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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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14. Heft
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Frobenius, Else: Aus der Porzellangalerie der Kaiserlichen Ermitage zu St. Petersburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0413

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MODERNE KUNST.

ftus der forzelfangalerie der Kaiser-

Mit Abbildungen nach Photographien

lichen Ermitage zu §>t f etersburg.

cles Kunstverlags Starija Godi.

\§)er die weiten Straßen und Plätze Petersburgs
durchwandert, wird stets ein Gefühl der Kultur-
fremdheit haben. Unverständlich wie ihre Sprache
ist ihm auch das Gefühlsleben der Russen, ihr Kult
und ihre Art sich zu geben. Betritt er aber das
neben dem Winterpalast gelegene Museums-
gebäude der Ermitage, so schwindet das Empfin-
den des Fremdseins. Er durchschreitet eine
Flucht von Prunkräumen. Vergoldete Stühle mit
purpurnen Bezügen, Tische mit Malachit- und
Lapislazuliplatten, hohe Kandelaber aus Granit,
und Jaspis und schön geschliffene Riesenvasen aus
dem gleichen bunten Gestein verleihen diesen einen
wahrhaft fürstlichen Glanz. Und inmitten solchen Reich-
tums erblickt er Kunstgegenstände von der höchsten Schön-
heit, die [Blüte dessen, was alle Kulturnationen seit Jahr-
hunderten geschaffen haben. Er sieht die schönsten Gemälde
eines Rembrandt und Murillo, römische Vasen und griechische
Altertümer. Im Saale der Kostbarkeiten flimmern Millionenwerte
in Brillanten und Edelsteinen, und in der Silbergalerie erstrahlen
schwere Kannen und Schüsseln, so kostbar, wie sie in ganz Europa
sonst nicht zu finden sind. Hinter der Silbergalerie, in einem zum Winterpalast
gehörigen und mit der Ermitage durch einen verdeckten Gang verbundenen

Museumsraum,
befindet sich
die aus dem
schönsten Por-
zellan der kai-
serlichen
Schlösser zu-
sammenge-
stellte neu ein-
gerichtete Por-
zellangalerie,
die erst seit
kurzem dem
Publikum zu-
gänglich ist. Ihr
Gesamtinhalt
ist kaiserlicher
Privatbesitz,

gleich allen Sammlungen der Ermitage. Diese wird von Beamten des kaiserlichen
Hofes verwaltet, der Zeremonienmeister des Allerhöchsten Hofes, Graf Tolstoi,
ist ihr Direktor, der Kammerherr S. M., Baron Foelckersam, Oberkonservator
der Abteilung der kaiserlichen Kostbarkeiten, zu der auch das Porzellan gehört.
So steht die Ermitage nicht nur äußerlich in engster Verbindung mit dem Zaren-
hofe. Sie repräsentiert auch zum Teil dessen Glanz und Reichtum und ihr Be-
sucher fühlt sich gewissermaßen als Gast des Kaisers.

Wenn man die Schätze der Porzellangalerie näher ins Auge faßt, bewundert
man die großzügige Energie, mit der die ersten russischen Kaiser und Kaiserinnen
das Beste und Erlesenste, was Kunst und Kultur Westeuropas boten, in ihre
neugegründete Hauptstadt verpflanzten, um sie in kurzer Zeit zum Kulturzentrum
des Nordens zu gestalten. Das schnelle Emporblühen Petersburgs fiel gerade
in die Zeit der Erfindung
des Porzellans. An allen
Höfen ward eifrig nach dem
Geheimnis der Porzellan-
bereitung geforscht,das man
zuerst in Meißen fand. Als
Staatseigentum blühten im
18. Jahrhundert in Meißen,

Wien, Sövres, Petersburg
und Berlin große Porzellan-
industrien empor, die sich
der besonderen Gunst der
Höfe erfreuten.

Schon Peter der Große,
derAnregerjeglichen Kultur-
einflusses in Rußland, hatte
1717 in der zur Herstellung
des roten Böttcherstein-
zeuges vom preußischen
Minister von Görne auf sei-
nem GutPlaue an der Ilavel

Russisches Porzellan:
Teller aus dem Service des
St. Georgs-Ordens.

Meißner Porzellan: Teekanne aus rotem Böttchersteinzeug.

gegründeten Fabrik ein Tischservice aus zinnober-
rotem Steinzeug mit vergoldeten Wappen bestellt.
Auf seinen Wunsch kam der Porzellanmeister Egge-
brecht im Jahre1718 nach Petersburg, und stellte
dort die ersten, noch vergeblichen Versuche zur
Porzellanbereitung an. Unter der Regierung
Elisabeth Petrownas wurden diese fortgesetzt.
Weder dem aus Stockholm berufenen, auch in
Wien und Berlin bekannten Christoph Konrad
Ilunger, noch dem Russen Lebratowski gelang
es jedoch, das Geheimnis zu finden.

Hungers Schüler, Dimitri Iwanowitsch Wino-
gradow, aber, der in Deutschland chemisch-physi-
kalische Studien getrieben hatte, setzte dessen Versuche
mit so gutem Gelingen fort, daß um die Jahrhundertmitte
die kaiserliche Porzellanma-
nufaktur inTätigkeit treten konnte,
und anfangs kleine, seit dem Ende
der fünfziger Jahre aber große Be-
stellungen annimmt, mit denen der
Hof sie ununterbrochen versorgt. Eine
Anzahl prächtiger Tee- und Tafelservice in der
Porzellangalerie zeugt von ihrer Leistungsfähigkeit.

Auch Privatindustrien wurden vom Staat unterstützt
und sind in der Galerie durch schöne Arbeiten
vertreten. In den 1750iger Jahren gründete der
aus England zugereiste Franz Gardner im Gou-
vernement Moskau eine Porzellanfabrik, die sich
bald zur ersten Privatindustrie Rußlands empor-
arbeitete. Hier wurde das Service des Georgs-
ordens bestellt, das bei Ordensfesten benutzt ward.

Die Mitte der Teller jst mit dem Ordensstern ge-
schmückt, der die Initialen Katharinas II. mit der
Aufschrift „Für tapferen Dienst“ trägt. Den Rand
ziert das lorbeerumwundene Ordensband mit dem
Ordenskreuz. Für den Wladimir-, Alexander-Newski-
und Andreasorden wurden genau ebensolcheService
bestellt, nur ist auf dem gleichfalls von Gardner
stammenden Andreasservice statt des Ordensbandes
die Ordenskette abgebildet.

Eines der ältesten russischen Stücke der Por-
zellangalerie ist die Tabatiere in Gestalt eines Wickelkindes, die mit einem W
bezeichnet ist und für eine Arbeit des Berliner Meisters Wegely galt, bis
kürzlich festgestellt wurde, daß sie drei Jahre vor dessen Zeit datiert ist, und
wohl von Winogradow stammt. Sie ist mit kleinen Brillanten geschmückt
und hat einen hohen Liebhaberwert.

Älter als die russischen Erzeugnisse aber ist das Meißener Porzellan, das
in ungewöhnlicher Reichhaltigkeit vertreten ist. Die Kaiserinnen Elisabeth und
Katharina machten nicht nur große Ankäufe und Bestellungen in Meißen, sondern
ihnen wurden auch oft wertvolle Porzellangegenstände gewidmet, da ihre Vor-
liebe für dieselben bekannt war. Weder fehlt in der Porzellangalerie das rote
Steinzeug, das Böttchers ersten Versuchen entsprang und durch eine zierliche,
mit silbergefaßten Edelsteinen geschmückte Teekanne vertreten ist, noch das

jetzt so banal gewordene
blaue Zwiebelmuster. Am
meisten ist die Heroldzeit
vertreten, jene Zeit der fein-
bemalten Nachahmungen
des Chinaporzellans. Von
chinesischen Malereien ging
man zu Allegorien, Land-
schaften und Kriegsszenen
über, wie sie das aus Unter-
satz, Tinten- und Sandfaß,
sowie blumengeschmückter
Glocke bestehende Schreib-
zeug des Grafen Biron zieren.
In der Mitte des Untersatzes
sehen wir eine buntgemalte
Schlachtszene, in den Ecken
violette Landschaften. Den
oberen Rand schmückt das
gräflich Bironsche Wappen,
den unteren die Initialen dcr

Russisches Porzellan:
Tabatiere.

Meißner Pörzellan: Jagdservicc für das Jagdschloß Katharina II. in Zarskojc Selo.

XXVII. 14. Z.-Z.
 
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