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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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23. Heft
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Bethge, Hans: Biedermeier
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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0720

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MODERNE KUNST.

303

Die Damen trugen daher Pelerinen aller Art,
manche dem Burnus, manche der spanischen
Mantille angeglichen, vor allem aber wurde
der Kaschmirschal Mode und erhielt sich jahr-
zehntelang in der Gunst der Frauen, während
man jahrzehntelang den eigentlichen Mantel in
der Tat nicht kannte.

Die Herren entfalteten den größten Luxus,
wie heute noch, in Westen und Halsbinden.

Dietlalsbinden waren meist schwarz, sie wurden
sehr hoch gebunden und verdeckten den Kragen
oft ganz. Eine kostbare Nadel wurde hinein-
gesteckt. Die Herrenkleidung war von einer
größeren Farbenfreudigkeit, im Gegensatz zu
unseren Tagen. Laubgrüner Frack, hellgrüne
Weste und violettes Beinkleid waren anno 1832
das Schickste, was es gab. Elegante Reiter
trugen 1837 veilchenblauen Frack mit goldenen
Knöpfen und dazu Hosen von weißem Samt.

Man denke sich das zu Pferde, etwa auf einem
Rappen! Die elegantesten Herrensachen wurden
schon damals aus London bezogen, während
das Dorado für die Moden der Frau wie immer
Paris war.

Man wohnte in einfachen, bürgerlichen
Zimmern, vor deren Fenstern, volle, blumige
Gardinen hingen. Die Möbel hatten sich aus
dem Empire-Stil entwickelt, sie hatten diesen
Stil behaglicher, zierlicher und wohnlicher ge-
macht, unter allmählichem Verzicht auf den
Bronzeschmuck, der ja für die Empiremöbel charakteristisch ist. Das typische
Biedermeiermöbel ist die Servante, der Glaaschrank, dessen Rückwand von einem
Spiegel eingenommen wird. In der Servante wurden die Porzellansachen zur
Schau gestellt, besonders Tassen, die das typische Porzellan derEpoche darstellen.
Man hatte eine Vorliebe für Tassen, sie waren das beliebteste Geburtstags-
geschenk, und die Porzellanmaler tiberboten sich in der Sinnigkeit der Allegorien
und Symbole, die sie auf Tassen malten.

Die Möbel sind meist aus hellem Kirschbaum- oder Birkenmaserholz ge-
fertigt, sonst igt nur noch Mahagoni Mode. Bronzene Stutzuhren stehen unter
einem Glassturz in der „guten Stube“. Später hat man sie aus billigem Alabaster,
einem unedlen Stein, der sich leicht bearbeiten läßt, hergestellt.

Die Jugend tanzt viel und zwar neben Walzer und Schottisch besonders
Polka, die ungemein beliebt war, so daß Spötter im Jahre 1844 von einer „Polka
morbus“, einer Polkakrankheit, sprechen konnten. Lebende Bilder werden in
Gesellschaften häufig gestellt, meist sind es romantische Szenen aus den Romanen
von Walter Scott, denn in den zwanziger und dreißiger Jahren besonders hat
das Publikum aller Nationen fast nichts weiter gelesen als Walter Scott; noch
viele Jahrzehnte hindurch bleibt er in Mode. Auch Lord Byron wird populär,

wohl mehr noch durch sein abenteuerliches Leben als durch seine Dichtungen,
und der Weltschmerz, der in ihm war, wird zur Pose einer ganzen Generation.
Die Romantik spukt in allen Gemütern. Und es kommt zu so unsinnigen Ver-
stiegenheiten wie die der Charlotte Stieglitz. Diese Frau ersticht sich im
Jahre 1834 in der überspannten Absicht, ihrem dichterisch unfähigen Mann eine
Sensation zu bereiten, damit er nun dichterisch einen Aufschwung nähme (was
er natürlich nicht tat).

Die Biedermeierzeit zeigte eine seltsame Verquickung von Bürgertum und
Romantik. Die Bezeichnung „bourgeois“ in dem Sinne, wie wir das Wort heute
gebrauchen, stammt aus jenen Jahren. Die Poesie des Bürgertums krystallisirte
sich in jener Epoche, die bei all ihrer Liebenswürdigkeit auch mancherlei Auswüchse
zeigt, — aber freilich, welche Zeit wäre davon frei? Aus jenen Jahren (man kann
das Jahr 1830 annehmen) datiert die Verallgemeinerung einer Sitte oder Unsitte der
Männer, die sich trotz allen lebhaftenProtesten derFrau durchgesetzt hat: dasTabak-
rauchen. Wie eine Seuche griff es um sich, und alles Eifern der Frau dagegen war
nutzlos. Ja im Laufe der Zeit geschah es, daß nicht sie die Männer, sondern um-
gekehrt, die Männer sie bekehrten. Heute sitzen unsere jungen Damen in den
Salons auf dünnbeinigen Sofas ä la Biedermeier und rauchen selbst Cigaretten!

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feimatspiele in Potsdam. Auf dem
Brauhausberge in Potsdam finden auch in
diesem Sommer wiederum „Heimatspiele“, ähn-
lich wie im Vorjahre, statt. Diesmal ist es die
markante Gestalt des „Marschall Vorwärts“,
der den Zuschauern in lebensvoller Darstellung
vor Augen geführt wird. Axel Delmar hat es
verstanden, einen geeigneten volkstümlichen
Ton zu finden, der dem vaterländischen Milieu
vollauf gerecht wird und sich dabei doch von
überschwenglicher Ruhmrederei fernhält. Der
Verfasser zeigt uns den verdienstvollen und
weitaus populärsten aller Ileerführer aus jener
denkwürdigen Epoche als einen wahren Vater
seiner Soldaten, durchdrungen von heißester
Liebe zu dem gedemütigten Vaterland, getragen
von Opfermut und Begeisterung — ein echter
Held, dessen Geist die Freiheitskämpfer beseelt
und sie zu jenen großen Taten geführt hat, wie
sie in der Geschichte einzig dastehen. Neben
dem Helden des Volksstückes sehen wir Yorck,
Gneisenau und Schwarzenberg, sowie den
Kaiser Alexander von Rußland in gemeinsamer
Arbeit am Freiheitswerk. Durch das ganze
Volksspiel weht ein frischer Zug, der noch
gesteigert wird durch die lustige Liebesepisode
zwischen zwei eng befreundeten Rivalen und

Blick auf dert Zuschnuerraum im Stnrlion.

I'hot. Gebr. liaeckel, Berlin.
 
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