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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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8. Heft
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Anwand, Oskar: Der Bismarck am Rhein
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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0240

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MODERNE KUNST.

Der Bismarck

J7)ler Streit um das Bismarck-
Nationaldenkmal ist noch in
aller Erinnerung; als man dem
EinigerDeutschlands auf derElisen-
höhe bei Bingerbrück am Rhein
ein Denkmal setzen wollte, geriet
man in Zwietracht. Der Entwurf
des Plastikers Hahn und des Archi-
tekten Bestelmeyer hatte zweimal
den ersten Preis erhalten; aber
schließlich wurde dem Projekt des
Architekten Wilhelm Kreis und
des Bildhauers Hugo Lederer die
Ausführung zugesprochen. Doch
auch dieses ließ viele Wünsche un-
befriedigt, und es rief ein scharfes
Für und Wider hervor. Für den
Bau sprach seine wuchtige, ge-
schlossene Wirkung, sein Beherr-
schen des Hügels, aus dem er doch
organisch erwachsen erschien. Aber
mit Recht warf man ihm vor, daß

Endgültiger Entwurf zurn Bismarck-Nationaldenkmal. Die Halle mit dem Säulen-Vorhof.

Endgültiger Entwurf zum Bismarck-Nationaldenkmal.
Das Bismarck Standbild.

er kein eigentliches Bismarck-Denkmal sei,
das den Großen uns lebend
wiedererstehen Iasse, sondern
ein Mausoleum, das den Toten
umsargt hielte. Ferner ward be-
tont: an Stelle von freier Größe
atme der Kuppelbau wuchtige,
lastende Schwere. Der ähnliche
Vorwurf der Ruhe und Steifheit
wurde gegen die sitzende Bis-
marckstatue Hugo Lederers im
Innern derPIalle erhoben. — Nun
hat der Entwurf, nachdem er
in mehr als jahrelanger Umar-
beitung manche wichtige Wand-
lung erfuhr, dem Preisgericht
noch einmal vorgelegen, und er
ist einstimmig angenommen
worden.

Man muß auch unbedingt
zugeben, daß die Anderungen
zum Bessern geführt haben.
Wilhelm Kreis hat seinen Riesen-
bau, der zuerst in der heraus-
fordernden massigen Höhe von
ca. 75 m gedacht war und auf
dem Hügel lastete, um ca. 20 m
verkleinert. Das ist für einen Rundbau immer noch eine außerordentliche Größe,
die dem Hügel jetzt aber weit mehr entspricht. Denkt man sich dessen an-
steigende Silhouettenlinie nach oben verlängert, so trifft sie
ungefähr den Gipfel des Monuments, das früher weit über
sie hinausragte. Überhaupt hat Kreis die lastende Schwere
seines Baues gemildert; aus dem romanischen Mausoleum
oder Wartturm ist ein Tempel vorwiegend antiken und
renaissancehaften Stils geworden, der freier wirkt. Freilich
ein tempelartiger Bau ist es geblieben; und zunächst würde
ihm wohl niemand ansehen, daß er ein Bismarck-National-
denkmal sein soll. Bismarck und die Renaissance; es will
nicht recht zueinander passen; eher könnte man dabei an
Goethe denken. So breit, so hoch, so kühn und frei, nur
noch freudiger, lichter und reicher hat er sein Lebens-
werk aufgebaut.

Betrachtet man aber das Werk an und für sich, so
wird man stark von seiner Schönheit gefangen. Auch darf
man die Schwierigkeit der Aufgabe, auf einem Hügel ein
Monument zu errichten, nicht außer acht lassen. Schließlich
ergibt nur ein geschlossener Bau, auch von der Entfernung
gesehen, die erforderliche Wucht, während ein Denkmal
im gewöhnlichen Sinne kleinlich erschienen wäre. Einzel-
Persönliches auszudrücken, dazu besitzt aber der ge-
schlosseneBaustil kaum die erforderlicheBeweglichkeit; oder
er besitzt sie doch heute noch nicht. Deshalb hat sich Kreis
mit einer wuchtigen, heiligtumartigen Form begnügt. —

Während sein früherer romanischer Rundbau eine hohe

[Nachdruck verboten.]

Kuppei und außen herum acht
säulenartige Halbtürme aufwies,
die ihn verdickten und gar nichts
zu tragen hatten, wird der jetzige
Tempel von zwölf dorischenSäulen
gestützt, zwischen denen umgekehrt
Nischen nach innen hineingehen.
In den dreieckartigen Feldern über
den Kapitellen der Säulen befinden
sich Ziermasken; darüber läuft das
Stirnband des Baues, den schließ-
lich ein flaches Dach abschließt.
Der Eindruck des Ganzen ist in
einzelnen Teilen jetzt fast zu heiter
und geschmückt; doch wird es
Kreis eine Leichtigkeit sein, durch
Weglassen von Einzelheiten hier
eine festere Geschlossenheit und
schlichtere Größe zu erzielen.

Aber das Monument ist mit
dem Rundbau selbst und der
Terrasse, die nach der Rheinseite hinausgeht und zwischen dem Kunstwerk und
dem felsigen Hügel sehr geschickt eine Brücke bildet, zugleich aber auch ein
Podium darstellt, noch nicht erschöpft. Hinter dem Tempel — oder wenn
man will vor ihm, da die Wege zu dem Bismarck-Nationaldenkmal auf der
dem Rhein abgekehrten Seite hinaufführen — liegt ein mächtiges Rechteck
dorischer Säulen als Vorhof. Der architektonische Zweck dieses Festplatzes ist:
Auge und Aufmerksamkeit auf den Rundbau hin zu vereinen, ähnlich wie es
die Kolonnaden bei St. Peter in Rom tun, und ihn noch gewaltiger erscheinen zu
lassen. Da dieses Säulenviereck etwa vier Meter tiefer als der Fußpunkt des
eigentlichen Tempels liegt, so steigt der Besucher eine breite Treppe zwischen
den Figuren Siegfrieds und Hagens, den Symbolen der Kraft und Treue, zum
Tempeleingang hinauf.

Auch das Innere der Halle hat durch die Umarbeitung mit ihrer schönen
Gliederung sehr gewonnen. Den unteren Teil bilden wiederum herbe, dorische
Säulen, dann folgt schlichte, stark wirkende Baumasse und oben die reichere
figurengeschmückte Gliederung der Innenseite des Stirnbandes, worüber sich die
flache Kuppel wölbt. Den ganzen Raum, der sein Licht von oben durch das
Auge empfängt, beherrscht die kolossale Bismarck-Statue Hugo Lederers, die
dem Beschauer gegenüber — sitzt. Zweifellos ist es ein unglücklicher Gedanke,
den großen Kanzler sitzend darzustellen. Die Hünengestalt seiner Persönlichkeit
kam im Leben, gerade wenn Bismarck stand, zur vollen Wirkung; ebenso lebt
er als Einiger und Erheber des deutschen Volkes in der Kämpferstellung des
Stehenden fort. Gott sei Dank braucht er doch nicht wie der entschlummerte
Barbarossa die hingesunkene Macht und Größe des Reiches darzustellen.

Hier zeigt sich der Grundfehler der Wahl eines mausoleum- oder tempel-
artigen Rundbaues für ein Bismark-Denkmal. Die Wucht und Feierlichkeit des
Raumes erforderte wohl einen sitzenden Bismarck. Dann ist eben die ganze
Anlage falsch, da der Geist des Angriffs, der Kraft und kühnen Freiheit, wie er
in diesem Großen lebte, entscheiden mußte. Es wird das Volk sicher enttäuschen,

Endgültiger Entwurf zum Bismarck-Nationaldenkmal. Aufblick vom Rheine.

am Rhein.

XXVII. 8. Z.-Z.
 
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