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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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Paradiesvögel.

Von Sir Harry Johnston.

Als zu Beginn des 16. Jahrhunderts die ersten
Paradiesvogelbälge aus Neuguinea nach F.uropa
gelangten, spann alsbald die Fabel um die un-
erhörte Pracht dieses Gefieders ihre phantastischen
Fäden. Verstümmelt, ohne Füße zumal, kamen
noch bis zum Jahre 1760 diese über alle Maßen
herrlichen Bälge der „Manuk dewata“, der „Götter-
vögel“, wie die malaiischen Händler sie nannten,
zu uns, und es nutzte nichts, daß die wenigen
Reisenden und Naturforscher, die Paradiesvögei
in ihrer fernen Heimat lebend gesehen hatten,
immer wieder betonten, auch die Paradiesvögel
hätten Füße gleich andern gefiederten Bewohnern
der Lüfte: das Volk sah in den Paradiesvögeln
luftige Sylphen, die ihre Heimat allein in dem un-
endlichen Äther hätten, nur während fiüchtiger
Augenblicke der Ruhe pflegten und sich dabei
mit den langen, fadenförmigen Schwanzfedern an
Zweigen und Ästen aufhängten. Höhere Wesen
gleichsam, sollten sie sich nur vom Himmelstau
nähren; nie kämen sie auf die Erde herab, das
Weibchen legte auch die Eier in eine Vertiefung
auf dem Rücken des Männchens nieder und brütete
sie in diesem seltsamen, fliegenden Neste aus.

Die Verstümmelung der Bälge, das Fehlen der
Füße rührte davon her, daß die malaiischen Händ-
ler ursprünglich, urn die Häute leichter verpacken
zu können, die Füße einfach abschnitten oder schon
die papuanischen Jäger veranlaßten, die Vogel-
bälge in solcher Weise zu präparieren. Noch vor
vvenigen Jahrzehnten richteten die Papua des west-
lichen Neuguinea, wie v. Rosenberg berichtet,
der jene Gebiete in holländischen Diensten 1869 bis
1871 bereiste, die Bälge derart für den Handel
her, daß sie den erlegten Vögeln zunächst mittels
Querschnitts über Rücken und Bauch die derbe
Haut abstreiften, dann die Füße mit dem Hinterteil
der Bauchhaut wegschnitten und die großen
Schwungfedern ausrissen. Nun spannten sie die
Haut über ein rundes Stäbchen, so daß dieses ein
paar Zentimeter weit aus dem Schnabel hervor-
ragte, welch letzterer mit llilfe einer Schnur an
dem Holze befestigt ward. Hierauf hängten sie die mit
Holzasche eingeriebenen Bälge int Innern ihrer Hütten
über der Feuerstelle auf, unt sie im Rauche zu trocknen
und vor Ungeziefer zu schützen, und damit war der
Balg zur Versendung fertig präpariert.

Ganz irn Gegensatz zu diesem alten, im Volke ver-
breiteten und durch Gesner in die Naturwissenschaft
eingeführten Glauben von der Fußlosigkeit der Paradies-
vögel — in Erinnerung daran taufte Linne (1760) dann
den großen Paradiesvogel von den Aruinseln den „fuß-
losen“: Paradisea apoda — haben die Paradiesvögei sehr
derbe Beine mit (bei einzelnen Arten wenigstens) ziem-
lich großen Füßen, die geradezu für das Sitzen und
Scharren gemacht erscheinen, und selbstverständlich
auch brütet das Weibchen die
Eier nicht auf dem Rücken des
Männchens aus. Die Eier, nie-
mals mehr als drei an der Zahl
und manchmal sogar nur eins,
werden vielmehr, um das gleich
hier zu erwähnen, in Nester ge-
legt, die in Büschen oder auf
Bäumen, auch wohl in Ast-
löchern, häufig ganz roh aus
Zweigen, Blättern, Wurzeln,

Gras und Moos zusammenge-
tragen, von den Pärchen gebaut
werden. Der Art nach sind
diese Eier sehr verschieden-
farben: von einem dunklen Rot-
braun mit noch dunkleren
Flecken, ja selbst schwarzen
Streifen, wechseln sie in der
Färbung bis zu einem blassen
Grau oder grünlichen Weiß mit
purpurnen, braunen oder schwar-
zen Tüpfeln und Strichen.

Der rabenartige Charakter
der in der Größe etwa zwischen
einer Drossel und einer Krähe
schwankenden Paradiesvögel
fällt selbst dem Auge des un-
geübten Beobachters auf, wenn
er Formen sieht wie die auf
Neuguinea und den vorgelager-
ten Inseln heimischen Paradies-
raben (Paradisea), -eistern (Lo-
phorinajund -hopfe(Epimachus).

Auch mit den sogenannten Lau-
benvögeln (Ptilonorhynchidae)
sind die Paradiesvögel ver-
wandt; ja gewisse Arten bauen
selbst in der Weise jener

Kaiser -Wilhelm-Paradiesvogel. Pkot Sir H' H' J ohnston

Diese seltene, zarte, schöne Form (Paradisea Guilelmi) stammt aus Deutsch-Neuguinea.
Die seitlichen Zierfedern des Männchens sind schneeweiß, das übrige Gefieder ist schokoladen-
braun, strohgelb und tief beryllgrün.

„Lauben“ oder Spielnester. So der schwarzgesichtige
Gold-Paradiesvogel, der in Gold und Orange strahlt,
der Mac Gregor-Paradiesvogel vom Owen-Stanley-Gebirge,
der zu seinem goldgelben Gefieder noch drei prächtig
goldene Palettenfedern auf dem Kopfe trägt, und die gelb-
schopfige Paradiesvogelart aus Holländisch-Neuguinea,
ein brauner Vogel mit einem ungeheuren, horizontal
gebreiteten Orangeschopf auf dem Kopfe. Einzelne Arten
bereiten sich auch regelrechte Tanzböden auf der Erde, wo
die Männchen dann im Liebesspiel balzen und ihr glänzen-
des Gefieder zur Schau stellen. Bei den meisten Arten aber
balzt das Männchen auf einem kahlen Baumzweige oder
einer glatten Liane, deren Taue sich in den dichten Ur-
wäldern Neuguineas von Baum zu Baum schwingen.

Phot. Sir H. H. fohnston.

Der Prachtvogel.

Dieser goldnackige Pracht-Paradiesvogel (Diphyllodes speciosa) gehört zu einer Gruppe kleiner, prächtig gefärbter Paradiesvogel Neu-
guineas und der westlich vorgelagerten Inseln. Das Nackenschild ist strohweiß bis goldgelb und von metallischem Schimmer, das übrige Ge-
fieder glänzt wie GolJ, Silber und Kupfer. Aus der Milte der Schwanzfedern sondern sich zwei lange, sch.ingenartig gebogene Zierfedern.

Insekten, Schnecken, Würmer, aber auch
Frösche und Eidechsen, Früchte und Sämereien
mancherlei Art bilden die Nahrung der Paradies-
vögel. Der purpurgoldne Paradiesvogel oder
Paradieshopf saugt ferner den Nektar aus den
Blüten der Pisangs und Sagopalmen. Seine lange,
flache Zunge mit dem faserigen Ende ist ganz
vorzüglich dazu eingerichtet. Vermutlich sind auch
einige andere Arten, die gleich ihm lange, ge-
bogene Schnäbel besitzen, Honigsauger. In der
Gelangenschalt werden die Paradiesvögel vornehm-
lich mit Schaben gefüttert, die sie gern nehmen,
mit Bananen u. dgl.

Fast alle Paradiesvögel zeichuen sich durch
lärmende, schrillende oder kreischende Rufe aus,
die sie morgens und abends, namentlich während
der Brutzeit, häufig hören lassen. Nach diesem
lauten Schrei wird beispielshalber der Paradies-
hopf von den Eingeborenen auch ko-ko-ko oder
ka-ka-ka genannt. Der prachtvoll kardinalrot und
smaragdgrün gefärbte Königs-Paradiesvogel (Ci-
cinnurus regius) gibt einen Laut von sich, der an
das Miauen einer Katze erinnert. Andere Arten
lassen laute, pfeifenartige oder flötende Töne,
wieder andere metallisch harte, rauhe Laute hören,
so häßlich, wie sie nur je ein kreischender Papagei
hervoi bringt. Manche endlich vermögen ausge-
zeichnet die Rufe anderer Vögel _zu kopieren.

Über das Freileben der Paradiesvögel wissen
wir noch wenig Bestimmtes. Das vollentwickelte,
prachtvoll ausgefärbte Männchen scheint außer-
halb der Brutzeit ein einsames Hagestolzenleben
zu führen. Die Jungen beiderlei Geschlechts,
die fast erwachsenen jungen Männchen und die
erwachsenen Weibchen, halten sich dagegen zu-
sammen, meist in den bergigen, dicht bewalde-
ten Gebieten Neuguineas. Die verschiedene Reife-
zeit der Früchte veranlaßt sie zum Streichen; dann
kommen sie auch in Scharen an die Küste und
in die Nähe der menschlichen Wohnungen. Zu
dieser Zeit sind sie am ehesten zu erjagen.
Man fängt die Vögel teils mit Leimruten, teils
in Schlingen. Diese Schlingen werden nach Wal-
lace so in den Fruchtbäumen aufgehängt, daß
der Vogel, wenn er die Frucht fassen will, mit
einem Fuße in die Schlinge treten muß. Das andere
Ende der Schnur hängt bis zum Boden herab, und so
kann der Vogel leicht vom Baume heruntergezogen
werden. In Holländisch-Neuguinea werden nach der
Schilderung v. Rosenbergs die Paradiesvögel folgender-
maßen erlegt: „In der Jagdzeit, die in die Mitte der
trockenen Jahreszeit fällt, suchen die Eingeborenen“ —■
die Paradiesvogeljagd ist hier meist Priviieg der Häupt-
linge — „zuerst die Bäume aufzuspüren, auf denen die
Vögel übernachten, und die meist die höchsten des
Waldes sind. Hier erbauen sie sich in deren Ästen
eine kleine Hütte aus Blättern und Zweigen. Ungefähr
eine Stunde vor Sonnenuntergang klettert ein geübter
Schütze, mit Pfeil und Bogen versehen, auf den Baum,
verbirgt sich in der Hütte und wartet in größtmöglicher
Stille die Ankunft der Vögel ab.
Sowie sie heranfliegen, schießt
er sie, einen um den andern,
bequetn nieder, und einer sei-
ner Gefährten, der sich am Fuße
des Baurnes verborgen hat,
sucht die gefallenen Tiere zu-
sammenß Bisweilen schießtman
die Paradiesvögel auch mit be-
sonders geformten Vogelpfeilen,
die mehrere stumpfe, ein Drei-
eck bildende Spitzen haben,
zwischen denen sich durch die
Kraft des Schusses der Körper
des Vogels einklemmt.

Der erste, der Paradies-
vögel lebend nacli Europa
brachte, war Alfred Russel Wal-
iace, und der Zoologische Garten
in London bezahlte für die zwei
bereits ausgefärbten Papua-Pa-
radiesvögel (Paradisea minor)
nicht weniger als 7000 Mark.
Diese (und manche andere)
Paradiesvogelart vermag übri-
gens in Europa auszudauern.
Über einen lange Jahre in Ge-
fangenschaft gehaltenen Papua-
Paradiesvogel liegt von Bennet
ein anschaulicher Bericht vor.
Bennet hebt zunächst das Gefall-
süchtige und die Eitelkeit des
Vogels hervor. Sobald sich ein
Besucher dem Käfig nahte,
hüpfte der Vogel tänzelnd auf
der hohen Stange und sah sich
gleichsam schelmisch heraus-
fordernd um. Auf seinem Ge-
fieder litt er nicht die geringste

XXVll. 8 B. 1.
 
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