Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

DOI Heft:
16. Heft
DOI Artikel:
Fenner-Behmer
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0459

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Herman Fenner-Behmer: Vom Turfplatz.

Kast scheint es, als ob Schönheit und Eleganz den modernen Malern verdächtig
wären! Als vor einigen Jahren in der Großen Kunstausstellung Dresden
mehrere Säle für Gemäide bestimmt wurden, welche die Frau in der modernen
Malerei darstellen, zeigte es sich, daß die Schönheit die Rolle des Aschenbrödels
spielte. Keckes, Scharf-Charakteristisches, Sinnlich-Herausforderndes, Brutal-Fleischiges —
das alles scheint unserer Zeit zu liegen. Aber vor dem Schönen und Eleganten biegen
die Maler offensichtig aus, als wäre das der Geschmack von gestern, heute aber dürfte
man derartiges nicht nralen, da ein solches Bild leicht überlegenem Lächeln begegnet.
Zweifellos hat sich in der Kunstanschauung, oder richtiger gesagt, in der Kunstmode
unserer Zeit ein starker Wandel vollzogen.

Glücklicherweise gibt es aber immer noch Künstler, die unbekünrmert um diese
Tagesstimmungen ihren Weg gehen, selbst wenn sie sich der herrschenden Meinung
widersetzen. Zu ihnen gehörte Fenner-Behmer, der soeben durch einen plötzlichen
Tod mitten aus dem Schaffen seiner besten Mannesjahre in unerwarteter Weise fort-
gerissen wurde. Die Kunst ihrer aristokratischen Anmut zu berauben und derben
Empfindungen dienstbar zu machen, lag seiner Art keineswegs. Im Gegenteil bildet
die Freude an Schönheit und Eleganz, an Rasse und Kultur, an Vornehmheit und
Geschmack den Kernpunkt seines Wesens. Als die Krone dieser Schönheitswelt ist
Fenner-Behnrer stets die Frau erschienen, das moderne Weib in seiner schlanken,
rassigen Erscheinung. Ihr hat er als eine Art Minnesänger unserer Zeit immer wieder
gehuldigt. Ihre Formen, ihre Art, sich zu bewegen, ihre Schönheit, ihre Grazie und
ihr Caprice trank er mit durstigen Augen in seine Seele. Mochte er die Frau oder
das Mädchen im Konzertsaale sehen, oder auf dem Rennplatze, den Krimstecher leicht
über die Achsel des eleganten Jacketts gehängt; rnochte er ihr auf dem Wege zum
Tennisplatze in der Sommertoilette oder auf dem hohen Stöckelstuhle der Bar begegnen,
wo sie mit dem Strohhalme Eisgetränke nippte, — gleich einem glücklich aufgefangenen
Balle hielt er ihre Erscheinung fest und schrieb sie in geistvollen Strichen nieder.

Die Fähigkeit hierzu gab ihm die genaue Kenntnis des Frauenkörpers, die ihnr durch
stets erneutes Aktzeichr.en gegenwärtig war.

Fenner-Behmer hat früh den Weg zur Malerei gefunden; schon dem Knaben
erschien sie als der ihm vorgezeichnete Lebensberuf. Mit achtzehn Jahren kam er als
Kunstschüler nach Berlin, um hier drei Jahre lang zu studieren. Unter seinen Lehrern
hat besonders Hellquist auf den Jüngling einen tieferen Einfluß geübt, dieser hoch-
begabte schwedische Künstler, der leider nur zu knrze Zeit in Berlin wirlde, da ein Sturz
auf der Eisbahn für ihn verhängnisvoll verlief. Von Berlin aus begab sich Fenner-Behmer
nach Paris, wo er hauptsächlich unter Lefevres Leitung Akte zeiclmete. Wie sich
Fenner-Behmer selbst im Gedenken dieser Zeit äußerte, geschah dies in sonderlicher,
etwas pedantischer Manier. Die Schiiler sollten nämlich das obere Ende des Blattes
mit der höchsten Stelle des Modellkopfes abschneiden, und ebenso den tiefsten Punkt
der Füße auf das untere Ende des Blattes zeichnen. Da nun mit der Arbeit oben
begonnen und Teil für Teil fertiggestellt wurde, gediehen die Zeichnungen fast stets
nur bis zur Brust. Dann war die festgesetzte Zeit abgelaufen. So wunderte sich
Lefevre ehrlich, als der Prussien Fenner-Behmer, dem die ganze Klasse zunächst mit
Mißtrauen begegnet war, seinen Akt schon nach drei Tagen fertiggestellt hatte. Ja,
die Zeichnung war in einer Weise ausgeführt, daß Lefevre die Klasse zusammenrief
und ihr Fenner-Behmers Akt trotz einiger Mängel als Muster vorfiihrte. Aber un-
geachtet dieses deutschen Sieges auf französischem Boden blieb der Prussien bald der
Stätte seiner Anerkennung fern. Nicht das Aktzeichnen hatte ihn nach Paris getrieben,
das war ihm aus Deutschland her bereits innig vertraut, sondern die Stadt mit ihrer
alten Kultur und mit ihren Menschen. So fühlte er sich aus der Schule und ihrer
grauen Theorie zu dem goldenen Baum des Lebens hingezogen; er wanderte durch
Paris, tat die Augen auf und wurde nicht müde zu sehen. Tradition und Kultur lag
in der Stadt und dem Gesellschaftssalon mit seinen Möbeln, Kultur und Geschmack in
den Menschen und besonders den Frauen. Stärker und stärker empfand Fenner-Behmer,

XXVII. 49.
 
Annotationen