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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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23. Heft
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Knopf, Julius: Insekten auf der Speisekarte: eine entomologische Plauderei
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MODERNE KUNST.

299

beliebtes Gericht. Trotzdem sie sehr gut munden soll — auch ver-
schiedene Europäer heben ihren köstlichen Geschmack hervor —
so ist doch kaum anzunehmen, daß sie sich auch bei uns ein-
bürgern wird, die wir uns der Segnungen einer höheren Zivilisation
erfreuen. Wir ziehen — iiber den Geschmack läßt sich ja bekannt-
lich nicht streiten — Schwalbennester, lebende Austern, Krebse,

Krabben, Seemuscheln und Schnecken immer noch vor. Essen
auch keine Termiten.

Diese Tierchen wiederum bilden in Asien und Afrika, ins-
besondere bei den Indern, ein lebhaft begehrtes Nahrungsmittel.

Nicht nur, daß die Termiten hübsch süß schmecken, etwa wie
Mandeltorte oder Zuckercröme, — so sollen sie überdies auch recht
nahrhaft sein. Man kocht sie in Wasser und ißt sie ohne alle
Würze. Gleich der Heuschrecke wird die Termite geröstet und
gestoßen zu verschiedenem Gebäck verwaudt.

Natürlich entgeht auch die große Waldameise nicht dem
Schicksal des Verzehrtwerdens. Bei uns in Deutschland allerdings
fangen wir sie nur ein, um aus ihr den viel empfohlenen Ameisen-
spiritus zu bereiten, dem kräftigende Wirkungen zugeschrieben
werden. Daß ein anderes Insekt, der Maikäfer, ebenfalls zu einem
Spiritus dient, der dem Rheumatiker gute Dienste leisten soll, ist
ja bekannt. Aber in Südamerika, am Rio Negro, wird die Ameise
nicht in Spiritus, sondern in den Ofen gesetzt, dann zu einem Teig
geknetet — Alexander von Humboldt hat es genau beschrieben —
und von den Eingeborenen unter dem Namen Ameisenpastete als
einer der größten Leckerbissen der Welt angesehen. Sie ist ihnen
etwa, was dem Europäer die Gänseleberpastete.

Besondere Feinschmecker unter den Nachkommen der Urein-
wohner essen die Ameise jedoch ohne jede Zutat, weil ihnen ihr
säuerlicher Geschmack besonders reizvoll erscheint. Natürlich entgehen auch
Schmetterling und Käfer nicht dem Schicksal als menschliche Atzung ihr Leben
zu enden. Beim Schmetterling sind es die Raupen einiger Abendfalter, sowie
die Puppe des Seidenspinners, die von dem ältesten Kulturvolk der Erde, den
Chinesen, gern gegessen werden. Die bezopften Söhne des Himmels sind
ökonomisch genug, die Seide der Puppe erst abzuwickeln, ehe sie das leckere
Gericht auf die Tafel bringen. Von den Käfern ist es der Totenkäfer, Blaps sulcata,

der von den Egyptern, gleich wie bei uns der Hecht, in Butter gekocht und dann
mit großem Behagen geschmaust wird. Die Kreolen hingegen — und darin
bekunden sie eine gleiche Geschmacksrichtung wie die alten Römer — rösten
die Larve des Palmbohrers, Calandra palmarum, die für sie dann die feinste
Delikatesse der Saison bildet. Vielleicht, daß diese bescheidenen Hinweise eine
unserer deutschen Hausfrauen veranlassen, es einmal mit Insekten als Mittags-
gericht zu versuchen. Aber, bitte, mich nicht zu Tisch zu laden!

(Iriöerc

sTTn eine ferne heidnisch-grausame Zeit, da der Schiffbrüchige, der die Küste
eines fremden Landes betreten mußte, gleich dem heutigen Strandgute
behandelt wurde, versetzt uns das Gemälde des Franzosen Emile Boutigny
„Schiffbrüchig“. Die Männer erschlug man gewöhnlich oder brachte ihr
Leben den Göttern auf dem Altare zum Opfer dar, ein Los, wie es ja auch
Orestes und Pylades in Goethes „Iphigenie“ drohend bevorstand. Wer diesem
Schicksale aber entging, den traf das Geschick der Frauen und Jung-
frauen, nämlich in die Sklaverei
verkauft zu werden. Eine solche
Szene der Verzweiflung stellt
das Gemälde Boutignys dar.

Freilich sind diese Zeiten noch
nicht so lange vorüber, als man
zunächst glauben möchte. Be-
sonders haben nordafrikanische
und griechische Seeräuber ihr
Wesen noch bis in die neueste
Zeit getrieben und dabei man-
ches Menschenleben vernichtet.

* *

*

Die Zeichnungen, Radierun-
gen und Litographicn von C.

Krafft, die wir zu unserm Auf-
satze „Alte Nester“ veröffentlicht
haben, geben eine gute Probe der
Kunst dieses begabten Maler-
Radierers. C. Krafft hat an der
Berliner Akademie sowohl unter
Paul Vorgang, wie unter Carl
Saltzmann und Professor Hertel,
dessen Meisterschüler er war,
studiert und ebenso in den Ra-
dier- und Lithographieklassen
der Professoren Hans Meyer und
Carl Kappstein gearbeitet. Aus
seinen Blättern spricht eine große
Liebe für die urtümliche Schön-
heit alter deutscher Burgen,

Hildcr. =<3^

Plätze, Städte und Bauten. So kommt die Stimmung verschwundener Zcit, die
über sie ausgegossen ist, in ihnen vortrefflich zum Ausdruck.

'* *

In die Nähe von Berlin führt E. H. Zirkels Bild „Am Telephon im Frei-

luftbad Wannsee“. Fast wie der Meere'sstrand nimmt sich der Strand des

Wannsees im hellen Sonnenschein aus. Draußen zieht ein Segelschiff, helle

Sommerwolken treiben, die Badenden gehen im Sande auf und ab oder tauchen

in das Wasser ein. Am Telephon

aber steht ein junges schönes

Mädchen im rot-weißen Bade-

anzuge, und ihr heiteres Lächeln

zeigt, daß sie mit jemand spricht,

der ihr nicht unlieb ist.

* *

*

Eine liebliche Szene, eine
junge Frau die „Vor dem Ball“
noch an ihremToilettentisch sitzt,
um sich sogleich zu erheben
und zu dem Feste aufzubrechen,
schildert Charles Vasnier.
Der Lichtschein fällt ihr auf
Schultern und Nacken, und die
Kämme, dieBürsten undKrj'stall-
büchsen schimmern von der
Marmorplatte des Tischchens.

* *

Wie eine Parodie auf das
menschliche Treiben erscheint
Renö Legrands „Kocko bei
der Toilette“, ein Bild, das in
seinen braunen, rötlichen und
hellen Tönen gut zusammen-
gestimmt ist. Eine scheinbare
Idylle — aber sicherlich mit
blutigem Ausgange! Denn das
Rasiermesser in der Hand des
eitlen Kocko redet eine dro-
hende Spraclte.

Hans ftartig: Tanvvetter. Große Berliner Jubiläums-Kunstausstellung.
 
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