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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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25. Heft
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Saltzwedel, Hans von: Frau Mytala, [8]: nach einer wahren Begebenheit erzählt
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Halke, Paul: Ein Sonntag im Zoo: Plauderei
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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0768

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MODERNE KUNST.

Als der Zug in Heinersdorf hielt, wäre ich am liebsten weitergefahren,
so wenig sehnte ich mich nach dem Freunde. Wie sollte ich nun in der
Stimmung, in welcher ich mich befand, ihm und seiner herzlichen Freund-
lichkeit begegnen? — Und wie erst jener, der doch die andere aus seinem
Herzen verdrängt hatte? —

Je näher mich der ausgesucht geschmackvolle Jagdwagen meinem
Ziele brachte, um so unbehaglicher fühlte ich mich, um so sehnlicher
wünschte ich, es möchte noch im letzten Augenblick etwas dazwischen-
kommen. Unaufhaltsam aber trabten die stattlichen Braunen vorwärts.
Schon bogen sie in die alte Lindenallee ein, vor deren Ende breit und
mächtig das alte Herrenhaus steht. — Gleich darauf sah ich den Freund
auf die Piattform der Freitreppe hinaustreten. Er schwenkte seinen Hut
und rief laut:

„Hurrah! — Da kommt er!“

Dann wandte er sich zur offenen Haustür zurück.

Jetzt ruft er ihr zu, daß ich komme, dachte ich blitzschnell. Nun
wird sie heraustreten, die stolze Gräfin, sie, um die er meine arme Frau

Mytala so jämmerlich verraten hat. Ach, wenn er jetzt doch statt jener
unsere Mytala rufen wollte! — Da — — —

„My — y — y — talaaa!“ —

Was war das? — Es klang mir doch so deutlich in den Ohren, als
hätte er es wirklich gerufen!

Der Wagen hielt, und sie stand in dem hohen Portal — stand dort
im hellen Tageslicht. — Eine Täuschung war selbst bei der Erregtheit
meiner Sinne ausgeschlossen. — Ich aber saß an jenem Tage zum zweiten
Male wie gelähmt da, während sich alles um mich zu drehen schien und
es mir so vor den Augen flimmerte, daß ich nichts zu unterscheiden ver-
mochte, weder die da oben auf der Treppe sah, noch den Diener, der
mir den Wagenschlag öffnete.

Und dann wieder, wie vor wenigen Stunden, fühlte ich mich bei den
Händen gefaßt und emporgerissen und hörte dazu durch das Brausen in
meinen Ohren hindurch die Worte:

„Mensch, um Gottes willen, was ist dir? — Bist du krank? — So mach
doch, daß du ins Haus kommst!“ [Schiuß foigt.]

Su den besuchtesten und beliebtesten Vergniigungs- und Erholungsstätten inner-
halb der Reichshauptstadt gehört in erster Linie der Zoologische Garten, oder,
wie ihn der Berliner kurz nennt, der Zoo. Seine außerordentlich günstige
Lage im frequentierten Westen Berlins, sein prächtiger, von keiner Stadt übertroffener
Tierbestand, seine hervorragende bauliche und gärtnerische Anlage inmitten herrlicher
Bäume und seine vorziiglich geleiteten Restaurationslokale maclien ihn zu einer
Sehenswürdigkeit ersten Ranges. Und in der Tat, es gibt keinen Erholungsort, der
ein so beständiges und treues Publikum aufweist, wie der Zoo. Und wenn die Riesen-
stadt mit ihrer steten, nie ruhenden Ausbreitung Jahr fiir Jahr neue Vergnügungs-
anlagen und neue Sehenswiirdigkeiten geschaffen, so hat sie die Popularität des
Zoologischen nicht zu erschüttern vermocht. Zu bestimmten Tageszeiten hat er sein
bestimmtes typisches Publikum. Schon in den ersten Vormittagsstunden zieht in langen
Reihen die Berliner Schuljugend heran, geführt von ihren Lehrern und Lehrerinnen.
Leuchtende Kindergesichter drängen sich vor den Gittern, schulfrei, und Zoo dazu,
welchem Kinde solite da nicht das Glück aus den Augen schauen. Und wenn das
Glück dann vollständig sein soll, da wird der Lehrer seine Schützlinge zum Schluß
noch eine Viertelstunde vor dem Käfig der Missie weilen lassen, auch wenn der heutige
belehrende Besuch den Vögeln, den Ein- oder Zweihufern gegolten hat. Da geht ein

[Nachdruck verboten.]

Jauchzen los, wenn der große, ungemein intelligente und lustige Schimpanse sich mit
seinem Wärter neckt, wenn er sein Diner manierlich mit dem Löffel ißt, oder eine
Portion Kirschen so säuberlich verspeist, wie ein gut erzogenes Menschenkind. Mittler-
weile hat der Garten schon sein neues Publikum erhalten. Spreewälderinnen und
Kindermädchen mit ihren Pflegebefohlenen, den verwöhnten Kindern des reichen
Westens. Ein großer Sandspielpiatz gibt den größeren unter den Kleinsten Gelegen-
heit sich zu betätigen. Ältere Damen und Herren haben sich auf den schattenreichen
Bänken niedergelassen, um in der köstlichen Luft ihre Lektüre zu genießen. Ein
besonderer Platz, der sogenannte Lesehiigel, der von Kindern nicht betreten werden
darf, schützt sie hier vor dem alizu lauten Treiben der kleinen Welt. Am Nachmittage
beginnt jedoch erst das eigentliche gesellschaftliche Leben. Da sieht man die zahl-
reichen Fremden, die woh! die Reichshauptstadt nie verlassen, ohne selbst bei der
kärglich bemessensten Zeit dem Zoo einen Besuch abzustatten. Da flutet in den
Gängen bei den Klängen der Musik das elegante Berlin, und wenn bei zunehmendem
Abend die elektrische Beleuchtung ihre grotesken Schatten zeichnet, da kommen alle
die, die des Tages Arbeit hinter sich geworfen, die Erholungsbedürftigen aus Bureau
und Geschäften. Den Höhepunkt für die Kinder bildet die Karavane, die am Nach-
mittag auf den Hauptwegen von Wärtern herumgeführt wird, und aus einem Kamel,
 
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