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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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Die Welfenhalie im Sehloss zu Gmunden.

Die Nachricht von der Verlobung der Kaiserlichen
Prinzessin mit dem Herzog Ernst August zu Braun-
schweig und Lüneburg, die endlich Preußens Versöhnung
mit dem welfischen Fürstenhause herbeiführte und in
ganz Deutschland so freudig aufgenommen wurde, hat
auch in Osterreich ein freundliches Echo gefunden.
Nach den Unglückstagen von Langensalza hatte sich die
hannoversche Königsfamilie auf österreichischen Boden
zurückgezogen und in Gmunden ein fürstliches Heim
geschaffen. Von hier aus hatte Ernst August von
Cumberland nach dem Tode seines königlichen Vaters
jenen historischen Brief vom 11. Juli 1878 geschrieben,
in dem er öffentlich erklärte, daß er nicht gesonnen sei,
sich seiner Rechte und Ansprüche auf den hannover-
schen Königsthron zu begeben und bis zur Erfüllung
seiner Forderungen vorläufig den Titel eines „Herzogs
von Cumberland und zu Braunschweig und Lüneburg“
führen werde. Während vieler Jahre konnte die Staats-
kunst kein Mittel finden, die schwierige Frage der
Thronfolge in Braunschweig in einer für die beiden
beteiligten Fürstengeschlechter befriedigenden Weise zu
lösen. Iirst die innigen Beziehungen durch die Ver-
lobung der Prinzessin Viktoria Luise mit dem jugend-
lichen Herzog Ernst August schafften alle Differenzen
aus der Welt, um deren
Beseitigung sich schon
früher wiederholt ver-
schiedene Mitglieder des
badischen und mecklen-
burgischenFürstenhauses,
die mit dem Hause Cum-
berland in direkten ver-
wandtschaftlichen Bezieh-
ungen stehen, vergeblich
bemüht hatten. In den
ersten Märztagen hielt nun
Prinzessin Viktoria Luise,
begleitet von ihrer Kaiser-
lichen Mutter, an der
Seite ihres Bräutigams
im Schlosse zu Gmunden
ihren Einzug. Festesjubel
umrauschte dasjungePaar
aus fürstlichem Geblüt,
und in Erwartung der
hohen Gäste war das
Schloß innen und außen
prächtig geschmückt. Die
Kaiserin bewohnte eine
Flucht von Zimmern im
ersten Stockwerke des
Schlosses, die nur den
höchsten Gästen des
I Iauses reserviert bleiben.

Von diesen Gemächern
aus scliweift das Auge
rings umher in die male-
rische Landschaft, über
den Traunsee hin und
weiter zum Traunstein
und den schönsten Partien
des Höllengebirges. Das
Gmundener Schloß ist im
Stile des 13. Jahrhunderts
erbaut. Seine Räume
enthalten eine Fülle er-
lesener Kunstschätze und wahrhaft fürstlichen Reich-
tums. Von besonderem Interesse aber ist die große
„Welfenhalle“. Neben vielen Kostbarkeiten und Er-
innerungen an das alte Geschlecht enthält sie u. a. zahl-
reiche mittelalterliche Reliquien, Altäre, Gemälde, goldene
und silberne Gefäße und eine wertvolle Geweih- und
Waffensammlung. Die Wände sind mit prächtigen Male-
reien, in denen das Wappen des welfischen Fürstenhauses
— Rosen, Disteln und Kleeblatt — immer wiederkehrt,
sowie mit erinnerungsreichen Kriegs- und Jagdtrophäen
aus alter und neuer Zeit geschmückt. S.

Intarsia.

Eine kunstgewerbliche Plauderei von Joseph Aug. Lux.

Unter den Ebenisten, wie die Kunsltischler früher
genannt wurden, ist der Intarsienschneider mit höheren
künstlerischen Weihen ausgestattet. Er fühlt sich als
das gewerbliche Mittelding zwischen Bildhauer und
Maler. Das Wort Inlarsia kommt aus dem Italienischen
und bezeichnet das kunstvolle Einlegen von farbigen
Hölzern in andere Hölzer als Flächenschmuck, davon
die italienische Renaissance als die Blütezeit der In-
tarsia herrliche Beispiele überliefert. Die Kunst ist
natürlich viel älter, sie reicht weit über das klassische
Altertum zurück, sie war in der morgenländischen
Kunst und namentlich im alten Agypten geübt, wo In-
tarsien aus schwarzem Ebenholz mit Elfenbein zu den
häufigsten Verzierungen der Möbel gehörten. Es ist
von vornherein zu beachten, daß die Intarsia eine Ge-

legenheit zur reicheren Entfaltung nur durch die Kunst
der Fournierung finden konnte, worunter man einfach
das Überziehen derMöbel mit einer dünn geschnittenen
feineren Holzart versteht. Aus dem Fournieren ging
die Intarsia eigentlich erst hervor, indem man das Be-
dürfnis empfand, die Fläche zu schmücken, was sehr
leicht auf diese Weise geschah, daß man zwei oder
mehrere verschiedenfarbige Fournierhölzer aufeinander
legte, das Muster heraussägte und diese herausgesägten
Stücke vertauschte. Mit diesen also gemusterten
Fournierplatten, die bei diesem Verfahren paarweise
oder mehrfache farbige Gegenstücke ergaben, wurden
die Möbelflächen bezogen. Diese uralte Technik wird
im wesentlichen auch heute noch in derselben Weise
gehandhabt. Diese Fournierungs- oder Bekleidungs-
technik war in der alten asiatischen und ägyptischen
Kunst schon zu hoher Entwicklung gelangt, wo man
nicht nur Möbel, sondern auch Architekturen fournierte
oder bekleidete, indem man sie mit glasierten und
reliefgeschmückten Platten überzog, eine stilgeschicht-
liche Erscheinung, die ihren Grund in dent Baumaterial,
dem Backstein, fand, der zu diesem Überzug heraus-
forderte. Diese Bekleidungstechnik wurde von der by-
zantinischen Kunst, die den Boden Italiens förmlich
durchtränkte, übernommen (man erinnere sich an die
Markuskirche mit ihren Mosaiken und Marmorfournie-

rungen); mit ihr feierte die Intarsienkunst in der italieni-
schen Renaissance ihre glanzvolle Wiederauferstehung
und begann von da aus ihren Siegeslauf durch Europa.
Bis dahin hatte sich in der mittelalterlich europäischen
Kunst nordwärts von Italien nur die Schnitzkunst, zu
der ebenfalls die byzantinische Epoche in der Zeit der
Völkerwanderung reiche Anregung gab, entfalten können:
Das erklärt sich stilhistorisch wieder damit, daß bei
den nordischen Rassen, deren eigentlicher Baustoff das
Holz war, schon eine gewisse Fertigkeit mit dem
Schnitzmesser vorhanden war. Bei dieser vorgebildeten
Neigung aus dem Vollen herauszuarbeiten, konnte die
heikle Fournierungs- und Intarsienkunst, für die es
übrigens an kundigen Handwerkern gebrach, keinen
Eingang mehr finden. Ja, bis auf den heutigen Tag
hat sich in der Baukunst der deutsche Norden ab-
lehnend gegen diese Bekleidungskunst des Südens und
Orients verhalten, was der unverhüllte Werkstein und
die Ausbildung des puritanischen Ziegelrohbaues' zur
Genüge beweist. Nehmen wir an, daß dieses Puritaner-
tum eine germanische Eigenschaft sei, obwohl das
Klima dabei viel mitzusprechen hat. Deutsche Er-
oberer haben diese massive Baukunst auch nach Italien
gefilhrt, wie der sogenannte Theoderich-Palast in Ra-
venna und eine Menge von Bauwerken an der Ostküste
Italiens beweisen, obgleich in diesem Lande weder
diese nordische Kunst noch die Gotik ein rechtes Ge-
deihen hatte.

Dort hatte die Kunst des Ostens mit ihrem hoch-
entwickelten Handwerkertum, das immer qualifizierten
Zuzug erhielt, die entscheidende Macht. Wieder ist der

Markusdom ein solcher Brennpunkt aufeinanderprallen-
der, sich bekämpfender Kunstrichtungen; aber trotz
seiner gotischen Gebärde macht er einen vorwiegend
orientalischen Eindruck. Es ist daher auch kein Zufall,
daß gerade in Venedig, und zwar in dem halbgotischen
Kirchengestühl die neuerblühte orientalische Intarsien-
kunst am entschiedensten auftritt. Sie ist iiber das
überlieferte Studium eines rein ornamentalen oder geo-
metrischen Musters schon hinaus und will als freier
Flächenschmuck nach der Art der Malerei oder der
Reliefschnitzerei bildlich wirken. In der Sakristei von
St. Marco befinden sich Intarsien mit figürlichen Dar-
stellungen aus dem Leben des heiligen Markus mit per-
spektivischen Stadtbildern. In Florenz, in oberitalieni-
schen, toskanischen und umbrischen Domen befinden
sich an Chorgestühlen, Pulten, Schränken und Wand-
verkleidungen herrliche Beispiele dieser Art, Straßen-
veduten, an denen die neuen Erkenntnisse der Perspek-
tive geübt und erprobt werden. Allegorische Gestalten
und Halbfiguren von Heiligen wie in der Kapelle des
Palazzo Publico zu Siena, in den Domen zu Pisa,
Orvieto, Certosa bei Pavia; erzählende Intarsiabilder
mit biblischen Szenen und Heiligengeschichlen in den
Chorstühlen von St. Domenico zu Bologna, im Dome zu
Bergamo und Genua; größere Intarsiagemälde als Ge-
täfel in der neuen Sakristei des Florentiner Donis, in

der Domopera zu Orvieto
(Krönung Maria); ja sogar
Intarsiastilleben (die ein-
zigen Stilleben der italie-
nischen Kunst!) an den
Chorpulten und Schrank-
werken, vor allem in der
Domsakristei zu Florenz,
in St. Giovani in Monte
zu Bologna, im Ilerzogs-
palast zuUrbino usw. usw.

Wie hoch dielntarsien-
kunst geschätzt wurde,
geht schon daraus hervor,
daß berühmte Künstler
verpflichtet wurden, Ent-
würfe für diese Technik
zu liefern. So haben für
die bildmäßigen Intarsien
Botticelli (Türen in Or-
bino), Borgognone -(Ge-
stühl der Certosa in
Pavia), Bramantino, Lotto
(Chorgestühl in Bergamo)
gearbeitet. Aber es be-
durfte nur ganz ausnahms-
weise solcher ganz großer
Künstler. In jener Zeit
waren die Handwerker
selbst auf einer hohen,
geradezu künstlerischen
Stufe, und gerade unter
den Intarsiatoren gab es
in Florenz, Siena und
Rom berühmte Meister-
namen. Im letzten Drittel
des Quattrocento waren
es wieder oberitalienische
Künstlerfamilien, die die
florentinische Tradition
ablösten und ihre Kunst
von Vater auf Sohn immer
weiter vererbten. Ihre Namen und Werke sind über-
liefert und gehören der Kunstgeschichte an.

Die italienische Renaissance hatte sich alsbald den
europäischen Norden erobert, seither gab es auch in
Holland, Belgien, England, Deutschland und Frankreich
Intarsiatoren. In Frankreich hat diese Kunst in der
Zeit des Barocks eine neue Entfaltung erlebt, die von
großem Einfluß auf den Kunstgeschmack der anderen
Länder und der folgenden Epochen war. Die ge-
schwungenen Möbel, die fourniert wurden, erhielten
einen reichen, wieder ins Ornamentale und Geometrische
gewendeten Intarsienschmuck, der sich vorwiegend aus
kleinen Stücken zusammensetzte, weil die kleinen
Stücke geeigneter waren, die geschwungenen Flächen
zu bewältigen. Dieser Intarsienschmuck wurde Mar-
quetterie genannt. Aufgekommen soll die Sache schon
in den Niederlanden sein, der hervorragendste Vertreler
dieser Kunst aber war ein Franzose namens Charles
Andre Boulle, der nicht nur Holz, sondern vor allem
auch Metall, Kupfer, Messing, Zinn, Silber, blau ange-
laufenen Stahl, dann auch Elfenbein, Schildpatt und
Horn in Holz einlegte. Die sogenannten Boulle-Mübel,
besonders auch Uhren sind weltbekannt und werden
bis auf dcn heutigen Tag nachgeahmt bzw. gefälscht.
Seit dem Aüflreten Boulles bezeichnete man jene In-
tarsien, die nur in zweierlei Holz ausgeführt waren, irn
Gegensatz zu den Boulle-Arbeiten als Mauresquen, wahr-
scheinlich in Erinnerung an die älteren über Venedig
und Spanien gekommenen Kabinette. Die Marquetteric
ist in ihrer Anwendung zu verfolgen bis in die Bieder-
meierzeit.

Die große Welfenlmlle im Scliloß Cumbcrland, Gmunden. Phot' IIans Brcucr' Han>ß urg-

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