MODERNE KUNST.
ta, sie haben einen seltenen Reiz, diese
Charakterstudien in der Tierwelt, dieses
Festhalten von Form, Ausd'ruek und Bewegung
auf der lichtempfindlichen Platte, um später
im Papierabdruck ein so reizvolles Genrebild
zu geben. Seit Jahren beschäftige ich mich
mit diesen Studien und diesem Suchen und
Finden von Ausdrucksmöglichkeiten der Tier-
seele, um sie im Bilde festzuhalten. Unser
Zeitalter der Naturwissrn-chaften hat das Tier
dem Menschen gegenüber in eine andere, in eine
höhere Stellung gerückt. Man spricht ihtu eineti Grad
von Intelligenz zu, den man früher skeptisch belächelt
hätte. Finzelne Fanatiker gehen so weit, ihm das Ausdrucks-
mittel der menschlichen Stimme, die Sprache, zueignen zu wollen
wie dem redenden Hund Don, dem sprechenden Kater, den buch
stabierenden Araberpferden Muhammed und Zariff: „Ist dies schon Tollheit, hat
es doch Methode!“ Mögen solche Paradoxen ihre verschiedene Beurteilung in
Fach- und Laienkreisen finden; jedenfalls sind sie ein Beweis dafür, daß eine
ungewöhnliche Ausdrucks- und Bildungsfähigkeit des tierischen Intellekts vor-
handen ist, die den Dresseur oder Lehrer zu den gewagtesten Vermutungen und
Aussprüchen veranlassen. Uns diesen Grad der Ausdrucksfähigkeit der Tierseele
in reizvollen Genrebildern zur Darstellung zu bringen ist das interessanteste
Tätigkeitsfeld des Photographen, der Liebe genug zur Natur und zum Tier hat,
Ltm in langen und mühevollen, aber stets dankbaren Versuchen und Studien
Anregung und Befriedigung zu finden.
„Der Luft, dem Wasser wie den Erden entwinden tausend Keime sich“ und
allüberall finden sich Berührungspunkte für die Kamera mit dem, was da draußen
lebt. Kein gaukelnder Schmetterling, kein noch so unscheinbareg Insekt, kein
anscheinend noch so niederorganisiertes Tier ist unwert, auf die lichtempfind-
Vizemutter.
Phot. Käthe Ilecht, Stralsund.
Platte zu bannen, ist eben der Ausdruck ihrer
Intelligenz, dessen Grad kennen zu lernen Stu-
dium des Photographen ist, und von dessen rich-
tigem Erfassen auch das Gelingen des Bildes
abhängt. Nicht jedes Tier eignet sich gleich
gut für eine mit bestiinmter Disposition auf-
gebaute Aufnahme. Für mich ist jedes Tier
cine Persönlichkeit, dessen iiulividuelle Eigen-
art zu ergründen und dicsc dann itn Dienste der
Kamera zu verwerten mir einen iiolten und cigett-
tümlichen Rciz hietct. Es gibt ganz ungeeignete
F.leinente nnter meinen Zöglingen, solche werden naeh
längeren vergebliclien Versuclten ausgemerzt und durch
tndere ersctzt. Ielt lialtc Kröten, Mäuse und Krähen, gezähnit
und ungezähmt, photographiert und aus einer Anzahl immer nur
einige für geeignet gefunden, mir durch Stellung und Anpassungs-
fähigkeit zum Biide zu verhelfen. Aber ohne Liebe kein Ziel. Das Tier weiß
überraschend schnell den Tierfreund herauszufinden, es fügt sich, wenn zuerst
auch widerstrebend, gern der Härid, die es mit sanfter Geduld immer wieder
auf den angewiesenen Platz zurückführt. Ein hartes, in Ungeduld ausgestoßenes
Wort, ein böser Blick nrachen den Erfolg vieler Wochen oft zunichte.
Mit welcher unsägiichen Geduld mußte ich für das Bild „Vizemutter“ dem
Jagdhund die Milchflasche wieder und wieder zwischen die Zäline legen, zwanzig-
darafji fe rsfudicn in der
JTienreff mif dcr Xaniera.
Ein Un^ehcuer. Phot. Iväthe Ilecht, StraKund.
liche Piatte gebannt zu werden. Unsere neucren zoologischen Werke, wie die
groß angelegten „Lebensbilder der Tierwelt“ von Meerwarth, der neue schöne
„Brehm“ im meist farbigen Gewand entlehncn ilire Illustrationen der Kamcra-
kunst. Es sind keine Zeicitnungen mehr, die viel oder wenig von der subjektiven
Auffassung des Malers und seines Pinsels beeinflußt sind. Diese Illustrationen
sind ein Naturerlebnis für den Beschauer und zaubern vor dessen Auge cir.cn
Naturausschnitt, wie ihn die mühevolle Geduld des Photographeu nach stunden-
langem Lauschen unä Harren, nach tagelangem Beobachten und Forschen end-
lich errungen hat. Das reiche Familienleben unserer Säugetiere, das graziöse
Liebesspiel der gefiederten Welt, die treue Eltern- und Gattenliebe sind Erleb-
nisse, Vorgänge, oft nur flüchtige Momente,
die von der scharf zeichnenden Optik in eine
Natururkunde umgesetzt sind, dazu bestimmt,
dem Ilerzen der Schüler und Erwachsenen
die Tierwelt näherzubringen, Liebe für das
Tier und die Natur zu erwecken.
Aber nicht vom Photographieren des
freilebenden Tieres wollte ich sprechen. Die
Illustrationen des vorliegenden Aufsatzes sind
ein Beweis für meine Studien an dem ge-
zähmten Tier, dem Haustier. Denn diese
und namentlich diese weisen in ihrer typi-
schen Eigenart, in ihrem physischen, ja ich
möchte sagen psychischen Leben tausend
Züge der Besonderheit auf, der Beachtung
wert. Ihre Anpassungsfähigkeit an den Willen
des Photographen, der sie in dieser und
zwar genau in dieser Steilung haben will,
um das im Geiste aul'gebaute Bild auf die
Urteil des Paris. PIl0t- Käthe !Iecht' Stralsund.
mal ließ er sie wieder fallen mit einem wahrhaft spitzbübischen Ausdruck seiner
klugen Augen; wie oft mußte das zierliche Rehkitz zu seinem sonst so geliebten
Spiclkameraden geführt werden, bis der eine die Fiasche hielt, das andere die-
selbe nahm, utn sie bis zum letzten Tropfen mit gewohnter Energie zu leeren.
Vielleicht noch schwieriger gestaltete sich die Sitzung zum „Urteil des Paris“.
Zunächst laufen rrieine Krähen mit wahrhaft beängstigender Hast neugierig hier-
hin und dorthin, drehen den Kopf nach allen Seiten, zanken sich, putzen die
Federn zurecht, kurz, ein Chaos ohnegleieheri. In einer Linie, diclit nebenein-
ander sollen und rnüssen sie stehen, um mit intensiver Aufmerksamkeit den
Papagei als Paris anzuschauen. Unmöglich scheint es! Aber „Geduld will bei
dem Werke sein“. Endlich bleiben die Krähen auf ihrem Platze, endlich ver-
harren alle in der ihnen angewiesenen Stellung! Nun heißt es schußbereit mit
der Kamera sein. „Ein einziger Augenbiick kann alles umgestalten“, und Aus-
druck und Bewegung, nicht mit dem schnell und geräuschlos arbeitenden Moment-
verschluß festgehalten, kehrt vielleicht niemals wieder. Dies gilt auch vom „Ein
Küßchen in Ehren, kann niemand verwehren“, wo Hund und Krähe mit einer
unnachahmlichen Drolligkeit sich einander nähern, urn niemals wieder diese
zarte Berührung zu wiederholen.
Gute optische Ausstattung in einer
Spiegelreflexkamera und hochempfindliches
Plattenmaterial sind für solche Aufnahmen
uneriäßlich. Alle Härten des schnellen Mo-
mentverschlusses müssen mit weich arbei-
tendem Entwickler ausgeglichen werden;
die zarte Zeichnung des Gefieders, des
Felles, der Haut, darf nicht verloren gehen.
So ausgerüstet möge der Photograph mit
seiner Kamera umherstreifen in Hof und
Garten, in Feld und Wald mit suchendem
Auge und warmem Herzen. Er wird dann
mit Goethe ausrufen mögen:
Ihr alle fühlt geheimes Wirken
Der ewig waltenden Natur,
Und aus den untersten Bezirken
Schmiegt sich herauf lebend'ge Spur.
Käthe Hechty ülralsund.
,Ein Küßchen in Ehren“.
Phot. Käthe Hecht,
Stralsuad.
ta, sie haben einen seltenen Reiz, diese
Charakterstudien in der Tierwelt, dieses
Festhalten von Form, Ausd'ruek und Bewegung
auf der lichtempfindlichen Platte, um später
im Papierabdruck ein so reizvolles Genrebild
zu geben. Seit Jahren beschäftige ich mich
mit diesen Studien und diesem Suchen und
Finden von Ausdrucksmöglichkeiten der Tier-
seele, um sie im Bilde festzuhalten. Unser
Zeitalter der Naturwissrn-chaften hat das Tier
dem Menschen gegenüber in eine andere, in eine
höhere Stellung gerückt. Man spricht ihtu eineti Grad
von Intelligenz zu, den man früher skeptisch belächelt
hätte. Finzelne Fanatiker gehen so weit, ihm das Ausdrucks-
mittel der menschlichen Stimme, die Sprache, zueignen zu wollen
wie dem redenden Hund Don, dem sprechenden Kater, den buch
stabierenden Araberpferden Muhammed und Zariff: „Ist dies schon Tollheit, hat
es doch Methode!“ Mögen solche Paradoxen ihre verschiedene Beurteilung in
Fach- und Laienkreisen finden; jedenfalls sind sie ein Beweis dafür, daß eine
ungewöhnliche Ausdrucks- und Bildungsfähigkeit des tierischen Intellekts vor-
handen ist, die den Dresseur oder Lehrer zu den gewagtesten Vermutungen und
Aussprüchen veranlassen. Uns diesen Grad der Ausdrucksfähigkeit der Tierseele
in reizvollen Genrebildern zur Darstellung zu bringen ist das interessanteste
Tätigkeitsfeld des Photographen, der Liebe genug zur Natur und zum Tier hat,
Ltm in langen und mühevollen, aber stets dankbaren Versuchen und Studien
Anregung und Befriedigung zu finden.
„Der Luft, dem Wasser wie den Erden entwinden tausend Keime sich“ und
allüberall finden sich Berührungspunkte für die Kamera mit dem, was da draußen
lebt. Kein gaukelnder Schmetterling, kein noch so unscheinbareg Insekt, kein
anscheinend noch so niederorganisiertes Tier ist unwert, auf die lichtempfind-
Vizemutter.
Phot. Käthe Ilecht, Stralsund.
Platte zu bannen, ist eben der Ausdruck ihrer
Intelligenz, dessen Grad kennen zu lernen Stu-
dium des Photographen ist, und von dessen rich-
tigem Erfassen auch das Gelingen des Bildes
abhängt. Nicht jedes Tier eignet sich gleich
gut für eine mit bestiinmter Disposition auf-
gebaute Aufnahme. Für mich ist jedes Tier
cine Persönlichkeit, dessen iiulividuelle Eigen-
art zu ergründen und dicsc dann itn Dienste der
Kamera zu verwerten mir einen iiolten und cigett-
tümlichen Rciz hietct. Es gibt ganz ungeeignete
F.leinente nnter meinen Zöglingen, solche werden naeh
längeren vergebliclien Versuclten ausgemerzt und durch
tndere ersctzt. Ielt lialtc Kröten, Mäuse und Krähen, gezähnit
und ungezähmt, photographiert und aus einer Anzahl immer nur
einige für geeignet gefunden, mir durch Stellung und Anpassungs-
fähigkeit zum Biide zu verhelfen. Aber ohne Liebe kein Ziel. Das Tier weiß
überraschend schnell den Tierfreund herauszufinden, es fügt sich, wenn zuerst
auch widerstrebend, gern der Härid, die es mit sanfter Geduld immer wieder
auf den angewiesenen Platz zurückführt. Ein hartes, in Ungeduld ausgestoßenes
Wort, ein böser Blick nrachen den Erfolg vieler Wochen oft zunichte.
Mit welcher unsägiichen Geduld mußte ich für das Bild „Vizemutter“ dem
Jagdhund die Milchflasche wieder und wieder zwischen die Zäline legen, zwanzig-
darafji fe rsfudicn in der
JTienreff mif dcr Xaniera.
Ein Un^ehcuer. Phot. Iväthe Ilecht, StraKund.
liche Piatte gebannt zu werden. Unsere neucren zoologischen Werke, wie die
groß angelegten „Lebensbilder der Tierwelt“ von Meerwarth, der neue schöne
„Brehm“ im meist farbigen Gewand entlehncn ilire Illustrationen der Kamcra-
kunst. Es sind keine Zeicitnungen mehr, die viel oder wenig von der subjektiven
Auffassung des Malers und seines Pinsels beeinflußt sind. Diese Illustrationen
sind ein Naturerlebnis für den Beschauer und zaubern vor dessen Auge cir.cn
Naturausschnitt, wie ihn die mühevolle Geduld des Photographeu nach stunden-
langem Lauschen unä Harren, nach tagelangem Beobachten und Forschen end-
lich errungen hat. Das reiche Familienleben unserer Säugetiere, das graziöse
Liebesspiel der gefiederten Welt, die treue Eltern- und Gattenliebe sind Erleb-
nisse, Vorgänge, oft nur flüchtige Momente,
die von der scharf zeichnenden Optik in eine
Natururkunde umgesetzt sind, dazu bestimmt,
dem Ilerzen der Schüler und Erwachsenen
die Tierwelt näherzubringen, Liebe für das
Tier und die Natur zu erwecken.
Aber nicht vom Photographieren des
freilebenden Tieres wollte ich sprechen. Die
Illustrationen des vorliegenden Aufsatzes sind
ein Beweis für meine Studien an dem ge-
zähmten Tier, dem Haustier. Denn diese
und namentlich diese weisen in ihrer typi-
schen Eigenart, in ihrem physischen, ja ich
möchte sagen psychischen Leben tausend
Züge der Besonderheit auf, der Beachtung
wert. Ihre Anpassungsfähigkeit an den Willen
des Photographen, der sie in dieser und
zwar genau in dieser Steilung haben will,
um das im Geiste aul'gebaute Bild auf die
Urteil des Paris. PIl0t- Käthe !Iecht' Stralsund.
mal ließ er sie wieder fallen mit einem wahrhaft spitzbübischen Ausdruck seiner
klugen Augen; wie oft mußte das zierliche Rehkitz zu seinem sonst so geliebten
Spiclkameraden geführt werden, bis der eine die Fiasche hielt, das andere die-
selbe nahm, utn sie bis zum letzten Tropfen mit gewohnter Energie zu leeren.
Vielleicht noch schwieriger gestaltete sich die Sitzung zum „Urteil des Paris“.
Zunächst laufen rrieine Krähen mit wahrhaft beängstigender Hast neugierig hier-
hin und dorthin, drehen den Kopf nach allen Seiten, zanken sich, putzen die
Federn zurecht, kurz, ein Chaos ohnegleieheri. In einer Linie, diclit nebenein-
ander sollen und rnüssen sie stehen, um mit intensiver Aufmerksamkeit den
Papagei als Paris anzuschauen. Unmöglich scheint es! Aber „Geduld will bei
dem Werke sein“. Endlich bleiben die Krähen auf ihrem Platze, endlich ver-
harren alle in der ihnen angewiesenen Stellung! Nun heißt es schußbereit mit
der Kamera sein. „Ein einziger Augenbiick kann alles umgestalten“, und Aus-
druck und Bewegung, nicht mit dem schnell und geräuschlos arbeitenden Moment-
verschluß festgehalten, kehrt vielleicht niemals wieder. Dies gilt auch vom „Ein
Küßchen in Ehren, kann niemand verwehren“, wo Hund und Krähe mit einer
unnachahmlichen Drolligkeit sich einander nähern, urn niemals wieder diese
zarte Berührung zu wiederholen.
Gute optische Ausstattung in einer
Spiegelreflexkamera und hochempfindliches
Plattenmaterial sind für solche Aufnahmen
uneriäßlich. Alle Härten des schnellen Mo-
mentverschlusses müssen mit weich arbei-
tendem Entwickler ausgeglichen werden;
die zarte Zeichnung des Gefieders, des
Felles, der Haut, darf nicht verloren gehen.
So ausgerüstet möge der Photograph mit
seiner Kamera umherstreifen in Hof und
Garten, in Feld und Wald mit suchendem
Auge und warmem Herzen. Er wird dann
mit Goethe ausrufen mögen:
Ihr alle fühlt geheimes Wirken
Der ewig waltenden Natur,
Und aus den untersten Bezirken
Schmiegt sich herauf lebend'ge Spur.
Käthe Hechty ülralsund.
,Ein Küßchen in Ehren“.
Phot. Käthe Hecht,
Stralsuad.