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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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9. Heft
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Wohlbrück, Olga: Der eiserne Ring, [8]
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Unsere Bilder
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MODERNE KUNST.

Willen sprach,
der ein blühen-
des Leben aus
denArmen eines
untröstlichen
Gatten, einerlie-
benden Familie
gerissen“.

NurThomas
hatte sich wie-
der unverant-
wortlich benom-
men: er war

nicht zur Bei-
setzung erschie-
nen, liatte nur
einen Kranz
geschickt, mit
breiten, weißen
Schleifen und
der Inschrift:

„Unserer Dora.

Thomas. Lyda.“

Und da man
wohl wußte, daß
die beiden noch
nicht verhei-
ratet waren uncl
die Fremde
immer noch als
„Person“ emp-
fand, so trennte
man dieSchleife
ab und legte
den Kranz un-
auffällig zu den
Kränzen der Be-
kannten.

Heute mittag

aber, acht Monate nach Doras Beerdigung, war Ulrike, in demselben
grauen Seidenkleide, das sie zur Hochzeit ihrer Schwester getragen hatte,
dem Kriegsgerichtsrat Delfert vor dem Standesamt angetraut worden.

Und nun saß die Familie — die Delfertschen Damen in heller Halb-
trauer — um den lang ausgezogenen, mit Blumen geschmückten Tisch in
der Wohnung des Kriegsgerichtsrats, und alle tranken einander zu, ge-

Unsere

tr\

fie Stimmung tiefsten Winters, wenn der vom Himmel flockig hernieder-
gesunkene Schnee die Hütten des Dörfchens mit dem alten niedrigen Kirch-
turm bedeckt, die Erde in ein weißes Tuch htilft, an den kahlen Ästen der Bäume
hängen bleibt und nur von dem träge hinfließenden Bache aufgesogen wird, hat
Alfred Couturaud in seinem Gemälde „ Winterlandschaft “ festgehalten.
Tiefe Stille herrscht urnher, als ob alles Leben wie im Traume dahinschreite,
und die dunkle Himmelswand deutet an, daß noch vielmehr Schnee auf das stilfe
Land herabsinken werde. — Wie anders ist dagegen die frostklingende Winter-
stimmung, die in E. Harrison Comptons Bilde „Am Antoniberge“ zum
Ausdruck kommt. Zur Rechten die einzelnen Stationen des Kreuzweges, der zur
Wallfahrtskapelle St. Anton bei Garmisch-Partenkirchen hinaufführt. Darüber
lockt der Himmel im reinen Blau des klaren Tages, und zur Linken erstrahlen
die Berge im schimmernd weißen Schneekleide, das sich wie ein Festgewand um
ihre Glieder schmiegt. In der Ferne wird der Aussichtsberg „Kramer“ sichtbar.

* *

*

Aber der Poesie des Winters steht die Not und das Leiden gegenüber, das
er über alle Wesen, die der Natur nahe stehen, nicht nur über die Tiere, auch
über die Armen und Ärmsten unter den Menschen bringt. Wie eine Vision des
Elends und der Unterdrückung, die uns in Gedanken zu den Strafgefangenen nach
Sibirien versetzt, wirkt L. P. Pouzargues Gemälde „Fronpflichtig“. Es
gleicht einem beängstigenden Traume, und traumhaft bedrückend hat der Künstler
auch die Züge seiner Arbeiter gehalten, die am kalten Wintertage einen Baum-

messen — und
doch froh be-
wegt.

Die Familie
hatte die.se Hei-
rat zustande ge-
bracht — vor-
sichtig — takt-
voll. Es war die
einzig richtige
Lösung. Der
gute Hermann
hatte wieder
eine Frau, und
zwar die Frau,
die am besten
zu ihm paßte
und der Familie
am bequemsten
war. Die Ge-
heimrätin und
Ulrike waren bis
an ihr Lebens-
ende versorgt.
Es gab weder
neueUmwälzun-
gen noch neue
Kosten. Die
Wohnung war
bereit; Ulrike
bedurfte keiner
Aussteuer. Do-
ras Kleider paß-
ten ihr „wie an-
gegossen“. Man
konnte es sich
gar nicht besser
wünschen.
Thomas,derein-

zige, der die harmonische Eintracht vielleicht gestört hätte, war auch
diesmal nicht gekommen. Und schließlich waren alle froh, daß er init
seiner Frau in München lebte.

Das Leben und der Tod hatten ausgestoßen, was sich nie recht hatte
einfügen wollen in den Kreis der Familie Delfert.

Jetzt war der eiserne Ring geschlossen. — — — [ENDE.j

33iider.

stamm zum Flusse zerren, während der Fronherr mit dem Schwerte in der
Hand auf dem Rosse hält und sie zu der peinvollen Arbeit antreibt.

* *

Das Geheimnis himmlisch-irdischer Liebe, dem Richard Wagner in seinem
Musikdrama „Tristan und Isolde“ Ausdruck verliehen hat, sucht R. de Egus-
quiza in seinem Bilde „Der Tod der Isolde“ künstlerisch zu gestalten. Auf
den toten Freund ist Isolde sterbend hingesunken. Leichter Nebel, der vom Meere
aufsteigt, hüllt die Landschaft, als wollte er die Seelen der beiden vermählen.
Neben ihnen aber blüht ein Rosenstrauch, das Zeichen himmlisch-irdischer Liebe.

* *

*

Der Reiz klarer Frische geht von Hubert Ritzenhofens Gemälde „Aus-
fahrt der Fischerflottille“ aus. Frei, offen und heiter liegt das Meer, in das
die Flottille der Fischer des belgischen Küstenortes „La Panne“ hinauszieht.
Ein azurnes Blau bedeckt den Himmel und wird nur von weißen Wölckchen
unterbrochen, als kenne das Meer keine finsteren Wogenberge und Stürme.

* *

*

Die Katze in ruhendem Zustande ist wohl nur für die Malerei darstellbar.
Bei keinem andern Tiere zeigt sich der Körperbau durch das Fell so aufgehoben
und ins Rein-Malerische aufgelöst wie bei ihr. Wer könnte unter den Farben-
flecken den Gliederbau klar bestimmen! Diesem stillgesättigten, halbschläfrigen
Wohlbehagen der Katze hat F. Oger in seinen Bildern „Ruhende Katze“
und „Aufblickende Katze“ vortrefflich Ausdruck verliehen.

Herman Frobenius: Die Gerechten und die Sunder. Aus den Kunstausstellungen Ed. Schulte, Berlin-Düsseldorf.

XXVII. 30.
 
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