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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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4. Heft
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Romberg, Otto Hermann: Die Ziele des Flugwesens
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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0112

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49

Die Ziele des Flugwesens.

Von Otto Romberg,

Hauptmann und Batteriechef im Ostfriesischen Feldartillerie-Regiment Nr. 62.

[Nachdruck verboten.]

cVSün Siegen solI das Fliegen werden, ein Siegen über die Oewalten des Luftmeers,
q7 so will es das uralte Jkarussehnen. Heute steht die Menschheit noch im blutigen
Kampf. Die Luft will sich ihre Geheimnisse nur in hartem Ringen entwinden lassen.
Aber der Lohn wird der Mühen und der Opfer, über die der Philister die Köpfe
schüttelt, wert sein. — Seit Urzeiten hat es Menscheti gegeben, in Ewigkeiten wird
es Menschen geben, die über ihre eigne Person die unsterbliche Sache gestellt haben.

Die Sache wills, braust durch die Jahrhunderte und klingt als beherrschender
Orundton auch durch das kämpfende Propellersausen und in dem taktmäßigen Stampfen
der Motoren. — Die Sache wills, daß auf dem Boden, den gestern noch das Blut des
Gefährten gerötet hat, heute andere zutn kühnen Fluge aufsteigen, um unter Verwertung
der bei dem Sturze gew'onnenen Erfahrungen ztt besseren Zielen zu gelangen. Das ist
kein zweckloses Spielen mit dem Leben, sondern ein zielbewußter ernster Sport, der
dahin drängt, die Daseinsfreude der Menschheit zu erhöhen, die Lebensbedingungen
durch Erschließttng neuer Verkehrswege zu verbessern und die Machtstellung der Heimat
durch die vermehrte Schiagfertigkeit von Heer ttnd Flotte ztt vergrößern. Daß für dieses
hohe Streben die Mühen nicht zu groß sind, sagt der Jubel der Menge, der dem Flieger
nachfolgt, kündet der Lorbeer, der sein oft zu frühes Grab deckt.

Viele Jahrzehnte eher als gehofft, ist der Menschheit der erste Flug geglückt. Die
letzten vier Jahre brachten überraschende Fortschritte. Viele Erfahrungen sind ausgewertet
worden. Die Fehlschläge zeigen aber stets erneut, daß das Flugproblem noch längst
nicht in vollem Umfange gelöst worden ist. Das Flugproblem muß aber gelöst werden,
soweit es die von der Natur jedem technischen Vordringen gesetzten Schranken nur
irgend zulassen. Diese Erkenntnis ist in den letzten beiden Jahren Gemeingut aller
Völker geworden. Die
Franzosen gingen als Pfad-
finder voraus, die übri-
gen sind mehr oder min-
der zögernd gefolgt. Die
Frage, ob Luftschiffe oder
Flugzeuge in erhöhtem
Maße gefördert werden
sollen, ist verstummt,

Luftschiffe und Flugzeuge
werden nebeneinanderwei-
ter entwickelt. Die Heeres-
verwaltungen der Groß-
mächte und einer Anzahl
kleinerer Staaten sind ge-
meinsam mit Wissenschaft
und Technik und zu-
sammen mit den einhei-
mischen Luftfahrerverbän-
den an eine gleichmäßige
Organisation und Förde-
rung des Flugwesens her-
angetreten.

Die erforderlichen er-
heblichen Mittel werden
im Etat und durch frei-
willige Sammlungen im
Lande aufgebracht. Bei
weitem die meisten Gelder
macht Frankreich verfüg-
bar. Im Jalire 1908 be-
ginnend, sind jenseits der
Vogesen in wachsendem
Maße dem Flugwesen
Summen zugeflossen. Im
Etat allein waren bis 1911
zusammen 12 ’/s Millionen
Franks, in diesem Jahre
sogar 23 ’/s Millionen
Franks eingestellt. Mit
derartigen Kapitalien hat
sich bisher schon viel er-
reichen lassen, wie die
Leistungen der französi-
sclien Flugzeugindustrie
und die ausländische Nach-
frage nach ihren Erzeug-
nissen beweisen. — Die
französischen Erfolge ha-
ben klar vor Aller Augen

gerückt, daß die Förderung des Flugwesens in allererster Linie eine Geldfrage ist.
Es muß zunächst eine sehr kapitalkräftige Flugzeugindustrie geschaffen werden.
Durch reich mit Preisen ausgestattete Wettbewerbe und gesicherte Nachfrage miissen
die kostspielige Konstruktions- und Versuchstätigkeit und das erhebliche Risiko aus-
geglichen und ausreichende Reingewinne geschaffen werden.

In großzügiger zusammenfassender Weise muß die Technik der Flugzeuge gefördert
werden. Das Daraufloserfinden mit unzureichenden Mitteln muß aufhören. Die Luft-
schiffe von Zeppelin, Parseval, Schütte-Lanz, Siemens-Schuckert sind durch planmäßige
Konstruktionsarbeit und unter Aufwendung größter Kapitalien zu ihrer heutigen
Leistungsfähigkeit gebracht worden. Die Flugzeugtechnik muß den gleichen Weg gehen.
Konstruieren, planmäßig konstruieren heißt es. — In Deutschland ist richtigerweise mit
staatlicher Subvention eine von der Industrie wirtschaftlich unabhängige Versuchs-
anstalt geschaffen worden, die jetzt ihre seit langem geforderte Tätigkeit beginnt.
Alle Ertahrungen und Erkenntnisse sollen hier zusammenfließen und der Förderung
von Wissenschaft und Technik nutzbar gemacht werden. Ncuerungen sollen begutachtet
und erprobt werden. Brauchbare Entwürfe mit staatlicher Beihilfe zur Durchführung
gelangen.

Die Wissenschaft hat der Luftfahrt Lehrstiihle errichtet. Die Wetterwarten und
aeronautischen Observatorien durchforschen den Luftraum, Fortschritte sind gemacht,
aber das innerste Wesen der Luftbewegungen, die der Vogelflug so geschickt ausnutzt,
ist noch verschlossen. Unausgesetzte Forschung muß Klarheit schaffen. Es ist bekannt,
daß die unteren Luftschichten infolge der durch Erderwärmung und Bodenbedeckung
bedingten aufsteigenden Luftströme mancherlei dem Flieger verhängnisvolle Über-

raschungen bergen. Kon-
strukteure und Flieger
müssen das Luftmeer prak-
tisch kennen lernen, um
richtig bauen und über-
legt fliegen zu können.
Die geeignete Schule hier-
für bilden Freibalion-
fahrten. Die Teilnahme
an einer nicht zu geringen
Zahl von Fahrten muß
für jeden angehenden Flie-
ger pflichtmäßig werden.
Der bereits durchführ-
bare Einbau der Apparate
der drahtlosen Telegraphie
in sämtlichen Flugzeugen
wird den Gewittermelde-
dienst, dessen Ausbau von
den Behörden mit dankens-
werter Anstrengung ge-
fördert wird, erst wirk-
lich wertvoll machen
undWetterüberraschungen
während des Fluges aus-
schalten.

Die Sicherheit des
Fliegens muß erhöht wer-
den. Die Beanspruchung
des Flugzeugs in allen
Teilen beim Abfluge, wäh-
rend des Fluges und na-
mentlich beim Landen ist
derartig, daß nur beste
erprobte Werkstoffe und
festester Aufbau geniigen.
In richtiger Erkenntnis
dessen werden bei den
meisten der neueren Typs
Festigkeitsgrundsätze an-
gewendet, wie wir sie
auch beim Schiffbau fin-
den. An die Stelle des
Gewirrs von Drähten sind
solide Stahlkabel getreten,
deren Stärke ihrer Bean-
spruchung entspricht. Die
Konstruktion der Flügel ist
detikbar sorgfältig durcli-
geführt. Die Karosserie

XXVII. 13.

E. Samson: Angstgeheul.
 
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