
Treiben „laufen“ von
einem Punkte nach zwei
Seiten aus und bilden
schließlich einen weiten,
geschlossenen Ring. Die
Plätze für die Schützen
sind häufig durch Num-
mertafeln bezeichnet
und in die aufgestellte Treiberlinie fährt der Schütze
auf seinen Platz. Auch hier gilt es „wenig Schützen
und viele Treiber!“ Auf Signal rückt alles gleich-
mäßig gegen die Mitte, die oft durch eine Fahne markiert
wird, vor. Es wird „in den Kessel“ geschossen, bis
ein Signal das verbietet und die Treiber allein vor-
gehen.

Das Sprichwort von den „bösen Beispielen“ ist gar
oft auch in umgekehrtem Sinn zutreffend. Für die
Jagdverhältnisse in Schlesien tritt das in evidenter
Weise hervor, denn dank der weidgerechten Hand-
habung der Jagd von seiten der dort angesessenen
Magnaten sind Weidmannsregeln und Jagdgebräuche
dort in viel weiteren Volkskreisen gebräuchlich ge-
worden wie in den meisten anderen Provinzen, und nur
im Geheimen und mit Schuldbewußtsein wagt es selbst
der Gewerbsjäger, gegen weidmännische Regeln zu ver-
stoßen. Währer.d zum Beispiel in den nördlichen Pro-
vinzen der Jagdpächter bereits im September, nach Er-
öffnung der Jagd, beginnt auf der Suche und hinter
dem Hunde unter seinen wenigen Hasen aufzuräumen,
und dabei selbstverständlich fast nur die vertrauteren
Häsinnen und Junghasen schießt — die vorsichtigeren
Rammler räumen beizeiten das Feld und drücken
sich nicht — geht der schlesische Jäger kalt an
allem vorüber, was vier Läufe hat, bis zur großen
Treibjagd. Dies Anstandsgefühl teilt selbst der schle-
sische Hühnerhund, und wenn er einmal Miene macht,
sich unpassend zu benehmen und nur mal so beiläufig
nach einem „Lampen“ im „Lager“ äugt, so trifft ihn
sicher ein „Pfui Plas!“ und das ist ein Tadel, der ihn
sicher mit einem Blicke um Entschuldigung zu seinem
Meister zurückschauen läßt!

Landschaftsrat von Maubeuge auf Langendorff mehrfach
die Wette gewonnen, im Laufe eines Tages 100 Hühner
zu schießen. Freilich muß man dann schießen, wie er
es tat, und wie es sein Schwiergersohn Falckenhausen
und Graf Mortimer Tschirschki taten, und wie es noch
heute sein Sohn und der General von Koscielski können.

VI. Und was geschieht nach der Jagd?

Während man im Norden und Westen ermüdet
heimzugehen pflegt, rüstet man sich im Osten zum Diner
— imrner im Frack und mit weißer Binde — und nach
dessen Ende und nach Verlesung der Resultate tritt
alles, auch die Damen, an die von Fackelschein be-
leuchtete Strecke, von der Jägerei geordnet und beim
Zutritt der Gäste „verblasen“. Meist dient der Schnee
als Unterlage. Stolz kann der Jagdherr auf die langen
Reihen der zu zehn geordneten Hasen und die zu zwei
vereinten Fasanenhähne blicken — aber doch hört man
ihn bedauernd aussprechen: „Ein Jammer ist’s um die 15,
die noch fehlen an 2000!“ Wenn auch

VII. Fasanen

Phot. Aug. Rupp, Saarbrücken.

Durch die seltene Beunruhigung bekommt das Klein-
wild Vertrauen, nährt und vermehrt sich ungestörter.

Naht aber dann der Tag der Treibjagd, dann wird
vom Jagdherrn peinlich danach gestrebt, durch die
Strecke Zeugnis abzulegen für Wildfütterung und Jagd-
pflege sowie für echt weidmännische Handhabung des
schönen Sports.

Nur in einem Falle versagt selbst in Schlesien dem
Jagdpächter — etwa aus der Stadt — das Weidmanns-
gefühl. Sein Begriff für Wildschonung im echt jäger-
lichen Sinne erstreckt ■ sich nicht auf die in seine Kar-
toffelfelder verflogenen Fasanen aus den Gehegen der
angrenzenden fürstlichen oder gräflichen Forsten — so
klein und grau sie auch noch sein mögen — oft noch
nicht einmal ausgeschildert. Sie müssen daran glauben,
wenn die Herrn Jäger vom grünen Tische massenweise
hinauskommen in ihre Jagd — gute Geschäftsleute,
aber schlechte Jagdnachbarn! „Im November oder
Dezember schießen die doch die fürstlichen Jagdgäste
da drüben in den Remisen!“ So lautet wohl die
Sophistik solcher Schützen. Hübsch ists nicht, aber
ungesetzlich ist’s auch nicht — und ohne Gewissens-
qualen taucht der Kleinpächter seine Kartoffeln in des
Nachbars Fettunke, nicht bedenkend, welche enorme

Mühe und Kosten die Aufzucht von Fasanen verursacht.
Eine in Deutschland selten betriebene Art von Klein-
wildjagd, die z. B. der Fürst von Lichnowski seinen
Gästen mitunter bietet, ist

IV. „Das Hühnertreiben“.

Zur Vorbereitung dieser Jagd werden nach und
nach durch eine große Zahl von langsam vorrückenden
Treibern die auf den weiten Feldern verstreut liegenden
Völker in eine inmitten der Felder liegende, ad hoc an-
gelegte Remise von etwa 80 Morgen hinein„gedrückt“.
Diese Remise enthält in der Längsrichtung fünf bis
sechs schmale Pfade für die gleiche Zahl von Schützen.
Dichte Treiberlinien gehen durch die Dickung zwischen
den Schützen vor, und die Endtriebe werden diesen
entgegengebracht. Hunderte von Hühnern stehen im
Triebe auf und fallen zumeist am Ende der Schonung
oder Remise wieder ein. Nach außen verflogene Hühner
werden durch im weiten Kreise aufgestellte Treiber
zurückgedrückt. Die Hühner werden schließlich des
vielen Fliegens überdrüssig und beim dritten oder vierten
Durchgange halten sie zum Drauftreten. Das ist so
eine Gelegenheit zum Sattschießen. Man bedarf aber
mindestens zweier Gewehre und wendet am besten
Selbstlader, etwa Browning, an. Jagdlich anregender
ist aber dennoch die

V. Hühnersuche.

Wenn bei den eben geschilderten Trieben gelegent-
lich im Laufe von zwei Stunden von sechsSchützen 700 bis
800 Hühner gestreckt werden, so bietet doch auch im
gutbesetzten Terrain die Suche vor dem Hunde be-
deutende Resultate. So hat z. B. der nun verstorbene

Ruine Ratsamhausen in den Vogesen.

Die niedere jagd in Deutschiand.

Von Fr. Freiherrn von Dincklage.

I. Hasentreiben in Hessen.

Während im Reichslande mit der Niederjagd in den
Wäldern als Hauptzweck die Ausrottung von Schwarz-
wild und gelegentlich Wölfen mit vereint ist, und man es
dabei mit den waidmännischen Kenntnissen der Schützen,
die oft nur Schießer und nicht Jäger sind, nicht zu genau
nimmt — schon um die für die großen Enceinten erforder-
liche Zahl zusammenzubekommen, wird die Niederjagd im
benachbarten Rheinhessen in durchaus weidmännischer
Form betrieben. Auf einer Feldjagd bei Worrns, Revier
Bobenheim, machte ich eine Vorstehjagd auf Hasen mit,
bei welcher die 13 Schützen in vorbereiteten Löchern
mit Strauchschirmen untergebracht wurden, 120 Treiber
in Linie mit vorgeschobenen Hacken drückten das Wild
langsam auf die Schützenlinie und 392 Hasen und sieben
Wachteln kamen zur Strecke, während

II. im Rübenrevier im Magdeburgischen

ebenso wie in der Mark die „Streife“ zur Anwendung
kommt, d. h. Schützen und Treiber gehen in breiter
Front mit vorgescho-
benen „Hacken“ oder
„Flanken“ auf weite Ent-
fernungen vorwärts. Die
Hasen, um die allein es
sich hier handelt, ent-
fernen sich niemals weit
von den Feldern, die
ihnen die gewohnte
Äsung bieten. Die Auf-
geschreckten kehren da-
her bald um — suchen
seitlich auszubrechen
und treffen auf die
Hacken. lm planlosen
Hin- und Hereilen „kom-
men“ sie endlich irgend
einem Schützen. Je vor-
nehmer die Jagd ist, um
so geringer stellt sich
die Zahl der einge-
ladenen Schützen zur
Anzahi der Treiber und
zur Ausdehnung des
Terrains. ImGegensatze
zum Standtriebe und zur
Streife wird

nicht zur niederen Jagd zählen, so sind doch Fasanen-
triebe — stets im Gehölze und meist in vom Felde um-

gebenen Remisen statt-
findend, immer mit der
Niederjagd auf Hasen —
oft sogar Kaninchen —
vereint. Die Vierläufer
kommen zuerst — und
erst dann stehen die
Fasanen auf — meist
„bukettweise“, d. h. in
großen Massen. Es be-
darf der Übung, die
Hahnen sofort richtig
anzusprechen —Hennen
dürfen beileibe nicht
geschossen werden. —
Zögert aber der Schütze,
dann holt der Nachbär
die Beute herunter. Und
es ist fatal, am Schlusse
der Jagd als „Ferkel-
könig“, d. h. mit der
geringstenT agesstrecke,
dazustehen!

„Unreines“ Schießen
wird in Schlesien scharf
getadelt. Ebenso wird
es für „gnietschig“ ge-
halten, wenn Schützen
z. B. im Kessel durch
Zurückbleiben einen
„Sack“ bilden, um eine
größere Strecke heraus-
zudrücken. Ja, es kommt
vor, daß Schützen durch
ihre Treiber Wild „auf-
klauben“ lassen, das gar
nicht von ihnen erlegt
wurde. Es gibt sogar
jagdneidische Schützen,
die mehr StückeWild zur
Strecke meldeten,wie sie
Patronen verbrauchten.
Da aber oft der Schütze aus zwei oder drei Selbst-
ladegewehren oder auch Selbstspannern weit über 300
bis 500 Patronen verbraucht, erscheinen nicht selten
zum Diner die Herren mit Schönheitspflästerchen auf
der rechten Wange. Sie verdecken die Wunden, die
durch den Rückstoß des Gewehrs entstanden. Wer aber
solche Wunden durch die ganze Jagdzeit hindurch nicht
verliert — der ist ein mit Recht beneideter Mann!

„ Weidmannsheil!“


Die Zakunft der jlationalgalerie.

Es ist eine längst bekannte, immer wieder betonte
Tatsache, daß die Berliner Nationalgalerie — ein so
schönes Bauwerk sie an und für sich ist, und so prächtig
sie dem Reiterstandbild Friedrich Wilhelms IV. als Folie
dient — als Museum den unterzubringenden Gemälden
und Plastiken ihrer Anlage gemäß, verhältnismäßig nur
wenig Raum bietet. Schon längst war ihre Behangfläche
ausgefüllt, und die Frage tat sich auf, wie man neuen
Raum schaffen müßte. Natürlich, indem man das weniger
Wichtige beseitigte und Wichtigeres an seinen Platz
setzte! So einfach sich das anhört, so vielseitig waren
die Meinungen über das, was für die Nationalgalerie
wichtiger und wenig wichtiger sei. Besonders betraf
diese Meinungsverschiedenheit die patriotischen, haupt-
sächlich also Schlachtengemälde, ferner die Wagenersche
Sammlung, die ja den Grundstock der Nationalgalerie
bildet, und die neuere ausländische Kunst, die vielfach
Anfeindungen erfuhr. Nun ist vor kurzem im Verlag
von Julius Bard, Berlin, eine Denkschrift Ludwig Justi,
des Leiters der Nationalgalerie und Nachfolgers Hugo

XXVII. Fr.-No. B. 2.
 
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