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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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16. Heft
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Lienhard, Friedrich: Schwert und Bibel, [6]: Novelle
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Ebolé, W. K.: Der Ski in der Polarforschung
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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0464

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198

MODERNE KUNST.

Der Pfarrer besaß diesmal Takt und Klugheit genug, sich der Situation
anzupassen; er sprach in gut gewählten Worten dem ganzen Dreibunde
seinen Glückwunsch aus.

„Der Herr Baron möchte Ihnen überhaupt mancherlei sagen“, er-
munterte Stäuble.

„Richtig!“ setzte der genesene Schloßherr ein und nahm die Sache
selber in die Hand. „Sehen Sie, Herr Pfarrer, ich habe mir da vorhin
den Stäuble kommen lassen. Stäuble, sagt' ich, die Situation ist mir
fatal — äußerst fatal — habe ungewöhnliche Herzkomplikationen gehabt
— wahrhaftig, mit Kompressen die ganze Nacht — kurz, dieser peinliche
Vorfall durch einen jämmerlichen Denunzianten hat mir den Flunkerklub
verleidet. Stäuble, sagt’ ich, wissen Sie was? Wir lösen den Klub auf!
Dieses Institut hat sich überlebt. Die Kerle vertragen nichts. Raus mit
der Bande! Einen andern Ton in den Ort! Und, sagt’ ich, Stäuble,
warum händeln denn eigentlich der Herr Pfarrer und ich? Er hat den
Einfluß, und ich hab’ die Bildung — kurz, wir zwei beherrschen das
Terrain hier im Ort, und ich glaube, daß ich den Herrn Pfarrer ganz
gut brauchen kann. Und der Stäuble als Mann von Verstand wußte nichts
dagegen einzuwenden. Also, Herr Pfarrer, kurz und gut, wenn wir zwei
hier clas Kommando übernehmen würden — was meinen Sie wohl, käme
da Disziplin in die Bande oder nicht?!“

Stäuble lachte schallend; Juliane spähte vom Vater zum Pfarrer,
zwischen Lächeln und Besorgnis schwankend, ob sich wohl alles zum
Guten kehren würde.

Aber der Geistliche war bearbeitet genug, urn auf den humoristisch-
militärischen Ton dieses Versöhnungsvorschlags einzugehen und die dar-
gebotene Hand zu ergreifen.

„Herr Baron“, sprach er lächelnd, „Sie haben ein entschiedenes
Talent, durch unerwartete Wendungen Ihre Nebenmenschen zu verblüffen.“
„Ach was, Herr Pfarrer!“ meinte der Feldherr treuherzig. „Geben
wir uns doch keiner Einbildung hin! Uns zweien sind längst die Zügel
entglitten! Diese zwei da, die Komplottisten, leiten den Generalstab!
Und in der Tat, ich habe mich total zu Ihrer Auffassung bekehrt, Herr
Pfarrer. Verstehen Sie wohl? Bekehrt! — Sergeant Kümmelröder, mit
Ihnen hab’ ich noch ein ernstes Wort zu reden! Ich hätte nicht übel
Lust, Sie sofort zu entlassen!“

Und über den Missetäter, der verwundert eingetreten war, brauste
eine Strafpredigt herunter. Kümmelröder konnte sich in der veränderten
Sachlage ni.cht zurechtfinden und sah sich hilflos um. Man bat für ihn;
sogar der Pfarrer legte ein Wort ein.

„Herr Pfarrer, Sie huldigen einer zu milden Lebensauffassung“, be-
harrte der Baron. „Was haben Sie zu erwidern, Kümmelröder?“

„Ich — ich“, stammelte der verwirrte Burscbe, „ich könnte mich ja
auch bekehren, wie der Herr Baron.“

„Bekehren?! Ich hätte mich bekehrt? !“ brüllte der Major mit Lungen-
kraft. „Raus, Halunke! Du bleibst in meinen Diensten! Dich will ich
drillen, daß dir die Flaare zu Berge stehen! — Na, Herr Pfarrer, damit
wollen wir diesen unerquicklichen Zwischenfall abschließen. Wie gefall’
ich Ihnen jetzt?“

„Ich kann gerade nicht sagen“, lächelte der Pfarrer, „daß ich von
Ihrer sogenannten Bekehrung bereits sonderlich überzeugt und erbaut wäre.“
„Das kommt noch, Herr Steinhauer!“ meinte der vergnügte Alte und
klopfte dem Seelsorger auf das Schulterblatt. „Sie müssen bedenken,
ich bin noch ein Anfänger.“ [ENDE],

Der Ski in der Polarforsdiurtg.

ie Leiden der deutf.chen Spitzbergen-Expedition haben kürzlich die Auf-
merksamkeit der Öffentlichkeit wieder einmal auf die außerordentlichen
Schwierigkeiten gelenkt, mit der alle derartigen Expeditionen zu kämpfen
haben. Wenn man die Berichte der modernen Polarforscher liest und hört,
welche ungeheuren Leistungen da vollbracht worden sind — der Norweger
Amundsen hat zum Beispiel mit seinen drei Begleitern auf dem Wege von
„Framheim“ auf der Eisplatte zum Südpol und zurück nicht weniger als 3000 km
zu Fuß zurücklegen müssen und dazu nur 99 Tage gebraucht — so klingt das
beinahe wie ein Märchen. Der Weg, den die kühnen Forscher zu bewältigen
hatten, führte nicht nur über gewaltige Schneefelder und durch Schneestürme,
sondern auch über Gebirge von mehr als 3000 m Höhe und über Gletscher hin-
weg, an dessen abgrundtiefen Spalten Tod und Verderben lauerten. Und das
alles bei einer Kälte von 20 bis 55 Grad, also Temperaturen, von denen wir
Kulturmenschen uns kaum einen Begriff zu machen vermögen.

Wie sind derartige Marschleistungen nun möglich? Diese begreifliche Frage
zwingt zunächst einmal dazu, des hervorragenden Anteils zu gedenken, den die
mitgeführten Hunde an Amundsens Zuge zum Südpole hatten, jene Hunde, die
unermüdlich bis zum letzten Atemzuge die schwerbeladenen Schlitten zogen und
teilweise auch noch, wenn man ihrer Dienste nicht mehr bedurfte, ihren Ge-
bietern als Nahrung dienten. Dann aber, sieht man von der eisernen Ausdauer
und Aufopferung aD, mit der die unerschrockenen Männer ihrem fernen Ziel ent-
gegenstrebten, so ist es mit in erster Linie der Ski gewesen, der sie zu diesen
enormen Leistungen befähigt hat.

Die erste bemerkenswerte Rolle hat der Ski bei der norwegischen Polar-
expedition gespielt, die Fridtjof Nansen in den Jahren 1893 bis 1896 unternommen
hat. Nansen hat in seinen Reisebeschreibungen wiederholt auf die große Be-
deutung der Skier in der Polarforschung hingewiesen. Da er nicht genügend
mit Schneeschuhen ausgerüstet war, hat er während seines Aufenthalts im Polar-
gebiet aus vorhandenen eichenen Brettern zehn Paar anfertigen lassen, die denn
auch gute Dienste geleistet haben. „Ohne Skier im Schnee dahinzuwaten, ist
eine Unmöglichkeit“, sagt Nansen einmal, und diejenigen Mitglieder seiner Ex-
pedition, die im Skilauf nicht bewandert waren, mußten sich ständig darin üben
und vervollkommnen. Da Nansen es im Nordpolargebiete vorwiegend mit der
rauhen und unebenen Fläche des Polareises zu tun hatte, über die schwer be-
ladene Schlitten gezogen werden mußten, so kam er auf Grund seiner Erfahrung
zu dem Schlusse, daß kanadische Schneeschuhe hier noch größere Dienste ge-
leistet hätten als die mitgeführten norwegischen Skier, die häufig zerbrachen.
Bernhard Nordahl, einer der Begleiter Nansens, schreibt: „Hier oben haben die
Eispressungen das Eis mit ihren Riesenfäusten gewunden, gekrümmt und ge-
bogen, so daß es sich in steilen Abdachungen und jähen, haushohen Abhängen
erhebt oder wellenförmige, oft viele Meter tiefe grubenartige Einsenkungen

bildet. Manchmal gehörten ein geübtes Auge und ein sicherer Fuß dazu, um
diesen Abgründen, die sich oft ganz unerwartet gähnend vor uns öffneten, in
der Eile noch zu entgehen. Denn man konnte sich bei dem blendenden Sonnen-
scheine beinahe ebenso schwer vor ihnen in acht nehmen wie im nächtlichen
Dunkel. Und manch gutes Schneeschuhpaar, selbst an den Füßen eines geübten
Läufers, brach dabei in Stilcke, wenn das Unglück es wollte. „Trotz dieser un-
günstigen LTmstände haben die Skier Nansen unschätzbare Dienste geleistet, vor
allem auf der großen Schlittenreise, die er zusammen mit Leutnant Hjalmar
Johansen, einem vorzüglichen Skiläufer, unternahm. „Es ist von Wichtigkeit,“
so betont Nansen bei Gelegenheit, „daß die Skier glatt, zähe und leicht sind,
damit man auf ihnen ordentlich vorwärts kommen kann. Sie müssen tüchtig
mit Teer, Stearin und Talg eingerieben werden, und es muß ,Fahrt‘ in ihnen
sein.“ Dasselbe Mittel, eine Mischung von Teer, Stearin und Talg, mit der die
untere Seite der Schneeschuhe geglättet wurde, lobt später auch der schon er-
wähnte Leutnant Johansen, der auf Nansens Expedition teils die Dienste eines
Heizers versah — da kein anderer Platz frei war —, teils die eines meteoro-
logischen Assistenten. Gelegentlich seiner Schilderung der ersten Polarnacht
schreibt er: „Es wurde oft lebhaft darüber gestritten, wer die glatlesten Schnee-
schuhe hatte, und wir hielten auf einem dazu geeigneten Eishügel öfter einen
Wettlauf im Abwärtslaufen ab, wobei jeder Teilnehmer allerlei Kniffe gebrauchte,
damit er ein paar Zoll weiter glitte als seine Konkurrenten. Sverdrups und
Nansens Schneeschuhe glitten am weitesten; der erstere hatte ein Paar aus
dünnem Erlenholz, das er sich an Bord selbst geschnitzt hatte, der andere ein
Paar leichte, in Finnland verfertigte Schneeschuhe von Birkenholz.

Wesentlich bessere Erfahrungen als Nansen machte Amundsen auf seiner
Reise zum Südpole, weil er im allgemeinen bessere, günstigere Verhältnisse für
den Skilauf vorfand, das heißt gleichmäßige, große Strecken schneebedeckten
Terrains. Wie wertvoll die Skier für ihn waren, beschreibt Amundsen u. a.
folgendermaßen: „Jeden Tag nahmen wir Veranlassung, unsere Schneeschuhe zu
rühmen, und wir fragten einander oft, wo wir wohl jetzt in Ermanglung dieser
ausgezeichneten Ausrüstungsstücke sein würden. Die Antwort lautete dann
meistens: „Wahrscheinlich auf dem Boden von irgendeiner Spalte oder in einem
Loche“. Schon beim Lesen der Berichte über das Aussehen der Eisplatte (auf
der Amundsen sein ,Framheim‘ errichtete. Der Verf.) war uns allen, die sozu-
sagen mit Schneeschuhen an den Füßen geboren und aufgezogen worden waren,
klar geworden, daß diese ganz unentbehrlich sein müßten. Diese Auffassung
verstärkte sich von Tag zu Tag, und ich behaupte nicht zuviel von unsern aus-
gezeichneten Schneeschuhen, wenn ich sage, daß sie nicht nur eine wichtige,
sondern vielleicht die wichtigste Rolle auf der ganzen Südpolarfahrt spielten.
Sehr oft führte unser Weg durch so zerrissenes Gelände, daß das Durchkommen
zu Fuß eine Unmöglichkeit gewesen wäre. Von welchem Vorteil sie bei dern
 
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